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Von Frau zu Frau...

Böse kann kann ganz schön gut sein.

In der populären Fantasyliteratur begegnet man immer wieder einem scheinbaren Widerspruch: Frauen begehren dämonische Fürsten, verfluchte Krieger, gefährliche Rocker—aber verabscheuen das „normale“ Verbrechen. Diese Affinität zum stilisierten Bösen ist kein Zufall, sondern Ausdruck einer tiefen psychologischen und narrativen Dynamik. Sie erlaubt es, unbewusste Partnerwahlstrategien zu legitimieren, ohne moralisch kompromittiert zu erscheinen. Das Böse wird zur Bühne für kalkulierte Beziehungsarchitekturen, zur Projektionsfläche innerer Ambivalenz und zur Ressource epistemischer Selbstermächtigung.
Laut evolutionspsychologischen Modellen kalkulieren Frauen bei der Partnerwahl unbewusst Faktoren wie Status, Ressourcenverfügbarkeit, genetische Robustheit und Bindungsfähigkeit. Diese Kalkulation ist nicht romantisch, sondern funktional—sie dient der Maximierung von Sicherheit und Reproduktionswert. Dämonen, Vampirfürsten und Rockerfiguren verkörpern narrative Übersteigerungen dieser Merkmale: körperliche Dominanz, soziale Autonomie, emotionale Intensität. Sie sind keine realen Männer, sondern symbolische Verdichtungen evolutionärer Attraktivitätsmerkmale. Die literarische Affinität zu solchen Figuren kann als symbolische Simulation dieser Kalkulation gelesen werden: ein narratives Durchspielen von Machtbeziehungen, ohne reale Konsequenz.
Das Böse wird nicht als moralische Kategorie gelesen, sondern als strukturelle Komplexität. Die Beziehung zur dämonischen Figur erlaubt es, emotionale Tiefe, Bindungsdynamik und Transformation zu inszenieren—während „normale“ Kriminalität flach, banal und beziehungslos bleibt. Indem das Böse emotionalisiert, geliebt, transformiert wird, entsteht eine innere Legitimation: Die Frau liebt nicht den Dämon, sondern das, was er symbolisiert. Die narrative Struktur erlaubt es, diese Wahl als schicksalhaft, transformativ oder rettend zu inszenieren—nicht als strategisch.

Die Beziehung zum Bösen erlaubt es, eigene Ambivalenzen zu verhandeln: zwischen Kontrolle und Hingabe, zwischen Begehren und Angst. Die Frau wird zur Agentin ihrer eigenen Zerrissenheit—nicht zur passiven Geliebten. Literatur bietet einen sicheren Raum, um Machtverhältnisse, Grenzüberschreitungen und emotionale Intensität zu simulieren. Das Böse wird zur Bühne epistemischer Selbstvermessung: Die Frau testet ihre Grenzen, ohne sie real zu überschreiten. Die literarische Affinität zum Bösen bietet eine innere Legitimation für kalkulierte Partnerwahl: Sie erlaubt es, evolutionspsychologische Strategien zu romantisieren, ohne moralisch kompromittiert zu erscheinen.
Der „normale“ Mann ist oft brav, angepasst, berechenbar—aber narrativ uninteressant. Das Böse erlaubt es, patriarchale Ordnung zu unterlaufen und alternative Machtverhältnisse zu modellieren. In Leserinnen-Communities wird das Böse gemeinsam verhandelt, transformiert und legitimiert. Die literarische Affinität wird so zur sozialen Praxis—nicht zur individuellen Abweichung. Sie ist keine naive Romantisierung, sondern eine komplexe Strategie: Sie bietet narrative Tiefe, psychologische Resonanz und gesellschaftliche Kritik. Das Böse wird zur Bühne weiblicher Selbstermächtigung—nicht zur Kulisse männlicher Dominanz.