Rezension

Herzensschwestern

In Zeiten der Freundschaft -

In Zeiten der Freundschaft
von Cathy Gohlke

Bewertet mit 5 Sternen

Die Romanhandlung um vier Freundinnen lässt zunächst miterleben, wie

Adelaide am Vorabend ihres 12. Geburtstag ihre Eltern verliert und bereits am nächsten Tag von ihrem deutlich älteren Bruder alleine auf die Reise in ein Internat gesandt wird. Dort trifft sie auf die drei gleichaltrige Freundinnen Susannah, Ruth und Dorothy, die sie gerne und liebevoll in ihren Kreis aufnehmen. Ein im Verhältnis zu der dann folgenden Handlung der herangewachsenen Freundinnen ein sehr kleiner Abschnitt.

Sehr viel Raum und Zeit wird dann den erwachsenen Freundinnen gewidmet, wobei Dorothy, genannt Dot, und Adelaide, genannt Addie, die tragende Rolle zufällt.

In zwei Erzählsträngen wird das Zerbrechen dieser Freundschaft ab 1915, im Vorfeld des Ersten Weltkriegs, und die schmerzhafte Versöhnung fast zwanzig Jahre später geschildert.

Mit sehr großem Einfühlungsvermögen und Hintergrundwissen gelingt es der Autorin die Gedanken- und Gefühlswelt von Dot und Addie überzeugend darzustellen, sodass man diesen sehr leicht folgen und sich mühelos mit ihnen identifizieren kann. Dabei findet auch der herannahende Krieg in Europa und die bereits erfolgte Teilnahme von Kanada sowie die sich abzeichnende Mitwirkung Amerikas eine ganz besondere Bedeutung. Mit großem Wissen über die damaligen gesellschaftlichen Entwicklungen und Verhaltensweisen, falsch verstandenem Patriotismus zeigt die Autorin erschreckend realistisch auf, dass die familiäre Herkunft wichtiger ist als die Menschen, zu denen sie sich im Laufe ihres Lebens entwickelt haben. Mit zunehmender Fassungslosigkeit bin ich der detailreichen und intensiven Beschreibung des zunehmend gespannten Verhältnisses der vier Freundinnen gefolgt, die sich vor allem aus dem freundschaftlichen Verhältnis von Dot und Addie zu den beiden deutschstämmigen Nachbarsöhnen Jonas und Stephen ergibt – letztlich bis hin zum Bruch.

Im zweiten Handlungsstrang im Jahr 1935 lassen sich auf eine sehr empathische und berührende Erzählweise erste kleine Hinweise auf eine ersehnte und erhoffte Versöhnung erkenne. Sanft aber stetig werden Dot und auch Addie an die lang zurückliegenden und verdrängten Fehler und Verletzungen erinnert, bis sie sich diesem sanften Drängen nicht mehr entziehen können. Beide erkennen, dass es nicht darum geht, Schande zu beichten, sondern endlich die Last, die sie erdrückt, loslassen zu dürfen.

Dieser Roman hat mich tief bewegt. Vor allem im Hinblick auf die ergreifende und auch berührende Darstellung der inneren Auseinandersetzung mit dem schwierigen Thema von Versöhnung und Vergebung. Im Hinblick auf das lebensfrohe Cover von vier jungen Frauen hat mich dieser Roman mit einer Tiefe überrascht, die ich nicht erwartet hatte. Die Auseinandersetzung, Aufbereitung, vor allem aber die Darstellung dieses Prozesses, insbesondere in den Charaktere von Dot und Addie, zeugen für mich von einer tiefen christlichen Reife der Autorin, die nach meiner Meinung nur durch eigenes Er-Leben erreicht werden kann. Da ist mehr als eine Träne geflossen und ich habe mich sehr gerne von der Autorin, ihrer Geschichte in einem leichten, gefühlvollen und doch auch sehr deutlichen Schreibstil trösten lassen.

Abschließend sei noch erwähnt, dass es der Autorin erneut gelungen ist, neben dem Ersten Weltkrieg ein traumatisches Ereignis, die s.g. „Halifax-Explosion“ und dessen Auswirkungen auf Stadt und Bevölkerung mit einigen Romanfiguren meisterhaft zu verknüpfen und damit der Romanhandlung eine überzeugende Authentizität verleiht.