Buch

Die heimlichen Spielregeln der Karriere - Marc Opresnik, Jürgen Lürssen

Die heimlichen Spielregeln der Karriere

von Marc Opresnik Jürgen Lürssen

Einleitung

Es gibt viele Bücher, die Ihnen die Geheimnisse der Karriere verraten wollen. Aber nur selten behandeln sie Begriffe wie Politik, Macht und - eng damit zusammenhängend - Einfluss, noch seltener wird deren kaum zu überschätzende Bedeutung für den beruflichen Aufstieg dargestellt. Zugegeben: Es sind diffuse und schillernde Begriffe. Es ist nicht leicht, die damit verbundenen Phänomene klar und eindeutig zu formulieren. Eben dies ist das Ziel des vorliegenden Ratgebers. Sie, der oder die Sie am Anfang Ihrer Karriere stehen, werden erfahren, wie unentbehrlich Einfluss, Macht und Politik im Büro für Ihr weiteres Fortkommen sind, unabhängig von der Art der Organisation. Ob Sie in der freien Wirtschaft oder bei einer Behörde arbeiten, ob Sie einem Verband angehären oder in ganz anderen Bereichen tätig sind: Ohne Politik, ohne Gespür dafür, wie Sie Macht und Einfluss erwerben, einsetzen und verteidigen, erreichen Sie Ihre Ziele nicht. Sie müssen einfach wissen,

- was Politik am Arbeitsplatz bedeutet und auf welchen Gesetzmäßigkeiten sie beruht, - dass Sie innerbetriebliche Macht brauchen, um erfolgreich zu sein, - worauf die Macht von Personen in Organisationen beruht, - auf welche Art und Weise Macht im Büro ausgeübt wird.

Kurzum: Sie müssen lernen, in politischen Kategorien zu denken und die politische Situation in Ihrer Organisation zu verstehen. Dadurch werden Sie Sensibilität für Machtverhältnisse in Organisationen entwickeln. Dieser Ratgeber wird Sie dabei unterstützen. Das ist aber nicht alles. Dieses Buch ähnelt einem Reiseführer durch die Höhen und Tiefen des Berufsalltags. Alle Sehenswürdigkeiten werden erklärt, natürlich, aber Sie erfahren auch, wie Sie hinkommen. Und zwar ganz konkret. Hier lesen Sie also beispielsweise nicht nur, dass Sie gute Beziehungen zu anderen Personen in Ihrer Organisation brauchen, um Macht und Einfluss zu gewinnen, sondern Sie erfahren auch ganz konkret, wie man gute Beziehungen zu anderen aufbaut und aufrecht erhält - präzise und leicht nachvollziehbar geschrieben. Das Ziel dieses Ratgebers ist also ein doppeltes: Sie sollen das Rüstzeug erhalten, mit dem Sie Ihre Lage in Ihrem Unternehmen hinsichtlich Ihrer Ziele und der spezifischen Widerstände, gegen die Sie angehen müssen, theoretisch durchdringen und praktisch verbessern. Und Sie sollen sich selbst vorher wie nachher noch in die Augen schauen können. Eines ist klar: Wenn innerbetriebliche Konflikte ausgetragen werden, dann wird oft mit harten Bandagen gekämpft und nicht immer mit ethisch vertretbaren Mitteln. Dazu will Sie dieses Buch keineswegs ermuntern, im Gegenteil. Es informiert Sie über unsaubere Methoden, aber nur, um Ihnen Abwehrstrategien an die Hand zu geben. Die Neuauflage dieses Buches wendet sich wie die vorherige Ausgabe an Menschen, die ihre Ausbildung hinter und den Aufstieg vor sich haben. Dazu gehören Hochschulabsolventen jeder Fachrichtung in den ersten Jahren "danach" - nach dem Studium. Mit einer fachlich anspruchsvollen Stelle, aber büropolitisch gesehen grün hinter den Ohren. Dazu gehören aber auch Angestellte, deren Schwung und Engagement irgendwie zerronnen sind, versickert in der Tretmühle des Berufsalltags, deren Ehrgeiz wohl vorhanden, aber nie recht zum Zug gekommen ist: Wenn Sie sich je halb verwundert, halb verbittert gefragt haben, wieso immer nur die anderen befördert werden, dann sollten Sie jetzt unbedingt weiterlesen. In den ersten zwei Kapiteln werden die Zusammenhänge zwischen Macht, Büropolitik und Ihrer eigenen Karriere aufgezeigt. In den Kapiteln 3 bis 6 erfahren Sie, wie Sie Macht und Einfluss in Ihrer Organisation gewinnen. Es geht um die Entwicklung guter Beziehungen zu Vorgesetzten und Gleichgestellten, den richtigen Umgang mit vertraulichen Informationen sowie um Verhaltensweisen zur Gewinnung der Aufmerksamkeit des Topmanagements. Wie Sie Ihre einmal erreichte Machtposition erhalten und verteidigen, wird in den Kapiteln 7 und 8 beschrieben. Dort geht es um die Vermeidung politischer Fehler und die Abwehr von Intrigen. Die Kapitel 9 und 10 enthalten die Grundlagen für zwei der wichtigsten Kompetenzen für den beruflichen Erfolg: Führungskompetenz und Karriereplanung. Im Rahmen des neu hinzugekommenen Kapitels 11 erhalten Sie wichtige Tipps für Gehaltsverhandlungen und wenn es um Ihre Beförderung geht. Kapitel 12, welches für diese Auflage ebenfalls neu hinzugefügt worden ist, enthält Verhaltensempfehlungen bei Übernahmen und Fusionen Bevor es losgeht, noch zwei allgemeine Bemerkungen: Die deutsche Sprache unterscheidet zwischen "ihm" und "ihr". Wenn im Folgenden dennoch ausschließlich von "ihm" die Rede ist, ist "sie" immer mitgemeint. Es sind selbstredend stets beide Geschlechter angesprochen, im Interesse einer besseren Lesbarkeit wurde aber auf die Anwendung beider Schreibweisen verzichtet. Die Ratschläge, die dieses Buch Ihnen nahebringt, sind aus der Perspektive eines großen Unternehmens beschrieben. Die Verhältnisse dort sind jedoch cum grano salis auf jede hierarchisch strukturierte Organisation übertragbar, in der viele Menschen an gemeinsamen Aufgaben und Zielvorgaben arbeiten. Überall, wo es Hierarchien gibt und wo Menschen zusammenarbeiten müssen, spielt Macht eine zentrale Rolle für den Erfolg des Einzelnen. Und überall dort wird im Büro auch Politik betrieben.

1. Warum die heimlichen Spielregeln so wichtig für Ihre Karriere sind

Erfolg im Management heißt Ziele durchsetzen

Herr Heinze, 28 Jahre alt, hat Sorgen. Mit seiner Karriere gibt es Probleme, noch bevor sie angefangen hat. Seit fast drei Jahren ist er Assistent im Marketingbereich eines Industriekonzerns, seine erste Stelle nach dem Studium. Eigentlich sollte er längst befördert worden sein so wie andere Nachwuchsmanager in seiner Umgebung. Dabei fing alles so gut an. Er hatte seinen BWL-Master nach zehn Semestern mit einem Einser-Examen geschafft. Anschließend konnte er zwischen drei guten Angeboten wählen und entschied sich für seine jetzige Firma, nicht zuletzt wegen ihrer Größe und ihres guten Rufes in der Branche. Mit Elan und Spaß begann er seinen Job, zumal er überzeugt war, gute Arbeit zu leisten. Nach einer kurzen Einarbeitungszeit ließ ihn sein Chef kleinere Projekte selbstständig durchführen. Herr Heinze geht gern systematisch vor. Er beginnt stets mit einer umfangreichen Analyse der Ist-Situation. Das liegt ihm besonders. Seine Ausarbeitungen wurden denn auch von seinem Chef mehrfach ausdrücklich gelobt. Im nächsten Schritt entwirft er ein Konzept einschließlich der Aufgabenverteilung an die verschiedenen Fachabteilungen. Im Rückblick zeigt sich jedoch, dass seinen Projekten wenig Erfolg beschieden war. Das erste verlief nach kurzer Zeit im Sand, beim zweiten ist der Zeitplan schon jetzt weit überschritten und kein Ende absehbar, das dritte wurde in einer wichtigen Sitzung von dem Entscheidungsgremium bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt, ein viertes musste er komplett überarbeiten. Immer gab es die gleichen Probleme. Entweder ließ man ihn auflaufen, das heißt, die anderen Abteilungen blockierten seine Vorschläge mit Argumenten wie "funktioniert nicht in der Praxis" oder "tolle Analyse, aber leider undurchführbar". Oder sie lehnten die Mitarbeit ab, weil sie angeblich mit anderen Dingen überlastet waren. Oder sie verschleppten die Erledigung ihrer Aufgaben und hielten sich nicht an die vom ihm gesetzten Fristen. Wenn er nachfasste, wurde er hingehalten und vertröstet. Besonders fürchtet er die Besprechungen, in denen die Bereichsleiter zusammensitzen und über alle Projekte beraten. Mehr als einmal wurden seine Vorschläge von den Managern anderer Abteilungen regelrecht zerpflückt. Auch sein Chef und dessen Chef sind ihm bei solchen Gelegenheiten schon in den Rücken gefallen, und er musste ganz von vorn anfangen. Trotzdem hat Herr Heinze den Eindruck, dass sein Chef grundsätzlich hinter ihm steht. Allerdings scheint dieser sich oft weniger für den Erfolg seiner Projekte zu interessieren als für die seiner Abteilungskollegen. Das Verhältnis zu seinem direkten Vorgesetzten bezeichnet Herr Heinze als "freundlich, neutral, distanziert". Er sieht ihn nicht sehr häufig, da dieser nur gelegentlich in sein Büro kommt oder ihn zu sich bittet. Den Chef seines Chefs sieht er noch seltener. Inzwischen ist Herr Heinze ziemlich frustriert. Er merkt, dass seine Projekte gescheitert sind. Aber die Schuld daran gibt er den anderen. Denn von seinen Analysen und der Logik seiner Schlussfolgerungen ist er überzeugt; Einwände hält er selten für gerechtfertigt. Die meisten Kollegen seien borniert und nur am Status quo interessiert, meint er. Und wenn einmal eine Fachabteilung seinen Auftrag erledigt, warum dauert das immer so lange? Warum arbeiten die anderen eigentlich nicht, wie sie arbeiten sollten? Herr Heinze hat keine Vorstellung, was er tun könnte, um seine Karriere voranzutreiben. Deswegen überlegt er zu kündigen. Offensichtlich würdigen die Vorgesetzten seine Leistungen nicht, sonst hätten sie ihn ja schon befördert. Was kann er dafür, dass die Zusammenarbeit mit den anderen nicht funktioniert? In diversen Abteilungen sitzen halt die falschen Leute, denkt er, aber das sei ja wohl nicht sein Problem. Herr Heinze ist kein Einzelfall. Der Erfolg bleibt aus, weil er falsche Vorstellungen von der Funktionsweise einer großen Organisation hat. Er begreift nicht, dass Unternehmen keine Maschinen und Angestellte keine Rädchen sind, sondern Ansammlungen von Menschen, in denen in erster Linie die Gesetzmäßigkeiten zwischenmenschlicher Beziehungen gelten. Er versteht nichts von Macht oder den Regeln der innerbetrieblichen Politik. Kurz gesagt: Herr Heinze versteht die ungeschriebenen Gesetze am Arbeitsplatz nicht. Mitglieder von Organisationen verfolgen in ihrer Arbeit sachliche Ziele, die mit den Zielen der Organisation zu tun haben, und persönliche Ziele, die sich aus ihren eigenen Interessen ergeben. Viele haben zum Beispiel das persönliche Ziel, befördert zu werden beziehungsweise Karriere zu machen, also mehrfach befördert zu werden. Um in einer Organisation aufzusteigen, müssen Sie auf jeder hierarchischen Ebene erfolgreich arbeiten, das heißt, Ihre sachlichen Ziele erreichen. Diese haben Sie sich entweder selbst gesteckt oder sie wurden Ihnen von Vorgesetzten vorgegeben. Wenn Sie Ihrem Chef zum Beispiel eine Umstrukturierung der Arbeitsabläufe in Ihrer Abteilung vorschlagen, dann ist die Durchführung dieser Umstrukturierung ein Ziel, dass Sie sich selbst gesetzt haben. Wenn andererseits der Chef Ihnen einen Auftrag gibt, wird die Durchführung dieses Auftrages zu Ihrem sachlichen Ziel - egal ob es sich um eine Nebensache oder ein größeres Projekt handelt. Wer seine sachlichen Ziele erreicht, gilt im Management als "Macher", als einer, der dafür sorgt, dass Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden. Die Qualität eines Managers wird fast immer danach beurteilt, ob jemand in der Lage ist, etwas trotz der allgegenwärtigen mächtigen Kräfte der Beharrung zu bewegen. Das geht manchmal so weit, dass selbst bei objektiven Misserfolgen in der Sache die Durchsetzungsfähigkeit höher bewertet wird und der Manager unterm Strich an Ansehen gewinnt. Wer in einer Organisation Entscheidungen herbeiführen und Dinge durchsetzen will, ist in hohem Maße auf andere Menschen angewiesen. Genauer gesagt: Ohne die Mitwirkung anderer kann keine Führungskraft Ziele erreichen. Das unterscheidet ihre Tätigkeit von der eines Postboten oder eines Fließbandarbeiters, die ihre Aufgaben weitgehend allein erfüllen können. Manager müssen mit drei Personengruppen zusammenarbeiten, und zwar mit

- Vorgesetzten, also dem Chef sowie allen hierarchisch über diesem stehenden Personen (die im Weiteren Topmanagement genannt werden), - gleichgestellten Personen in der eigenen oder in anderen Abteilungen, soweit es sich aus der jeweiligen Aufgabe ergibt (als gleichgestellt gelten hier alle Personen im Unternehmen, die - unabhängig von ihrem Rang - weder Vorgesetzte noch Mitarbeiter sind), und - Mitarbeitern, falls die ersten Karriereschritte bereits gelungen sind. Unter Mitarbeitern versteht man heute das, was man früher "Untergebene" nannte.

Mitwirkung von anderen heißt konkret: Als (angehender) Manager müssen Sie erstens Ihren Chef - bei wichtigen Fragen auch das Topmanagement - dazu bewegen, Sie zu unterstützen und in Ihrem Sinne zu entscheiden, das heißt, Ihre Vorschläge zu akzeptieren oder zumindest nicht abzulehnen. Zweitens müssen Sie Gleichgestellte und drittens Ihre eigenen Mitarbeiter dazu bringen, Entscheidungen umzusetzen, also die damit verbundenen Arbeiten durchzuführen. Je größer ein Unternehmen ist, desto mehr Arbeitsteilung weist es in der Regel auf und desto mehr Spezialisten gibt es für die verschiedenen Aufgaben. In einer hochgradig ausdifferenzierten Organisation müssen Sie deshalb zur Durchsetzung Ihrer sachlichen Ziele mit sehr vielen Personen zusammenarbeiten, und zwar gleichgültig, welchen Rang Sie selbst in der Hierarchie bekleiden. Die Vielzahl der Arbeitsbeziehungen bedingt für Sie ein hohes Maß an Abhängigkeit von anderen bei der Erreichung Ihrer eigenen Ziele.

Büropolitik: Macht und Machtkämpfe

Wenn Sie wollen, dass andere in Ihrem Sinne tätig werden, benötigen Sie zur Durchsetzung Ihres Willens Macht. Was ist Macht? Der große Soziologe Max Weber hat den Begriff bereits in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts folgendermaßen definiert: "Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht." Die Bedeutung des Wortes Macht ist also sehr weit auszulegen: Jedes Mal, wenn Sie das Verhalten eines anderen nach Ihrer Absicht beeinflussen, wenn der andere also dem folgt, was Sie sagen, dann üben Sie Macht aus. Verhalten bedeutet im betrieblichen Zusammenhang: konkretes Handeln, aber auch Zustimmung oder Ablehnung. Macht ist also einerseits etwas, was Sie haben müssen. Sie beruht im betrieblichen Alltag auf einer Vielzahl von Grundlagen, die später näher erläutert werden. Im Regelfall reicht aber der Besitz allein nicht aus. Um andere zu etwas zu bewegen, müssen Sie Ihre Macht auch ausüben, das heißt im konkreten Einzelfall einsetzen. Hierfür gibt es eine Vielzahl von Methoden, beispielsweise ein Verhalten belohnen, Bestrafung für ein Verhalten androhen, den anderen mit rationalen Argumenten überzeugen oder sich einschmeicheln, um ihn zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen. Machtausübung ist also nicht grundsätzlich mit Zwang gleichzusetzen, obwohl diese Assoziation naheliegt. Sie kann durch Zwang erfolgen, aber eben auch durch "sanftere" Methoden. Wie auch immer Macht eingesetzt wird: Es kommt nur auf das Ergebnis der Machtausübung an, nämlich dass der andere etwas tut (oder unterlässt), von dem Sie wollen, dass er es tut (oder unterlässt). So verstanden sind Macht und Einfluss Synonyme, bedeutet Machtausübung das Gleiche wie Einflussnahme. Denn wenn jemand auf eine Sache oder eine Person Einfluss nimmt, dann heißt das, dass er andere dazu bringt, nach seinen Vorstellungen zu handeln. Nichts anderes ist mit dem Begriff Machtausübung gemeint. Die oben erwähnte Abhängigkeit von anderen führt stets zur gleichen Ausgangssituation: Sie streben ein bestimmtes persönliches oder sachliches Ziel an und benätigen dafür die Unterstützung eines anderen. Wenn Sie Ihren Wunsch mitteilen, können sich zwei Situationen ergeben. Im ersten und einfachen, jedoch eher seltenen Fall verfolgt der andere dasselbe Ziel. Dann wird er Ihnen normalerweise ohne weiteres folgen. Der zweite Fall ist der schwierigere, aber leider auch der weitaus häufigere: Der andere hat andere Interessen und Ziele, die nicht mit den Ihren vereinbar sind. Er hat somit auch keinen Grund, Ihnen folgen zu wollen. In diesem Fall kommt es zum Konflikt. Er stemmt sich gegen Ihren Versuch, sein Verhalten zu beeinflussen, gleichgültig, ob er es Ihnen offen sagt oder verheimlicht. In seinem Widerstreben nutzt auch er seinen Einfluss, um zu verhindern, dass Sie sich ihm gegenüber durchsetzen. Zwei Beispiele für gegensätzliche sachliche Ziele mögen dies verdeutlichen:

- Im Rahmen der Einführung eines neuen Produkts drängen Sie als Marketingmanager auf einen frühzeitigen Start, denn Sie haben erfahren, dass der Hauptwettbewerber Ihrer Firma ein ähnliches Produkt entwickelt, und wollen als Erster auf dem Markt sein. Der Produktionsleiter hingegen mächte zuerst eine umfangreiche Testserie fertigen, um Probleme bei der Herstellung rechtzeitig zu erkennen. - Sie sind Controller in der Unternehmenszentrale. Am Monatsanfang müssen Sie dem Vorstand einen Bericht über die Ergebnissituation des Gesamtkonzerns vorlegen, und dazu benätigen Sie die Monatsberichte aller Tochtergesellschaften. Sie bitten deren Controller, Ihnen jeweils am ersten Werktag des neuen Monats ihre Berichte zu schicken. Ein betroffener Controller opponiert dagegen mit der Begründung, er sei am Monatsanfang mit anderen Aufgaben derart beschäftigt, dass er den Bericht erst am dritten Werktag abliefern könne.

Auch Ihre persönlichen Ziele können denen anderer entgegengesetzt sein, wie folgende Beispiele zeigen:

- Als Chef einer Abteilung wollen Sie Ihren Vorgesetzten mit der besonders zügigen Erledigung einer Aufgabe beeindrucken und ordnen deswegen Überstunden an. Ein Mitarbeiter verfolgt hingegen das Ziel der Freizeitoptimierung und mächte pünktlich Feierabend machen. - Ihr Abteilungsleiter verlässt das Unternehmen. Sie und mehrere Ihrer Kollegen mächten sein Nachfolger werden.

In der betrieblichen Realität lassen sich sachliche und persönliche Ziele in der Regel nur schwer voneinander trennen. Beispiel: Ein Projektkoordinator will sein Projekt innerhalb der geplanten Frist abschließen. Das ist sein sachliches Ziel, das ihm von seinem Chef vorgegeben wurde. Gleichzeitig würde die rechtzeitige Beendigung ihm persönlich nützen, indem sie seinem Vorgesetzten seine Fähigkeiten vor Augen führt und so seine Aufstiegschancen mehrt. Sie ist deshalb auch sein persönliches Ziel. Ein Konflikt kann grundsätzlich auf zwei Arten beigelegt werden: durch einen Kompromiss oder durch einen Machtkampf, an dessen Ende sich einer durchsetzt. Ein Machtkampf wird letztendlich einzig und allein danach entschieden, welcher Kontrahent über mehr Einfluss verfügt. Aber auch bei der konkreten Ausgestaltung eines Kompromisses spielt das Machtverhältnis zwischen den Konfliktparteien (neben ihrem jeweiligen Verhandlungsgeschick) eine große Rolle. Denn wer über mehr Einfluss verfügt, dessen Gewicht wird auch im Kompromiss spürbar. Ob der Konflikt nun durch Machtkampf oder Kompromiss geläst wird: Sie brauchen Macht, um Ihre eigenen Ziele gegen Ziele anderer durchzusetzen, um also andere trotz unterschiedlicher Ziele und Interessen zur Mitwirkung an der Erreichung Ihrer Ziele zu bewegen. In diesem Sinn kann man jede Auseinandersetzung in der Organisation - ob klein oder groß, ob zwischen zwei oder mehreren Personen - als Machtkampf ansehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es vordergründig um sachliche Themen geht, was ja fast immer der Fall ist. Wer eine Sache beziehungsweise Entscheidung gegen Widerstände durchdrückt, setzt sich immer auch als Person durch. Allgemein ausgedrückt: Entscheidungsprozesse in Organisationen, bei denen um die Sache gestritten wird, spiegeln Machtkämpfe zwischen den Beteiligten wider. Abbildung 1 zeigt diese Zusammenhänge im Überblick. Machtkämpfe sind ein wichtiges Charakteristikum von Politik im Büro. Büropolitik kann man definieren als Erwerb und Einsatz von Macht, um eigene persönliche und sachliche Ziele innerhalb der Organisation durchzusetzen, sowie alle Verhaltensweisen, die den bereits errungenen Einfluss sichern sollen.

Eigenschaften der Macht Innerhalb von Organisationen ist Macht nichts Absolutes, sondern immer etwas Relatives. Niemand, auch nicht der Vorstandsvorsitzende, ist allmächtig, jedes Mitglied der Organisation hat im Verhältnis zu anderen Mitgliedern mehr oder weniger Einfluss. Anders gesagt: Jeder verfügt über ein bestimmtes Maß an Einfluss - der eine mehr, der andere weniger. Die Macht eines Organisationsmitglieds speist sich aus einer Reihe ganz unterschiedlicher Quellen. Hierzu gehärt natürlich der Rang in der Hierarchie. Die richtige Einschätzung des Machtumfangs einer Person ist jedoch schwierig, weil es neben den offensichtlichen Quellen weniger sichtbare Grundlagen gibt. Sie gewinnen beispielsweise auch Einfluss durch

- gute Beziehungen zu Vorgesetzten und Gleichgestellten, - sichtbare Erfolge, die Sie in der Vergangenheit erreicht haben (zum Beispiel: ein Projekt gut koordiniert, einen Großkunden akquiriert, eine Firma saniert), und - Expertenwissen, das auf einer besonderen fachlichen Qualifikation beruht (beispielsweise ein Hochschulabschluss in Verfahrenstechnik oder besonders fundierte Kenntnisse der Umweltschutzgesetzgebung).

Die verschiedenen Einflussquellen innerhalb von Organisationen werden im nächsten Kapitel ausführlich dargestellt. Die Macht, die auf diesen einzelnen Grundlagen beruht, erhält man nicht automatisch im Zeitablauf, sondern sie entsteht durch den Einsatz unterschiedlicher einflusssteigernder Methoden beziehungsweise Verhaltensweisen. Die Machtfülle einer Person setzt sich dann jeweils zusammen aus den Machtanteilen, die auf den verschiedenen Grundlagen basieren. Einfluss wächst also graduell. Macht lässt sich ansammeln und für einen späteren Gebrauch "aufspeichern". Der Vorgang ist mit einem Sparkonto vergleichbar: Durch erfolgreiche Maßnahmen werden kleinere oder gräßere "Machtbeträge" auf das "Machtkonto" eingezahlt. Der im Zeitablauf angesammelte Einfluss kann dann in Entscheidungskämpfen eingesetzt werden. Wer neu in ein Unternehmen eintritt, verfügt anfangs nur über den mit seinem Rang und seinem Fachwissen verbundenen Einfluss und muss sich Zug um Zug eine Machtbasis aufbauen. Auch der Verlust von Macht vollzieht sich in Einzelschritten, es sei denn, jemand scheidet aus der Organisation aus: Dann verliert er im Regelfall auf einen Schlag jedweden Einfluss. Macht führt zu neuer Macht: die Machtspirale. Wie bereits erwähnt, brauchen Sie Einfluss zur Durchsetzung Ihrer sachlichen Ziele. Gleichzeitig bringt aber das erfolgreiche Durchsetzen eines eigenen Ziels einen Machtzuwachs durch den damit verbundenen Zuwachs an Ansehen und Reputation. Man kann diesen Zusammenhang auch so ausdrücken: Die Ausübung von Macht, das heißt ein erfolgreich bestandener Machtkampf, führt zum Machtgewinn. Die Umkehrung gilt aber genauso. Wenn Sie sich nicht durchsetzen können, verlieren Sie dadurch an Einfluss. Die gleichen Folgen treten ein, wenn Sie Ihre Macht nicht einsetzen, obwohl dies notwendig wäre, um Ihre eigenen Ziele zu erreichen. Der Begriff "Machtkampf" ist uns aus dem Wortschatz der äffentlichen Politik geläufig und suggeriert, dass zwei Parteien oder Personen gegeneinander antreten und am Ende als Sieger und Verlierer dastehen. Solche Situationen kann es natürlich auch in der Büropolitik geben, etwa wenn nach dem Ausscheiden eines Vorstandsvorsitzenden der Kampf um seine Nachfolge entbrennt, in dessen Verlauf einer der Kontrahenten gewinnt und der andere das Unternehmen verlassen muss. Viel häufiger ist hingegen die bereits erwähnte Konstellation, in der die eine Seite als Resultat des Machtkampfes im Verhältnis zur anderen ihren Einfluss vermehrt, während die andere einen Teil ihrer Macht verliert. Ein Machtkampf muss nicht unbedingt mit einer Konfrontation verbunden sein: Es wurde bereits angedeutet, was unter dem Begriff Machtkampf verstanden werden sollte, nämlich jeder Gegensatz von Zielen beziehungsweise Interessen, bei dem eine oder beide Seiten Macht einsetzen, um die Auseinandersetzung für sich zu entscheiden. Wenn Sie beispielsweise wollen, dass ein anderer sich in einer bestimmten Weise verhält, Sie ihm dafür eine Belohnung versprechen und er darauf eingeht, dann haben Sie diesen Machtkampf gewonnen - und zwar ohne dass es zu einer Konfrontation gekommen wäre. Entscheidend ist, dass Sie die möglichkeit - also die Macht - hatten, den anderen dazu zu bringen, dasjenige zu tun, was Sie wollten. Die Durchsetzung Ihrer Ziele und Interessen gelingt umso eher, je gräßer das Machtgefälle zwischen Ihnen und Ihren Kontrahenten ist. Um diesen Abstand zu vergräßern, gibt es zwei Möglichkeiten. Die eine besteht darin, mit sauberen, ethisch vertretbaren Mitteln seine eigene Macht zu vermehren, also sich selbst im Verhältnis zu den Gegnern "heraufzusetzen". Man kann aber auch umgekehrt versuchen, den Abstand zu vergräßern, indem man den anderen herabsetzt, also dessen Position mit unsauberen Mitteln angreift. Wie bereits in der Einleitung erwähnt, sind unsaubere Methoden durch illegales oder legales, aber ethisch verwerfliches Verhalten gekennzeichnet. Hierzu gehären Spionage, Erpressung, üble Nachrede oder gezielte Manipulation von wahren Informationen zur Erzeugung eines falschen Eindrucks, indem Teile der Information weggelassen werden. Leider ist die Grenzlinie zwischen sauberem und unsauberem Verhalten häufig nicht leicht zu ziehen. Beispielsweise halten die meisten Menschen die bewusste Verleumdung von Kollegen für verwerflich. Wie ist es aber mit der Weitergabe von wahren, für den Betroffenen jedoch negativen Informationen? Erlaubter Tratsch und Denunziantentum liegen hier dicht beieinander. Unsaubere Methoden werden ihrer Natur nach verdeckt eingesetzt. Das heißt aber nicht, dass im Gegenzug saubere Verhaltensweisen immer offen, also für alle erkennbar stattfinden müssen. Wenn Sie in einer gräßeren Besprechung Ihren Vorschlag präsentieren, dann ist allen Anwesenden klar, welchen Standpunkt Sie haben und welche sachlichen Ziele Sie verfolgen. Aber Sie können ebenso gut versuchen, andere Personen unter vier Augen von Ihrem Vorschlag zu überzeugen, sogar unter "konspirativen" Umständen an einem Ort außerhalb der Firma, ohne dass das gleich unsauber wäre: In diesem Fall wollen Sie lediglich verhindern, dass Ihre Gegner oder Unbeteiligte etwas bemerken. Ein Machtkampf innerhalb einer Organisation kann kurz oder lang andauern. Beispiele für die kurze Variante sind offen ausgetragene Meinungsverschiedenheiten zwischen Abteilungsleitern in einer Sitzung, an der ihr gemeinsamer Vorgesetzter teilnimmt, oder Intrigen, die die Befärderung einer Person zugunsten einer anderen verhindern sollen, oder der Versuch, einen gleichgestellten Kollegen aus einer anderen Abteilung gegen dessen Widerstand dazu zu bewegen, eine bestimmte Arbeit auszuführen. Länger andauernde Machtkämpfe bestehen in vielen Fällen aus einer Kette derartiger Scharmützel. Man kann auch die Bemühungen von Rivalen auf der gleichen hierarchischen Ebene, ihre Machtbasis kontinuierlich auszubauen, dazurechnen, auch wenn es im Zeitablauf nicht zu einem direkten Konflikt kommt. Dieser entsteht meist erst dann, wenn nur einer der Rivalen auf eine vakant gewordene Position befärdert werden kann. Um einen Machtkampf zu bestehen, also Ihre sachlichen und persönlichen Ziele durchzusetzen, müssen Sie drei Dinge beherzigen:

- Sie brauchen Macht, und zwar mehr Macht als Ihre Kontrahenten, deren Widerstand Sie überwinden wollen. - Sie müssen die heimlichen Spielregeln kennen und - darauf aufbauend - in politischen Kategorien denken. Beispiele solcher ungeschriebenen Gesetze: Machtkämpfe sind oft nicht als solche erkennbar, weil es vordergründig um sachliche Fragen und das Wohl der Organisation geht. Dahinter stehen jedoch stets persönliche Interessen der Beteiligten. Oder: Die Stellung im Organigramm sagt nur bedingt etwas über die Machtfülle eines Organisationsmitglieds aus. - Sie müssen politisch handeln. Das Denken in politischen Kategorien reicht nicht aus. Weitere Voraussetzung für den beruflichen Erfolg ist also die Umsetzung Ihrer politischen Erkenntnisse in entsprechende Taten. Überfachliche Kompetenzen als Schlüssel zum Erfolg Analysiert man die oben erwähnten Grundlagen der Macht näher, so stellt man fest, dass die Einflussgewinnung in fast allen Fällen überfachliche Kompetenzen voraussetzt. Das sind Fähigkeiten, dank derer man zielgerichtet und gut mit anderen Menschen umgeht. Menschenkenntnis, soziale Kompetenz, emotionale Intelligenz, Überzeugungskraft und Führungsqualitäten sind Beispiele solcher Soft Skills. "Weiche" Eigenschaften sind offensichtlich am Werk, wenn es um Einfluss aufgrund guter Beziehungen geht. Aber auch für sichtbare Erfolge sind - neben speziellen Fachkenntnissen - gute Beziehungen zu all denjenigen, die an der Verwirklichung der eigenen Zielsetzungen mitwirken müssen, eine notwendige Voraussetzung. Macht, die auf dem Rang beruht, ist schließlich das Ergebnis von Befärderungen. Diese setzen ihrerseits entweder sichtbare sachliche Erfolge voraus oder gute Beziehungen zu Vorgesetzten oder - und das ist der Regelfall - beides. Die fachliche Qualifikation führt zwar auch zu einem gewissen Machtzuwachs, aber dieser ist gering im Vergleich zu dem, der aus dem Einsatz der Soft Skills erwächst.

Die überfachlichen Kompetenzen sind entscheidend für die Gewinnung von Macht und damit für den beruflichen Aufstieg.

Dabei stellt die Fähigkeit, in politischen Zusammenhängen zu denken und entsprechend zu handeln, für sich betrachtet eine weitere überfachliche Kompetenz dar.

Weitere Infos

Art:
eBook
Sprache:
deutsch
Umfang:
240 Seiten
ISBN:
9783593424781
Erschienen:
September 2014
Verlag:
Campus Verlag GmbH
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