Rezension

Ein gelungener hist. Roman

Und dahinter das Meer -

Und dahinter das Meer
von Laura Spence-Ash

Bewertet mit 4 Sternen

Als im September 1940 die Deutsche Luftwaffe die ersten Luftangriffe gegen London fliegt, beschließen zahlreiche englische Familien ihre Kinder nicht nur innerhalb des Vereinigten Königreiche sondern auch in die sicheren USA zu evakuieren.

 

Die 11-jährige Beatrix Thompson ist eines davon, obwohl sich ihre Eltern Millie und Reginald nicht ganz einig sind. Nach einer aufregenden Schiffsreise wird Beatrix von der Familie Gregory in Boston aufgenommen. Das Mädchen ist in bescheidenen Verhältnissen in London aufgewachsen und findet nun bei ihrer Gastfamilie unbekannten Luxus vor. Sie darf täglich baden, hat ein eigenes Zimmer für sich und bekommt reichlich zu essen. Im Sommer fährt man nach Maine, wo die Familie ein Sommerhaus auf einer kleinen Insel besitzt. Die Gregorys, allen voran die Brüder William und Gerald werden zu einer zweiten Familie.

 

Aus dem ursprünglich für wenige Monate gedachten Aufenthalt werden 5 Jahre, in denen die Erinnerung an London manchmal verblasst. Der Krieg in Europa, der Tod des Vaters - als das ist weit weg, obwohl Bea und ihre Mutter in regem Briefkontakt stehen.

 

Die lange Trennung ist weder an Bea noch an ihrer Mutter Millie spurlos vorübergegangen. Denn Bea kann es ihrer Mutter nicht verzeihen, sie zu Beginn des Krieges in die unbekannte Fremde abgeschoben zu haben.

 

Meine Meinung:

 

Dass Kinder aus jenen Städten wie Coventry und London, die in der Reichweite der Deutschen Luftwaffe lagen, innerhalb des Vereinigten Königreichs evakuiert worden sind, ist mir bekannt. Unter diesen Kindern waren auch Tausende jüdische Kinder, die mittels der sogenannten Kindertransporte aus Nazi-Deutschland und Österreich gerettet wurden. Nicht gewusst habe ich, dass Kinder aus englischen Familien zu Gasteltern in die USA geschickt worden sind.

 

Beatrix ist eines dieser Kinder, die mutterseelenallein auf die weite Reise ins Ungewisse geschickt werden. Immer mit dem Gedanken, wie ein Paket abgeschoben zu werden. Fünf Jahre im Leben eines Kindes sind eine sehr lange Zeit. Dass sich auch die erwachsene Bea keiner der beiden Welten so richtig zugehörig fühlt, ist wohl verständlich. Das Verhältnis zu ihrer leiblichen Mutter ist angespannt, da sie in Beas Abwesenheit wieder geheiratet hat. Der Versuch, die verlorenen Jahre aufzuholen, ist von Beginn an zum Scheitern verurteilt.

 

Die Geschichte wird eher sachlich, aber dennoch sehr liebevoll erzählt. Wir dürfen an Bea aufwachsen sehen, an Gedanken und Zweifel teilhaben. Doch es ist nicht ausschließlich Beas Perspektive sondern auch jene der anderen Beteiligten: Nancy und Ethan Gregory, die Brüder William und Gerald, die sich beide in ihre Ziehschwester verlieben sowie Beas leibliche Eltern Millie und Reginald Thompson. Die Blickwinkel der unterschiedlichen Figuren geben einen umfassenden Eindruck über das Geschehen während des Kriegs und der vielen Jahre danach. Die Zeiträumesind gut gewählt und zeigen die weitere Entwicklung der Personen.

 

Die Charaktere sind ausgesprochen gut herausgearbeitet. Wir Leser dürfen an ihren Gedanken, Wünschen und Zweifeln teilhaben. Spannend ist der Vergleich zwischen den beiden Müttern: Da ist zum einen Nancy, die US-Mama, die neben ihren beiden Söhnen gerne eine Tochter gehabt hätte, und all ihre Liebe in das einsame Mädchen steckt, und zum anderen Millie, Beas leibliche Mutter, die ihre Tochter mehr liebt, als sie zeigen kann. So wirkt das eine Verhältnis sehr liebevoll, das andere recht reserviert.

 

Fazit:

 

Gerne gebe ich diesem Roman, der ein bislang wenig bekanntes Kapitel des Zweiten Weltkriegs behandelt, 4 Sterne.