Rezension

Ein spannender Thriller - mit & fürs Herz ❤️

Seine andere Ehefrau -

Seine andere Ehefrau
von Anya Mora

Bewertet mit 5 Sternen

Dieser Roman bietet "Two in one" - alles, was einen richtig spannenden Thriller ausmacht, aber außerdem eine ordentliche Portion dessen, was man in einem Liebesroman erwartet.

>>>INHALT

Es war Liebe auf den ersten Blick, als Ledger Stone während meiner Schicht im Diner hereinkam. Wir heirateten kurz danach und bekamen Zwillinge. Ich hatte andere Pläne mit 20 für mein Leben, aber es überraschte mich damit, dass ich es - immer noch! - wundervoll finde, Mutter und Frau eines großartigen Mannes zu sein.

Dann kommt der Anruf: Ledgers Truck ist durch die Leitplanke gebrochen und in eine tiefe Schlucht gestürzt. Man erklärt mir, das könne niemand überleben. Eine Leiche finden die Rettungskräfte allerdings nicht.

Plötzlich steht eine fremde Frau vor meiner Tür. Sie behauptet, sie sei Ledgers Frau. Vor fünf Jahren nannte sich Ledger noch Henry, bis er bei einem LKW-Unfall starb. 

Nach und nach erfahre ich verwirrende Einzelheiten über meinen Mann, die für mich völlig neu sind - von seiner ersten Frau, seinem Therapeuten, seinem Kollegen und Freund Jack, seiner Ärztin. All die Informationen ziehen mir den Boden unter den Füßen weg - als wäre die Nachricht von Ledgers Unfalltod nicht schlimm genug!

Mein Mann ist mein Fels in der Brandung. Meine große Liebe. Die Kinder wollen ihren Vater zurück. Aber wenn Ledger lebt, ist dann unsere ganze Ehe eine Lüge ...?

>>>ÜBER DIESEN THRILLER

Mir hat der Roman ausgesprochen gut gefallen, und zwar aus verschiedenen Gründen.

Die Autorin versteht sich übrigens als Schriftstellerin für Frauen - ich stimme insofern zu, dass ich dieses Buch als ein Werk einschätze, das wahrscheinlich eher Frauen als Männern gefällt.

Protagonistin [Penny] und Antagonisten [verrat ich nicht ;-)] entsprechen hier nicht der klassischen Rollenverteilung beim Thriller, was die Lektüre ausgesprochen interessant gestaltet, weil sie nicht in ausgelatschten Klischees steckenbleibt. ( ggf. vergleichen unter https://storyanalyse.de/thriller/: "Ein Thriller braucht einen außerordentlich cleveren Antagonisten (Mörder, Psychopath, ...) und einen genauso außergewöhnlichen Protagonisten (Ermittler, Detektiv, Person, die über sich hinauswachsen kann, ...), wobei der Antagonist mehr Macht innehaben sollte."

ABOUT BEING A MOM

Die Autorin ist selbst fünffache Mutter und sie liefert mit ihrem Werk ein landschaftliches Plädoyer dafür, was für eine erfüllende Rolle das sein kann. Ich finde das ausgesprochen erfrischend angesichts der Tatsache, dass heute viele Eltern auf mich den Eindruck machen, sehr beschäftigt zu sein und ausgesprochen professionell darin, ihre Kinder zu beschäftigen, quasi "wegzuorganisieren", am besten übers Handydisplay ruhiggestellt, damit die sogenannten Erwachsenen ungestört oder ungestörter ihren wichtigen Tätigkeiten nachgehen können.

DIE HAUPTFIGUR

Penny ist ausgesprochen früh Mutter geworden: Es ist keine Kleinigkeit, mit 20 Zwillinge zu bekommen. Da bleibt nicht viel Zeit, im Leben Erfahrungen zusammen, für eine differenzierte Ausbildung oder gar Hobbys. Trotzdem ist sie in der Lage, die beiden Kinder als großes Geschenk und als enorme Bereicherung für sich und ihr Leben wahrzunehmen und entsprechend das Miteinander zu schätzen & zu genießen.

Penny wird nicht unbedingt zu einer Ermittlerin, wie das vielen Hauptpersonen in einem Thriller widerfährt. Vielmehr stürmen die meisten Ereignisse auf sie ein und hinterlassen bei ihr ein entsprechendes emotionales Schlachtfeld - in das sie den Leser hineinzieht. Sie schildert die Ereignisse aus ihrer Sicht - hin & wieder sind Rückblenden eingestreut, um dem Bild ihrer Beziehung zu Ledger mehr Tiefe zu verleihen.

Penny arbeitet als Serviererin, hat lediglich einen Highschool-Abschluss - aber dumm ist sie nicht. Sich selbst bezeichnet sie als "erfinderisch". Sie schreibt und bemüht sich, ihre Geschichten publizieren zu lassen. (Möglicherweise spiegeln sich hier Erfahrungen der Verfasserin des Romans.) Die unglaublichen Ereignisse rund um den Unfall ihres Mannes fügen in geradezu ironischer Weise ihrer Lebensgeschichte Elemente hinzu, die nicht banal und daher wert sind, erzählt zu werden.

STILMITTEL ODER WIEDERHOLUNG?

In wirklich vielen Passagen beschreibt die Autorin, wie sich Penny in dem Chaos, in das sie durch Ledgers Unfall gestürzt ist, quasi auf ihre Kinder zurückzieht. Sie ist jetzt eine alleinerziehende Mutter, muss und will bedingungslos für ihre Kinder da sein und findet aus diesem Anspruch heraus (im Anschluss an eine Phase der Verleugnung) Kraft.

Ja, man kann der Autorin durchaus vorwerfen, dass sie diesen Aspekt recht oft betont und wiederholt. Allerdings ist ihr Werk in erster Linie ein Thriller, das heißt, geschrieben, um Spannung und Neugier zu erzeugen.

Man kann also auch die wiederholte Beschreibung, dass die Mutter ihre Kinder tatsächlich braucht, um selbst stabil zu bleiben, als Stilmittel ansehen, um diese thrillertypische Spannung zu erzeugen: Es nervt, gemeinsam mit der erzählenden Penny ihre Schockstarre auszuhalten, wo es mich als Leserin doch so brennend interessiert, wo und wie ich Informationen zur Klärung der verworrenen Lage finden kann. Klar, das spannt mich enorm auf die Folter!

In Bezug auf die Frage, ob hier ein Stilmittel gelungen eingesetzt oder sinnlos wiederholt wird, muss jeder Leser selbst entscheiden, wie das eigene Urteil ausfällt.

VON NÜCHTERN BIS BILDGEWALTIG

Der Roman ist in einem eher schlichten und sachlichen Stil geschrieben, hat aber erstaunlich tiefgründige Feststellungen über das Leben, die Liebe, Träume und deren Verwirklichung zu bieten. Wo diese großen Themen des Lebens literarisch angepackt werden, verändert sich die Sprache, wird bildreicher und kommt zu, so finde ich wenigstens, bedenkenswerten Aussagen.

PLOT

Es ist nicht einfach, als Leser auszuhalten, welchen Herausforderungen Penny ausgesetzt ist: Man sollte meinen, die katastrophale Nachricht vom Unfalltod ihres Mannes stelle einen ausreichenden Krisenherd dar, um einen Roman darüber zu schreiben, aber die Autorin mutet ihrer Hauptfigur noch einiges mehr zu.

Penny ist bald gezwungen, durch Enthüllungen der angeblichen ersten Frau ihres Mannes, aufgrund von Gesprächen mit Therapeuten und Ärzten bzw. Kollegen von Ledger alles infrage zu stellen, was sie je mit ihrem Gatten erlebt hat.

Und doch ist da etwas in ihr, das sich weigert, genau dies zu tun: ein unverbrüchliches Vertrauen in die gegenseitige Liebe.

Ich persönlich mag ja Utopien. Ich finde, auf dem Buchmarkt gibt es zu viele Dystopien und Massenmörder. Was die Welt braucht, sind gute Utopien, also fantastische Vorstellungen für eine positive Zukunft. Ein Thriller mit einer Liebeserklärung an die Liebe, der nicht das gewohnte Konzept der Rache - Auge um Auge, Zahn um Zahn - verfolgt, kommt mir und meinen persönlichen Sehnsüchten da gerade recht.

Der Ausgang des Romans ist nicht wirklich wahrscheinlich, aber in jedem Falle interessant. [Wer sich mit Wahrscheinlichkeiten beschäftigen möchte, sollte Versicherungsstatistiken lesen oder Sudokus lösen.]

Auf jeden Fall konnte die Lektüre von "Seine andere Ehefrau" mich emotional gut mitnehmen– spannend war das Buch allemal, konnte immer wieder durch gekonntes Hakenschlagen in der Entwicklung der Handlung verblüffen und ließ sich angenehm in einem Rutsch lesen.

>>>FAZIT

Alle Erwartungen, die ich grundsätzlich an einem Thriller habe, wurden von Anya Moras Roman bestens erfüllt, darüber hinaus bekam ich einen Liebesroman der besonderen Art serviert und einige interessante Ansichten & Einsichten wichtige Fragen des Lebens betreffend - daher gerne fünf Sterne. 

>>>PS

Das Cover mag ich - es passt richtig gut zum Inhalt!