Leserunde

Leserunde zu "Die Markierung" (Frida Isberg)

Die Markierung -

Die Markierung
von Frida Isberg

Bewerbungsphase: Bis zum 15.09.

Beginn der Leserunde: 22.09. (Ende: 13.10.)

Im Rahmen dieser Leserunde stellen wir – mit freundlicher Unterstützung des Hoffmann & Campe Verlags – 20 Freiexemplare von "Die Markierung" (Frida Isberg) zur Verfügung. Eine Leseprobe zum Buch findet ihr hier.

Wenn ihr eines der Freiexemplare gewinnt, diskutiert ihr in der Leserunde mit, tauscht euch über eure Leseerfahrungen aus und veröffentlicht am Ende eine Rezension zum Buch.

ÜBER DAS BUCH:

Was passiert, wenn Ideen zu Ideologien gerinnen? Poetisch, scharfsichtig und eindringlich erzählt Fríđa Ísberg von einer Gesellschaft, die per Gesetz Klarheit über Gut und Böse schaffen will.

Island in naher Zukunft. Um die öffentliche Sicherheit zu erhöhen, sind bestimmte Wohngebiete nur noch für sogenannte markierte Menschen zugänglich, deren moralische Vertrauenswürdigkeit durch einen Empathie-Test nachgewiesen wurde. Bei den anstehenden Wahlen wird sich entscheiden, ob die allgemeine Markierungspflicht gesetzlich verankert wird.

Ob die skeptische Lehrerin Vetur, der einflussreiche Psychologe Óli, die Geschäftsfrau Eyja oder der Schulabbrecher Tristan: Egal welchen Hintergrund sie mitbringen und egal, ob sie die gesellschaftlichen Veränderungen befürworten, hinnehmen oder aktiv gegen sie angehen – sie alle geraten in den Strudel der Verwerfungen einer Gesellschaft, deren neue Spielregeln explosive Folgen haben.

ÜBER DIE AUTORIN:

Fríða Ísberg, geboren 1992, ist eine isländische Lyrikerin und Prosaautorin. Ihre Lyrikbände und die Kurzgeschichtensammlung "Kláði" waren für alle wichtigen isländischen Literaturpreise nominiert, "Kláði" u.a. für den Literaturpreis des Nordischen Rates 2020. Ihr erster Roman "Die Markierung" wurde mit dem Literaturpreis des isländischen Buchhandels ausgezeichnet..
Tina Flecken, geboren 1968, lebt in Köln und übersetzt Literatur aus dem Isländischen, darunter Bjarni Bjarnason, Yrsa Sigurðardóttir, Sjón und Eiríkur Örn Norðdahl.

15.10.2022

Thema: Lektüre, Teil lll; Seite 211 bis Ende

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Dajobama kommentierte am 28. September 2022 um 20:24

Aus den kursiv gedruckten Briefen der beiden Frauen bin ich auch zum Ende nicht schlau geworden. Vielleicht kann mir das jemand erklären? Die Eine meinte, es ginge gar nicht um die Markierungspflicht. Diese sei nur eine Art Ventil, über das die Menschen Luft ablassen, worüber sie streiten könnten. Die eigentlichen Probleme liegen tiefer. Und dann das Gerede von wegen "rede mit mir, als wäre ich du; rede mit mir als wäre ich ich".... ???

Wie ich schon geahnt hatte, ist das Ende des Romans seeehr offen gehalten. Ja, es gab kurz mal Ausschreitungen, die Wahl wurde trotzdem gewonnen, Tristan macht jetzt doch den Test. Was sagt uns das alles? Alles Wehren, Demonstrieren, Wählen bringt am Ende eh nichts? Solveig hatte so einen Gedanken unmittelbar nachdem sie gewählt hat. Überhaupt fand ich diesen Abschnitt aus Solveigs Sicht extrem gut. Damit kann ich mich identifizieren, meine Sichtweise. Aufgefallen ist mir, dass das Wahlergebnis doch recht deutlich ausfällt, die Meinungsverteilung bei unseren Figuren allerdings genau umgekehrt ist. Diese sind bis auf Ole allesamt kritisch eingestellt, ich kann mir nicht vorstellen, dass von ihnen jemand für das Markierungspflichtgesetz gestimmt hat. Damit zeigt die Autorin den Lesern ein ungutes Ohnmachtsgefühl auf. Sie verdeutlicht an drei von vier Charakteren all die Nachteile, die ein solches Gesetz mit sich bringen wird. Und dann knallt sie ihm noch vor den Latz, dass seine kleine einzelne Stimme eh nichts zählt und er sich beugen müssen wird - oder untergehen. Zugegeben, eine etwas krasse Zusammenfassung. Mir hat der Roman gut gefallen. Er birgt Zündstoff und regt zum Nachdenken an.

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Steve Kaminski kommentierte am 28. September 2022 um 22:14

Also, zu den zwei Frauen und den Briefen: erklären kann ich's Dir nicht. Aber mir scheint, sie beschreiben zwei Arten miteinander umzugehn: Tea mehr argumentativ; aber in der (scheinbaren) Sachlichkeit, so Laila, stecken persönliche Angriffe. Laila empfindet die Auseinandersetzung vor allem auf der Beziehungsebene. - Wenn diese Interpretation stimmt - wie das dann ins Buch insgesamt reingehört, weiß ich nicht so recht.

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Birte kommentierte am 04. Oktober 2022 um 15:46

Vielleicht zeigen die Briefe, dass Empathie nicht alles ist - offene Kommunikation ist auch ein wichtiger Bestandteil. Von daher finde ich deine Analyse - Sachebene und Beziehungsebene - sehr passend.

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Estrelas kommentierte am 03. Oktober 2022 um 11:50

ein ungutes Ohnmachtsgefühl
Das fasst es gut zusammen!
 

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Sursulapitschi kommentierte am 04. Oktober 2022 um 08:58

Aufgefallen ist mir, dass das Wahlergebnis doch recht deutlich ausfällt, die Meinungsverteilung bei unseren Figuren allerdings genau umgekehrt ist. Diese sind bis auf Ole allesamt kritisch eingestellt, ich kann mir nicht vorstellen, dass von ihnen jemand für das Markierungspflichtgesetz gestimmt hat.

Ja, das erinnert doch an aktuelle Referenden, die erstaunlich einstimmig das Falsche fordern. :-)

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Emswashed kommentierte am 10. Oktober 2022 um 09:21

Das passt! Oli hat ja ganz kurz vor den Wahlen noch die Morddrohungen und Beschädigungen am Fahrzeug öffentlich gemacht, so dass die Angst der Leute nochmal ordentlich geschürt wurde.

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Sunjo kommentierte am 11. Oktober 2022 um 17:22

Welche aktuellen Referenden? Die in Russland?

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Sursulapitschi kommentierte am 11. Oktober 2022 um 17:27

Die in den von Russland annektierten ukrainischen Gebieten. 

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Sunjo kommentierte am 11. Oktober 2022 um 17:51

Autsch! Das meinte ich auch - das ist mir jetzt peinlich :-(
 

Der Vergleich passt natürlich trotzdem nicht so ganz, weil dort in diesen Gebieten vor den Referenden Menschen vertrieben und ermordet wurden und auch die weiter dort Lebenden sicherlich nicht angst- und sorgenfrei entscheiden können. Trotzdem kann davon ausgegangen werden, dass die Referenden dort im Zweifel auch manipuliert wurden/werden, wenn das Ergebnis den Besatzern sonst nicht passen würde.
Davon würde ich jetzt im Buch eigentlich nicht ausgehen. Ob der Stimmungsumschwung im letzten Moment durch die gewaltsamen Proteste verursacht wurden? Kann ich mir gut vorstellen - mir würde es so gehen, wenn ich vorher noch unentschlossen gewesen wäre.

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Sursulapitschi kommentierte am 11. Oktober 2022 um 18:22

Ich meinte das auch gar nicht als exakten Vergleich. Tatsächlich wissen wir nicht, warum sich das Meinungsbild so plötzlich geändert hat, werden es auch nicht erfahren, aber so eine leise, augenzwinkernde Andeutung, dass da vielleicht manipuliert wurde, habe ich da schon herausgelesen. 

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Estrelas kommentierte am 03. Oktober 2022 um 10:20

Das, was am Ende ansatzweise angewandt wurde, nämlich, dass die Geschichten der einzelnen Figuren miteinander verwoben wurden, dass der gesellschaftliche Aspekt (Reaktionen der Bevölkerung, Wahlen...) beleuchtet wurde, hätte ich mir schon viel früher gewünscht. In meinen Augen hätte der Roman dadurch mehr Fülle und Spannung erlangt, die mir bei der Einzelbetrachtung fehlten.

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Tara kommentierte am 05. Oktober 2022 um 16:40

Ich hatte mir das auch früher gewünscht und war letztenlich erleichtert, dass es überhaupt noch dazu kam.

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Lenna kommentierte am 09. Oktober 2022 um 11:06

Dem kann ich mich nur anschließen. Am Ende kennt man zwar die Verbindungen, was man damit aber anfangen soll bleibt aber offen.

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Emswashed kommentierte am 10. Oktober 2022 um 09:24

So konnten wir aber auch (in aller Ruhe) die unterschiedlichen Startbedingungen und Interessensgemeinschaften kennenlernen.

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Sursulapitschi kommentierte am 04. Oktober 2022 um 08:53

Wow, dass wir hier noch zu einer Art versöhnlichem Ende kommen, hätte ich nicht gedacht. Natürlich ist es nicht wirklich versöhnlich. Wir wollten nicht, dass die Markierungspflicht eingeführt wird und wir wollten nicht, dass Tristan den Test macht. Aber wir wollten, dass Tristan überlebt und eine Wohnung bekommt. Ich habe sehr um ihn gebangt und fand den letzten Teil wirklich spannend.

Das ist ein perfides Pseudohappyend, ein gemeines Buch, sehr hinterhältig.

Wirklich genial, wie hier am Schluss alle Handlungsstränge zusammenfinden, das hat mir sehr gefallen. Teas uns Leylas Briefwechsel fand ich eher überflüssig. Ich habe darauf gewartet, dass der noch irgendwie tiefere Bedeutung bekommt, möglicherweise hat er die auch, aber ich sehe sie nicht.

Viele scheinen in diesem Buch die Corona-Situation gespiegelt zu sehen, ein neues Model staatlicher Bevormundung sozusagen. Ich denke dabei eher an eine übersteigerte Elitementalität, Abgrenzung, Mobbing, Gedankenpolizei, sogar Fremdenhass: Wer anders ist als ich, muss gefährlich sein.

Ich habe eine Weile überlegt, ob es mich stört, dass der Markierungsvorgang nicht näher erklärt wird. Das wird betont schwammig gehalten. Nur, weil man einen Test besteht, ist man ja noch nicht markiert, man kann Menschen und Orte gleichermaßen markieren, sieht es ihnen aber nicht an? Haben sie dann eine Art Magnetfeld? Und wie bekommen sie das? Das kommt mir nicht ganz rund vor, ist mir aber am Ende egal.

Das Buch bringt uns dazu, über Empathie nachzudenken, über die Grenze zwischen echtem Mitgefühl und Heuchelei, über die Definition von Gut und Böse und dass diese Grenze manchmal Ansichtssache ist. Ich bin beeindruckt.

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wandagreen kommentierte am 04. Oktober 2022 um 10:14

Ich hab an einen Chip gedacht, bei der Markierung von Menschen, was z.B. dadurch erhärtet wird, dass man nur dreimal 999 sagen muss, dann kommt die Polizei. Komisch, dass kein Scherzbold dies jemals missbraucht hat. Und was macht die Polizei mit missliebigen Elementen? Auch das fehlt. Dann gibt es eine Fussfessel, war das "die Spur"? Bei der Markierung von Häusern, Fluren, Plätzen werden es Kameras sein.

Man vergisst bei dem Buch, dass es auch Vieles ausspart.

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Estrelas kommentierte am 08. Oktober 2022 um 16:34

Für meinen Geschmack wurde zu viel ausgespart. Ich hätte mir noch einige Details erhofft, die diese Dystopie greifbarer gemacht hätten.

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Emswashed kommentierte am 10. Oktober 2022 um 09:31

Die "Aussparungen" füllen sich vielleicht schneller mit Realität, als uns lieb sein kann. Denk doch nur mal an alte SF und welche technischen Details darin heute von uns nur milde belächelt werden. Vielleicht kennt Isberg sich nicht so damit aus und sie wollte keine Fauxpas produzieren.

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Birte kommentierte am 04. Oktober 2022 um 15:30

Vetur beschreibt, wie sie beim Betreten des markierten Viertels in eine Kamera blickt (S.14: während der Scanner ihr Gesicht in der Datenbank sucht).

Über Zoé (ich verstehe das als Smartwatch-System) ist wohl eine Standortüberwachung möglich (wie bei Smartphones ja auch), und Sprachsteuerung gibt es ja auch schon. Zoé scheint aber noch einen Schritt weiter zu gehen und auch die Vitalparamater zu überwachen und sorgt im Notfall dann wohl auch für das Absetzen des Notrufs (wie bei Tristan). Im großen und ganzen ist das alles auch mit der jetzigen Technik schon möglich, denke ich.

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Birte kommentierte am 04. Oktober 2022 um 15:43

Das Happy-End für Tristan (wenn es denn eins ist, der Roman erzählt ja nicht mehr, wie es mit dem Test ausgeht) bringt Tristans Geschichte zu einem Abschluss, zeigt aber auch die Widersinnigkeit der Markierung auf - denn Tristan war ja, neben Eyja, der Protagonist, bei dem man (vermutlich) erwarten sollte, dass er den Test nicht bestehen würde, weil er ja auf zum Kleinkriminellen wurde. Deutlich wird hier aber auch, dass es bei Tristan die äußeren Umstände waren, bei Eyja sollen es wohl Persönlichkeitsmerkmale sein (sie war mir dann als Protagonistin auch am unsympathischsten, andererseits wird auch erwähnt, dass sie ihre Erfolge ohne diese Persönlichkeit auch nicht erreicht hätte).

Óli macht die Bedrohung durch Tristan öffentlich, was dann ja schon den Schlussstrich unter seine Ehe setzt, andererseits durch die ausgelösten Proteste dann wohl auch zum Wahlsieg führt. Dennoch - in einer Gesellschaft, in der die Empathie führende Eigenschaft sein soll, ist das beschriebene "an den Pranger stellen" dann ja auch befremdlich.

Der Roman lässt mich nachdenklich zurück, denn Ab- und Ausgrenzungen über gewünschte / nicht gewünschte Eigenschaften findet man, wenn man erst mal anfängt, darüber nachzudenken, in vielen Bereichen. Wobei ich den Wunsch nach Förderung von empathischem Handeln verstehen kann - nur hat der Roman ja auch dargestellt, dass dieses Handeln auch bei Vorhandensein von Empathie nicht automatisch auftritt.

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Tara kommentierte am 05. Oktober 2022 um 16:38

Wobei ich den Wunsch nach Förderung von empathischem Handeln verstehen kann -

Ich kann den Wunsch auch verstehen, aber es fehlt eben noch der richtige Weg.

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Emswashed kommentierte am 10. Oktober 2022 um 09:36

Dem Wunsch nach mehr Empathie stehen aber schon jetzt zahlreiche Algorithmen entgegen, die über deine Kreditwürdigkeit, Versicherungstarife, Angebote zur Gesundheitsvorsorge entscheiden.

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nicolebrk kommentierte am 04. Oktober 2022 um 19:59

Puh, ich bin gerade fertig geworden und muss sagen, dass ich mir noch kein rechtes Urteil bilden kann. Ich finde es toll, dass alle Handlungsstränge zusammenlaufen und wir zu einem halbwegs Happy-End kommen. Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass Tristan den Test besteht. 

Es gibt einfach nur so viele Themen (Markierungspflicht, Drogenabhängigkeit, Platz des Individuums in der Gesellschaft, Straftaten, Fremdgehen, psychische Probleme, Identitätskonflikt,...), die angesprochen werden, dass es mir sehr schwerfällt, alles in einem Kommentar zusammenzufassen (ich glaube, das geht hier vielen so). Das ist aber auch schwer zu schlucken und sicher kein einfaches Leseerlebnis, dass man einfach mal so vorm Schlafengehen lesen kann. 

 

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Tara kommentierte am 05. Oktober 2022 um 16:36

Ja, da hast Du vollkommen recht, es ist kein einfaches Buch und mir gelingt es auch nicht, es in wenigen Worten zusammenzufassen. Dafür war es einfach zu komplex, aber ich freue mich, dass ich es hier in der Leserunde gelesen habe, da mir die Gedanken meiner Mitleser auch noch einiges an Input gegeben haben.

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Emswashed kommentierte am 10. Oktober 2022 um 09:39

Zum "schwierigen" Thema kommen noch fremde Sprache und eigenwillige Textform (mal wird wörtliche Rede in Anführungsstrichen gesetzt, dann wieder nicht). Keine einfache, aber definitiv interessante Lektüre.

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Fever kommentierte am 05. Oktober 2022 um 12:31

Ich gebe zu, der letzte Teil hat mir irgendwie wenig Neues mitgegeben. Grundsätzliches zum Setting und zur Prämisse des Romans habe ich ja in den anderen beiden Leseabschnitten ausführlich kommentiert, hier bleibt mir nicht so viel hinzuzufügen. Ich finde die individuellen Geschichten sinnvoll und stimmig abgeschlossen, gerade in Sólveigs Perspektive, die hier zum ersten Mal vorkommt (oder?), aber dieses extrem offene Ende holt mich nicht so ganz ab. Für mich entsteht der Eindruck, dass hier nur mehrere Kurzgeschichten nebenher erzählt werden, die zwar lose miteinander verbunden sind (z. B. indem Vetur und Eyjas Ex Nachbarn sind), aber einen richtigen alles verbindenden Handlungsbogen gibt es nicht. So eine Erzählweise mag ich prinzipiell sogar ganz gerne, aber für mein Empfinden ist das Buch zu kurz, dass sie richtig gut funktioniert. Ich finde es immer noch ein lesenswertes und interessantes Werk, aber vom Ende hatte ich mir doch mehr erhofft, da bin ich ganz ehrlich.

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Estrelas kommentierte am 08. Oktober 2022 um 16:32

Ich fand den letzten Teil wichtig, damit die Einzelschicksale nicht nur nebeneinander stehen. Die Verbindung hätte durchaus schon früher passieren dürfen.

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Fever kommentierte am 10. Oktober 2022 um 15:23

Da hast du recht, das war ein netter Touch, aber, ehrlich gesagt, habe ich ihn nicht als notwendig empfunden. Wirklich wichtig war ja nur die Verbindung zwischen Tristan und Óli, alle anderen habe ich eher als Zufallsverbindungen empfunden. Ein bisschen wie in dem Film "Tatsächlich Liebe", falls du den kennst – es ist irgendwie nett und witzig, dass alles zusammenhängt, aber auch ohne das hätten die individuellen Geschichten wunderbar funktioniert.
 

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Tara kommentierte am 05. Oktober 2022 um 16:33

Das Buch war anders als vermutet, aber es hat mir eine Menge Stoff zum Nachdenken gegeben.

Schade, dass die Handlungsstränge erst so spät zusammenliefen, das hatte ich mir früher erhofft und zwischenzeitlich schon fast befürchtet, dass das nicht mehr passiert. Von daher war für mich das Ende rund, auch wenn natürlich vieles offen bleibt, aber das Leben geht eben weiter.

Interessant fand ich immer wieder die unterschiedlichen Perspektiven, durch die man einen guten Einblick in das Leben der einzelnen Charaktere, die unterschiedlichen Gesellschaftsschichten und deren Sicht auf die Markierung bekommt. Die Charaktere fand ich gut gewählt.

Die Markierung selbst, wie diese nun von statten geht, wurde nicht näher erläutert. Aber darum ging es ja auch gar nicht (interessiert hätte es mich aber trotzdem). Es ging vielmehr um Empathie, Ausgrenzung, psychische Gesundheit und gewünschte oder gesellschaftlich akzeptierte Eigenschaften.

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Estrelas kommentierte am 08. Oktober 2022 um 16:30

Schade, dass die Handlungsstränge erst so spät zusammenliefen, das hatte ich mir früher erhofft

Meine Rede!

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wandagreen kommentierte am 08. Oktober 2022 um 19:04

Stime zu! Ganz rund ist der Roman nicht - aber er verliert nie seine Spannung.

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Steve Kaminski kommentierte am 14. Oktober 2022 um 21:39

Stimmt, das sehe ich auch so. Ich fand ihn spannender als manchen Krimi.

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Sunjo kommentierte am 06. Oktober 2022 um 22:09

Ich bin jetzt auch durch mit dem Buch und eigentlich ganz zufrieden. Es ist gut,wenn es bei einem kontroversen Thema keine vorgegebene "richtige" Lösung gibt. Deswegen passt das relativ offene Ende ganz gut. Zumindest für Vetur und Tristan scheint es sich zum Positiven zu wenden (und der arme Daniel hatte Veturs Angst dann wohl scheinbar doch nicht verdient). Bei Eyja ist unklar, ob ihr Wunsch nach Therapie ehrlich oder schlicht der letzte Ausweg aus ihren misslungenen Manipulationsspielchen ist. Sie selbst meinte zwar, dass gerade ihre fehlende Empathie ihre Stärke und Grundlage für ihren beruflichen Erfolg war, aber ich persönlich halte es für einen gesellschaftlichen Gewinn, wenn unethische Geschäftemacher,die ihre Erfolge auf Kosten anderer durchsetzen, nicht mehr so ohne weiteres damit durchkommen.
Olafurs politischer Sieg ging am Ende zu Lasten seines Privatlebens - wobei das wohl sogar unabhängig vom Ausgang der Abstimmung so gekommen wäre. Andererseits ist nicht ausgeschlossen, dass auch dies sich im Laufe der Zeit wieder einrenkt.

Beim Dialog zwischen Tea und Laila geht es meiner Meinung nach, unabhängig vom konkreten Thema der Markierungspflicht, auch darum, dass wir in unserer Gesellschaft lernen müssen auch mal unterschiedliche Meinungen auszuhalten und dabei nicht all die Dinge zu vergessen, die uns verbinden.

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bibliothekszauber kommentierte am 07. Oktober 2022 um 11:06

Das Ende des Buches hat mich sehr überrascht. Ich hätte nicht gedacht, dass die Pflicht durchkommt, gerade nach negativen Vorhersagen kurz vorher. Das Ende kam ziemlich plötzlich und hat mir auch nicht wirklich gefallen. Ich verstehe den Sinn dahinter, es offen zu lassen, hätte mir aber trotzdem wenigstens gewünscht zu wissen, was mit Tristan passiert und ob er den Test wirklich besteht (ich vermute mal JA). 

Das Ende kann man auch weder als positiv noch negativ werten. Oli verliert seine Familie (negativ), Eyja macht Therapie (positiv würde ich sagen), Vetur zieht um (auch eher positiv) und Tristan macht den Test (wertfrei) und kommt hoffentlich von den Drogen los (positiv!!!). Die Einführung der Markierungspflicht ist jedoch alles andere als positiv, meiner Meinung nach. Ich vertrete da die selben Ansichten wie Solveig, denke ich. 

Ein interessantes Buch, das zum Nachdenken anregt. Ich habe gerne mitgelesen! Danke an den Verlag für das Exemplar, an Wasliestdu? für das Austragen der Leserunde und an alle anderen Leser für den Austausch.

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Lenna kommentierte am 09. Oktober 2022 um 11:08

So das Ende ist nun da - und was soll ich sagen? Ich kann damit nicht so richtig etwas anfangen. Klar die Wahl ist nun durch, der Test durchgesetzt und wir kennen als Leser*innen nun die Verbindungen zwischen den Figuren. Aber was ist das Ziel? Will das Buchende irgendwas mitteilen? Diese Offenheit hat mich ehrlich gesagt verwirrt.. 

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Emswashed kommentierte am 10. Oktober 2022 um 09:00

Die Wahl ist gewonnen, die Markierungspflicht wird eingeführt. Aller Widerstand war zwecklos, Solveig zweifelt sogar an ihrer Stimme.

Was man jetzt sieht, ist, dass manche ihre Konsequenzen daraus ziehen. Solveig will sich auf jeden Fall von ihrem Mann trennen, Tristan macht den Test und will auch mit seiner Mutter in einer markierten Wohnung leben.

Die Umbrüche werden also schnell vonstatten gehen.

Isberg beschreibt wenig die technischen Voraussetzungen für eine Markierung, was ich aber nicht schlimm fand, denn hier geht es ja hauptsächlich darum, was es mit den Menschen macht.

Den Briefwechsel zwischen Laila und Tea habe ich als wohltuenden Schritt zurück aus der Nahpersektive der handvoll Menschen, die hier hauptsächlich die Handlung bestimmten, gesehen. Zwar hat Island gerade mal soviel Einwohner wie eine deutsche Großstadt (366 000), aber deswegen müssen ja nicht gleich alle wichtigen Leute im selben Haus wohnen.... obwohl hier hat es ja mit Vetur und Breki wunderbar gepasst.

Das offene Ende bietet eine wunderbare Plattform für eine Fortsetzung, wenn die Gesellschaft erkennt, dass sie mit ihrem Empathietest vielleicht ganz andere Probleme heraufbeschwören. Schließlich hat Vetur ja schon völlig überzogen reagiert und konnte sich nicht vorstellen, dass Daniel den Test besteht. Stellt euch vor, ihr dürft euch total sicher fühlen und dann passiert doch was, da ist die Paranoia doch vorprogrammiert.

Habt ihr es eigentlich auch so verstanden, dass Eyja mit den aufgesammelten Scherben irgendwie Thorir zugearbeitet hat? Wie gesagt, ich hätte nichts gegen eine Fortsetzung. Auch die Äpfel hätten es verdient: An apple every day, keep the Empathietest positiv?! ;-)

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Sunjo kommentierte am 10. Oktober 2022 um 23:26

"Habt ihr es eigentlich auch so verstanden, dass Eyja mit den aufgesammelten Scherben irgendwie Thorir zugearbeitet hat?"

Wie meinst du das? Ich bin mir ziemlich sicher, dass Eyja die Scherben aufgesammelt hat und Thorir in die Ärmel geschoben hat, mit der Absicht anschließend ihn des Einbruchs bei ihr zu bezichtigen. Blöd nur, dass eine Kamera ihr Kommen und Gehen festgehalten hat. Oder glaubst du, sie wollte ihm einen letzten Beweis liefern, damit er sie mit gutem Grund entlassen kann?

 

Das mit den Äpfeln ist echt merkwürdig. Entweder ist da seitens der Autorin etwas begonnen und nicht zu Ende geführt worden, oder es wurde im Nachhinein ein Handlungsstrang oder eine Wendung mit dem Apfelthema entfernt, aber ein paar Teile davon im Buch "vergessen".

 

Ich persönlich würde mich über eine Fortsetzung ärgern. Ich hab nichts gegen Serien, wenn man im Vorfeld weiß, dass es eine ist. Aber ein vermeintlich in sich abgeschlossenes Buch zu lesen, und dann kommen davon Fortsetzungen, die eigentlich auch in das ursprüngliche Buch mit hinein gepasst hätten (war ja nun auch nicht gerade ein fetter Wälzer) bzw. deren Fehlen das erste Buch irgendwie unvollständig lässt, find ich dem Leser gegenüber respektlos.

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Emswashed kommentierte am 11. Oktober 2022 um 13:29

Deine "Apfelerklärung" klingt gut.

Ich dachte nicht an Thorirs Ärmel, aber jetzt bin ich verunsichert. Ich dachte die ganze Zeit daran, dass sie Thorir zuarbeitet und er sie letztendlich fallen ließ.

Vielleicht will ja eine Fortsetzung erst geschrieben werden, wenn man weiß, wie die Idee ankam. Manche offenen Enden inspirieren ja auch.

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wandagreen kommentierte am 11. Oktober 2022 um 16:29

Die Äpfel sind einfach eine Modeerscheinung.Ich sach ja immer noch, das Buch ist irgendwie auch unfertig.

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Emswashed kommentierte am 10. Oktober 2022 um 09:42

Und wo ist die Verbindung zum Titelbild?

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Fever kommentierte am 10. Oktober 2022 um 15:26

Das ist eine sehr gute Frage! Auf Anhieb konnte ich damit erst mal wenig anfangen und hätte auf Basis vom Cover sicher auch nicht nach dem Roman gegriffen. Irgendwie finde ich es auch geradezu konträr zum Inhalt, weil meine Assoziation ist, dass etwas/der Mensch versteckt/bedeckt wird, aber mit der Markierung wird ja, ganz im Gegenteil, mehr preisgegeben. Ich bin also etwas ratlos. Hat jemand anders Ideen dazu?

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Steve Kaminski kommentierte am 14. Oktober 2022 um 21:43

Und wo ist die Verbindung zum Titelbild?

 

Der Mensch - nur noch eine Hülle?

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Noelas_books kommentierte am 13. Oktober 2022 um 11:53

Was für ein Buch und was für eine Geschichte. Ich muss das jetzt erst mal ein wenig sacken lassen. Viele Punkte klären sich zu einer Art von Happy End auf. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass sich die verschiedenen Handlungsstränge ein wenig früher und nicht erst so spät geklärt hätten. In meiner Wahrnehmung wäre der Roman dann spannender gewesen. Meine Rezi schreibe ich noch heute

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Steve Kaminski kommentierte am 14. Oktober 2022 um 21:56

Noch*n Zitat, S. 250: Oli hofft auf ein Gesellschaftsbild, in dem Menschen wie Autos. Si müssen einmal im Jahr zur Inspektion, damit man sie wieder gefahrlos in den Verkehr lassen kann. Wenn etwas kapugeht, muss es repariert werden. So einfach ist das.

Isses halt eben nicht.

 

S. 270 Solveigs Kritik an Oli, u.a. seine Abneigung gegen das Brüchige im Menschen ... Die Markierungspflicht ist sein Weg, seine Abneigung anzugehn.

Die Abneigung gegen das Brüchige - das scheint mir das Problem von Test und Markierungspflicht sehr gut auf den Punkt zu bringen. Mit der allgemeinen Anpassung, die mit Test und Markierungspflicht verbunden ist, geht grundlegend Menschliches verloren.

 

S. 272 dann Olis Vision einer echten Wohlstandsgesellschaft, in der alle Hilfe bekommen (aber ob alle diese so wollen?), Gewalt wird im Keim erstickt. (Ob das der Weg ist? Wohl nicht)