Rezension

lesenswert unterhaltsam

Pi mal Daumen -

Pi mal Daumen
von Alina Bronsky

Bewertet mit 4 Sternen

Wie erwartet, ist es dann auch ein heiter-ernstes Lesevergnügen geworden. Trotzdem hätte ich diesen Roman nicht unbedingt der Rubrik Humor zugeordnet, denn es gab für mein Empfinden schon auch viele ernste Untertöne.

Pi mal Daumen lebt nicht von einer treibenden Handlung, sondern von den Figuren, deren Interaktionen und Entwicklungen im Laufe des Romans. Mit Moni und Oscar hat Alina Bronsky zwei Hauptfiguren geschaffen wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten, einziger gemeinsamer Bezugspunkt, ihre Begabung/Leidenschaft für Mathematik. Und natürlich die Tatsache, dass man beide ins Herz schließt, genau wie von der Autorin beabsichtigt. Moni, über 50 mit einem großen Herzen und chaotischer Familie auf der Stelle, Oscar, 16 Jahre alt und Asperger-Autist aufgrund seiner daraus resultierenden speziellen Art eventuell mit klitzekleiner Vorlaufzeit. Erzählt wird die Geschichte ihrer Begegnung, ihrer keimenden Freundschaft und was sie mit der Zeit für einander bedeuten. Ich-Erzähler Oscar macht (für ihn) erstaunliche Erfahrungen, nicht zuletzt mit und über sich selbst. Nur ein Beispiel, das mir das Herz erwärmt hat (das schon länger für Asperger-Figuren schlägt): „Es war der Sommer, in dem ich mich dabei ertappte, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben spontan das Pronomen –wir- aussprach.“
Und noch ein Beispiel für die sprachliche Ausgestaltung, wenn es um die Sichtweise von Oscar geht:“ „Ich hatte, einem irrationalen Impuls folgend, einen Strauß Tulpen mitgebracht, den ich in einer Unterführung erworben hatte. Dieser Kauf beeinflusste die Gesprächsdynamik überraschend positiv, als handelte es sich nicht um ein Bündel todgeweihter Pflanzen, die in kürzester Zeit nichts als stinkendes Wasser und Pollen auf der Fensterbank hinterlassen würden“. Aber auch Moni geht durch ihre Freundschaft mit Oscar neue Wege.

Die Autorin spielt auf unterhaltsame, oft witzige und stets liebenswürdige Weise mit Klischees. Originelle Dialoge, humorvoll, hinter- und durchaus auch scharfsinnig, haben mich oft schmunzeln lassen. Sämtliche Figuren, auch in den Nebenrollen sind wunderbar, liebevoll und griffig ausgestaltet, und dass sie leicht überzeichnet sind, ändert daran nichts.

In manchen Belangen, gerade in den ernsteren, bleibt die Geschichte etwas an der Oberfläche. Aber man (Autorin, Verlag, Lektorat?) hat sich vermutlich entschieden, den Schwerpunkt auf den heiter-humorvollen Aspekt zu legen.
Dafür, dass ich mit Mathematik in der Schule wenig anfangen konnte, und diese tatsächlich einen größeren Raum in der Geschichte einnimmt, habe ich mich mit diesen neuen Roman von Alina Bronsky gut unterhalten.
Das Ende fand ich unspektakulär, aber nicht unpassend, den Epilog vielleicht originell, jedoch etwas irritierend.

Alina Bronsky bleibt auch mit Pi mal Daumen eine Autorin, die ich sehr gerne lese, gerade weil sie so vielseitige Themen behandelt. Langweilig wird es mit ihr nicht.