Rezension

Dunkle Sichten

Ich möchte Wein trinken und auf das Ende der Welt warten -

Ich möchte Wein trinken und auf das Ende der Welt warten
von Slata Roschal

Bewertet mit 2 Sternen

Diese Erzählstimme hier ist unzufrieden und hadert mit ihrem Ist-Zustand, sie jammert und wettert. Und sie triggert mich. Denn irgendwie erinnert mich dieser Text an ein kleines unschuldiges Rehlein, ein Opfer. Nur gibt es diese Rehlein, diese unschuldigen Menschlein in unserer Art recht wenig. Denn wir besitzen die Eigenschaft der Aktion, des eigenen Denkens, der Interaktion und bewegen uns dadurch recht schnell aus der Figur des kleinen unschuldigen Opfers heraus. 

Von daher müsste man sich schon fragen, wo denn der eigene Anteil sitzt, der uns in diese Situation gebracht hat und genau an diesem Anteil setzt dann die eigene Arbeit an sich selbst an. Für gewöhnlich. 

Denn das ist verdammt schwer!

Einfacher ist es immer zu sagen, der oder die haben die Schuld, weil der und/oder die haben das gemacht. Und mir geht es deswegen so schlecht. Buhuu! 

Das depressive Thema impliziert durch die Vielfalt menschlicher Charaktere immens viele Erscheinungsformen, dennoch gibt es die reinen Opfer ein Glück selten, denn diese Opfer machen sich und ihrer Umwelt das Leben schwer, sehr schwer. Denn in ihrer Opferhaltung ist es für diese Menschen sehr schwer Wege aus ihrem eigenen Drama zu finden, allerdings fällt es ihnen sehr leicht andere zu Tätern zu stilisieren, ohne natürlich bei den eigenen Motiven zu suchen. Klarer Fall.

Und genau so erscheint mir hier diese Erzählstimme.

Ich möchte nicht in Abrede stellen, dass dieses Szenario, in dem die Erzählstimme festsitzt, für sie destruktiv ist und sie vielleicht nicht unbedingt Möglichkeiten sieht aus dieser Situation herauszukommen. 

Dennoch hat allein schon die Möglichkeit die Briefe fremder Menschen zu lesen und ihre Schicksale vor dem inneren Auge entstehen zu lassen, ein richtig großes Potenzial. Denn da könnte man vom eigenen Drama abgelenkt werden und die dramatischen Lebensverläufe dieser Anderen auf sich einwirken lassen.

Könnte man. Muss man natürlich nicht. 

Man kann auch der Meinung sein, dass Therapeutinnen Phrasen dreschen und ihnen nicht vertrauen. Doch dies impliziert ja eventuell auch, dass man sich nicht vollkommen öffnet und auch dadurch therapeutische Arbeit torpediert und sie damit erschwert. Immens erschwert. Aber auch da ist natürlich wieder die Therapeutin schuld. Und eigenes Zutun interessiert nicht. Schlimm!

Andererseits ist da auch die Liebe, um mal etwas positives einfließen zu lassen und man kann nur hoffen, dass über diese immense Kraft die Möglichkeit für die Erzählstimme liegt ihrem eigenen Drama zu entkommen. 

Ich habe mich wirklich versucht auf diese Erzählstimme einzulassen, aber sie triggert mich dermaßen, dass ich sicher auch innerlich blockiert habe. Auch meine Arbeit in der Psychiatrie wird hier sicher mitgewirkt haben. Vielleicht sollte ich dieses Buch noch einmal lesen. Vielleicht.