Rezension

Ist es fünf vor zwölf?

Partikel -

Partikel
von Wolf Harlander

Bewertet mit 5 Sternen

 “Partikel“ ist ein Werk wie eine Naturgewalt, das den Leser schonungslos in das “Plastikzeitalter“ einführt. Wir bekommen die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte vor Augen geführt und werden mit einem System konfrontiert, das schon lange so nicht mehr funktioniert. Das Werk ist total angsteinflößend. Gibt es noch Rettung? Aber was basiert bei diesem Thriller auf exakten Beweisen? Zwar ist das Werk gut recherchiert, aber ist es mehr eine Art Horrormeldung, eine schreckliche Zukunftsvision oder Realität? Zu meiner persönlichen Beruhigung hätte ich mir einen Anhang mit Quellenverweisen gewünscht, damit der Wahrheitsgehalt dokumentiert wird.
Harlander erzählt mit klaren, leicht verständlichen Worten. Der eingängige Schreibstil lässt einen die 605 Seiten zügig lesen, die durch Nachrichtensendungen, Scripts von TV-Reportern, Feuerwehrmemos, Memoranden von Tierschutzorganisationen, Mitschriebe der Journalistin, Zeitungsberichten, Akten von Behörden... unterbrochen werden und somit abwechslungsreich und realitätskonform durch das Werk führen. Wir haben einen sehr tiefgründigen wie unterhaltsamen Thriller über eine ökologische Katastrophe, denn wir essen Mikroplastikteilchen durch den verseuchten Fisch . Die Ozeane sind verseucht, ebenso das Trinkwasser. Im Prinzip fast alle Bereiche des Lebens!
Es gibt mehrere Handlungsstränge, die abwechselt weitererzählt werden. Ein Frachtschiff mit gefährlicher Ladung ist vor der marokkanischen Küste gesunken, der BND ermittelt. Ein zweijähriges Mädchen ringt wegen eines bösartigen Tumors in ihrer Leber mit ihrem Leben.
Die Firma Cyaclean forscht an einer Lösung des Plastikproblems. Die Journalistin Melissa hofft auf eine extrem teure, neuartige Behandlungsmethode für ihre todgeweihte Nichte.
Die verschiedenen Handlungsstränge führen zu einem gemeinsamen Finale und halten die Spannungskurve durchgehend aufrecht.
Die sehr unterschiedlichen Charaktere sind authentisch, sehr differenziert und facettenreich gezeichnet. Besonders gut hat mir gefallen, dass die zwei BND-Agenten aus Harlanders “Schmelzpunkt“ wieder auftauchen, wobei deren Einzelschicksale auch wieder mit eingeflochten werden.
“Partikel“ ist aufrüttelnd und zugleich fesselnd. Jeder sollte seine Plastikverwendung überdenken, aber ist das nicht ein Tropfen auf den heißen Stein? Es wird eine äußerst bedrohliche Atmosphäre kreiert und intensivste Spannung erzeugt.
Ein Werk, das jeden an der Umweltproblematik interessierten Menschen einfach mobilisieren sollte! Ebenso kann ich die beiden Vorläuferbände “Systemfehler“ und “Schmelzpunkt“ wärmstens empfehlen, die aber thematisch jeweils in sich geschlossen sind.
Der einzige Wermutstropfen ist das sehr dunkle Cover, das keinen appellativen Charakter hat und mich nicht geflasht hat.
Aber insgesamt ein tolles Werk!