Rezension

Traumatisch

Sterne über Berlin -

Sterne über Berlin
von Daniela Aring

Bewertet mit 3 Sternen

Mir zu melodramatisch.

Indi ist Lampenkünstlerin. Aufgewachsen in Berlin bei ihrem Großvater, bei dem sie ihre Mutter einst vor der Tür zurückließ. Da sie ihre Eltern nicht kennt, trifft sie der frühe Tod ihres Großvaters umso mehr. Sie scheint den Halten im Leben verloren zu haben. Als sie René begegnet schwankt sie zwischen Hoffnung und Angst: Hoffnung auf einen neuen Anfang mit neuer Beziehung und vielleicht neuer Familie, aber auch Angst davor, ob sie sich beide gegenseitig den Halt geben können, den sie brauchen. Denn auch René hat Traumatisches erlebt als Kriegsreporter in Syrien. Auch er kämpft um ein wenig Normalität in seinem Leben, nicht nur für sich, sondern auch für seine kleine Tochter, die er gerade erst kennengelernt hat und die er gleich wieder verlieren könnte…

Eigentlich eine gute Basis für einen Unterhaltungsroman: eine schwierige Ausgangslage, verzwickte Umstände und dennoch die Aussicht auf ein gutes Ende. Die Figuren sind sympathisch angelegt, das Ambiente ist auf Wohlfühlfaktor programmiert: eine Künstler-Altbauwohnung in Berlin, und die Autorin hat ein enormes Potential an Phantasie, wenn sie für den Leser Indis Installationskünste entwirft, dass er das Gefühl bekommt, etwas ganz Großartiges zu sehen, ohne doch ein wirklich klares Bild davon zu haben. Der Rest bleibt Magie.

Leider kann sich das Buch aber nicht wirklich entscheiden, was es sein will: gute Unterhaltung, die ein bischen Drama verträgt, aber nicht zu schwer und zugleich nicht zu plakativ sein darf, oder tiefgründige Seelenstudie über postraumatische Belastungsstörung, die wohl schwere Kost sein darf, aber nicht zu melodramatisch und auch nicht zu platt. Leider haben wir davon in diesem Buch zu viel. Gerade zum Ende hin steigert sich die Handlung ist Überdramatische, um sich dann in einer Hundertachtziggraddrehung zum Positiven zu wenden. Unendliche Tränenflüsse und Enttäuschen über Vertrauensbrüche, die gar keine sind, Selbstvorwürfe und Verzweiflung auf beiden Seite wollen über Seiten bewältigt werden. Dabei bleibt bis zum Ende das ungute Gefühle, das sich fragt, ob man ein durch die Eindrücke des Krieges ausgelöste posttraumatische Belastungsstörung auf gleiche Stufe stellen darf mit den Partyabstürzen einer Frau, die mit den Geheimnissen in ihrer Familie nicht klar kommt, wobei man sagen muss, dass ihr der Großvater und die skurile Hausgemeinschaft mehr liebevolle Familie waren, als manch anderer trotz Anwesenheit von Vater und Mutter je hatte. Auch wenn Leid sicher immer subjektiv ist, klingt das doch ein wenig nach Überproblematisierung und wird dem wirklichen Trauma nicht gerecht. Auch wenn die Autorin sich um vielschichtige Charaktere bemüht, alle sind irgendwo Opfer und Täter, so sind die Sym- und Antipathien doch sehr klar verteilt: Indi und René haben sind emotional, liebenwürdig, künstlerisch-kreativ und auf positive Weise ungewöhnlich. Den Gegenpart muss Renés Ex einnehmen: sie ist die Böse, Anwältin, kühl, nörglerisch, zickig, ohne Verständnis für ihr Gegenüber, bis sich herausstellt, dass auch sie nur geliebt werden will. Etwas platt.

Ich hätte lieber den Unterhaltungsroman gelesen über die Lampenkünstlerin Indi, die so wunderschöne Lichterfeste feiert, in einer bunten Hausgemeinschaft lebt und nach einigen Verirrungen ihrem René in die Arme fallen darf. Es dürfen auch ein paar Seelen gerettet werden, aber der Wohlfühlfaktor solte überwiegen. Denn das war meine Erwartungshaltung an das Buch und das wunderschöne Cover, das mir eigentlich verspricht, mich für ein paar stimmungsvoll beleuchtete Lesestunden von allen schlimmen Traumata dieser Welt zu entführen.