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Das etwas andere Interview

Interview mit Fritz Reichel, äh, Dorothea Böhme

Das etwas andere Interview mit Charakter aus Romanen über deren Autoren

Fritz Reichel, Chefinspektor der Dorfpolizei Lendnitz in Kärnten, ermittelte schon im Kriminalroman Sauhaxn nur widerwillig. Auch seinen nächsten Fall, Meuchelbrut, der im Februar 2014 erscheinen wird, versucht er abzuwenden, so lange es geht. Doch die heiß ersehnte Pensionierung muss noch warten: Wieder treibt ein Mörder im beschaulichen Lendnitz sein Unwesen und angespornt von seinem enthusiastischen Assistenten wittert Reichel eine Verschwörung erster Güte.

 

Die Luft ist stickig in dem kleinen Raum. Die einsame Arbeitsleuchte auf dem glatten Tisch strahlt direkt in sein Gesicht.

 

1. Was können Sie uns zu Dorothea Böhme sagen - los, was müssen wir wissen?

Sie liebt es, mir meinen Feierabend zu vermiesen. Statt mich endlich in den wohlverdienten Ruhestand zu schicken, lässt sie mich einen Mörder nach dem nächsten jagen. Vermutlich meint sie, nur weil sie die große weite Welt liebt, brauche ich ebenfalls Abwechslung. Sie ist eine regelrechte Weltenbummlerin, war schon in Ecuador, Italien, Österreich natürlich und zuletzt Ungarn. Als ob Lendnitz nicht das schönste Fleckchen der Erde wäre. Wenn sie nicht gerade fremde Länder erobert, erkundet sie auf ihrem Fahrrad die nähere Umgebung – und ob in der freien Natur oder der Stadt, dauernd denkt sie sich Geschichten aus, wie sie mir noch mehr Arbeit verschaffen kann.

 

2. Aha, Sie beneiden Dorothea also um etwas? Oder schlimmer, es gibt etwas, was Sie gar nicht leiden können? Wir haben also ein Motiv?

Diese Unrast, nein, das kann ich gar nicht leiden. Beneiden tue ich sie um die Tatsache, dass sie dann allerdings gemütlich vor dem PC sitzt, während sie mich auf Verbrecherjagd schickt. Da hockt sie, trinkt Milchkaffee und stürzt mich in wilde Mordserien. Und während ich noch mit der Aufklärung des Falles beschäftigt bin, hat sie schon das nächste Hobby am Wickel. Ich komme ja vor lauter Leichen gar nicht dazu, mich um meinen Gemüsegarten zu kümmern.

 

3. Das hört sich so an, als würde Dorothea nicht ununterbrochen schreiben - was macht sie denn in dieser Zeit?

Musik liebt sie sehr, sie lernt neuerdings Klarinette spiele. Tanzen tut sie auch manchmal, das kann sie einigermaßen, nur wenn sie singt, da sollte man sich besser die Ohren zuhalten. Eine zweite Céline Dion wird sie nicht.

Und dann liest sie natürlich gern, eine typische Autor_innen-Gewohnheit. Mir reichen die Berichte meines Assistenten, die ich ständig lesen muss. Aber Dorothea, die kann ein Buch nach dem anderen verschlingen, besonders auf ihren vielen Reisen mit Bussen und Bahnen, die bei uns glücklicherweise nicht so überfüllt sind, dass sie als Trittbrettfahrerin beide Hände zum Festhalten bräuchte. Manchmal habe ich sie ja in Verdacht, dass sie sich daher Inspirationen für weitere Arbeit für mich sucht.

 

4. Ein Trittbrettfahrer? Welchem Vorbild eifert sie nach? Ist das nur schriftstellerisch so, oder auch im »normalen« Leben?

Nein, ein Trittbrettfahrer ist sie nicht. Leider. Vermutlich wäre es sonst einfacher für mich, dann könnte ich in anderen Krimis lesen, auf welche Abenteuer sie mich wieder schicken will, und mich vorbereiten.

 

5. Gibt es Rituale, die Dorothea beim Schreiben anwendet? Hängt sie bestimmter ritualistischer Musik an, oder gibt es irgendwelche berauschende Nahrungsmittel, die stets griffbereit liegen müssen?

Ein Schreibritual hat sie, ja. Erst einmal öffnet sie ihr Dokument, um es dann die nächste halbe Stunde zu ignorieren und im Internet zu surfen.

Aber wichtiger ist das, was davor stattfindet: Beim Spazierengehen oder Fahrradfahren kann sie besonders gut nachdenken und in Gedanken schon eine Geschichte entwickeln.

 

6. Wie kam Dorothea auf Ihre Spur?

Da habe ich mich vermutlich unvorsichtig verhalten. Sie hatte einen Protagonisten im Kopf, den jungen Johann Mühlbauer, der über eine Leiche nach der anderen stolpert, und suchte nach einem Polizisten, der in dem Fall ermittelt. Mein enthusiastischer Assistent Huber zerrte mich dann ins Rampenlicht. Ein Bild im Kopf und schon war das Unheil geschehen: Wie im Film liefen Szenen vor ihrem inneren Auge ab und für mich gab es keine Pensionierung mehr, sondern nur noch Serienmorde.

 

7. Wissen Sie, ob sie sich Ihre Opfer immer auf diese Weise aussucht, entstehen ihre Geschichten immer so?

Ja, es beginnt bei ihr immer mit Bildern. Ich vermute, vornehmlich von Leichen. Sie hat ein Bild einer Szene vor Augen und baut den Rest der Geschichte dann darum herum. Wobei sie meist mit dem Schluss anfängt und sich danach erst den Mittelteil ausdenkt.

 

8. Einmal ganz frech gefragt: Wieso führe ich das Verhör mit Ihnen, was macht Sie so besonders für Dorothea Böhme?

Nun ja, wenn ich da einmal ganz unbescheiden sein darf, ich bin nicht umsonst für besondere Verdienste noch kurz vor der Pensionierung befördert worden. Das geht nicht so einfach, das war schon eine Ausnahme. Da können Sie sehen, bei all meiner Griesgrämigkeit bin ich eben doch ein hervorragender Polizist. Das weiß Dorothea natürlich.

 

9. Schauen wir uns doch einmal die Beweise an: Was wird sie wohl als Nächstes tun? Woran arbeitet sie wohl gerade? Heckt sie einen Plan zur Ergreifung der Weltherrschaft aus? Wann werden wir neue Hinweise erhalten?

Zunächst kümmert sie sich weiterhin um mich. Im Februar bin ich ja wieder stark eingespannt, da muss ich im Fall „Meuchelbrut" mehrere Todesfälle innerhalb einer Großfamilie untersuchen.

Und dann sind mir neuerdings Gerüchte zu Ohren gekommen, dass sie sich auch in anderen Genres versucht. Aber darüber weiß ich noch nichts Genaues.

 

Knipst die Lampe aus und lehnt sich zurück ...

 

10. Ein herzliches Dankeschön an Fritz Reichel für die Beantwortung der Fragen. Für die letzte Frage möchte ich der Autorin selbst eine Gelegenheit geben, noch etwas loszuwerden, bzw. vielleicht auch etwas richtigzustellen, was von Fritz Reichel gesagt wurde.

Der Chefinspektor ist in Wirklichkeit gar nicht so missmutig, wie er gerade tut. Insgeheim gefällt es ihm, gebraucht zu werden – und das heißt, nicht nur sein Assistent Huber braucht ihn, ich brauche ihn auch.

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