Rezension

Mit den Augen eines Kindes ****

Radio Sarajevo -

Radio Sarajevo
von Tijan Sila

Bewertet mit 4 Sternen

Mit den Augen eines Kindes erzählt Tijan Sila vom Krieg, mit seinen Augen, die im zarten Alter von nur zehn Jahren das Verbrechen gesehen haben. Plötzlich herrscht in Bosnien Krieg, Sarajevo wird bombardiert, während man gerade noch genüsslich sein Ohr am Radio hatte und Bon Jovi lauschte. Eindringlich beschreibt der Autor, wie es ihm damals ergangen ist und wie man sich automatisch angepasst hat an die schreckliche Situation.

Dieses Buch spiegelt keine Szenen am Schlachtfeld wider, zeigt keine typischen Kampfhandlungen, nein, dieses Buch erzählt von einem Zehnjährigen, den der Geruch von Sprengstoff ebenso überrascht wie seine Eltern und Nachbarn, den der ohrenbetäubende Lärm ebenso in Aufruhr versetzt wie seine Freunde. Aber – er lernt damit zu leben, lernt, durch Tauschhandel an Essen zu gelangen, lernt, seine Tränen zurückzuhalten, fast fünfundzwanzig Jahre lang, denn der Krieg in einem drinnen, der hört nicht einfach auf, nur weil man nach Deutschland flieht. Sehr authentisch, wenn auch immer wieder eher sachlich und distanziert, lässt uns Tijan Sila teilhaben an seiner Freundschaft mit Sead und Rafik, Burschen, die im selben Grätzel wohnen und daher wie selbstverständlich einer gemeinsamen Bande angehören. Aber der Leser trifft auch auf väterliche Gewalt und schnelles Erwachsenwerden mit der Bürde, den kleinen Bruder zu hüten und sich in Krisenzeiten seinen Platz zu sichern. Traurig und bewundernswert zugleich, welche Strategien zum Zug kommen, wie man das Unvermeidliche zu akzeptieren sucht und zwischendrin noch Platz hat für Humor.

Ein Roman des Verarbeitens, ein Roman zum Erinnern, ein Roman zum Aufrütteln. Kindliche Naivität trifft hier auf ganz plötzlich veränderte Anforderungen, denen man sich stellen muss. Ein erschütterndes Bild aus der Sicht eines Kindes, das viel zu schnell erwachsen wird – lesenswert.