Rezension

Wie in der Kindheit erlebte Gewalt die Erwachsenen prägt

Kleine Monster -

Kleine Monster
von Jessica Lind

Bewertet mit 5 Sternen

Es beginnt damit, dass die Eltern des kleinen Luca zu einem Gespräch mit der Lehrerin der zweiten Klasse gebeten werden, weil es einen gewissen Vorfall mit einer Mitschülerin gegeben habe. Dies wird zum Auslöser, dass sich Mutter Pia mit ihrer eigenen Kindheit auseinandersetzen wird.

Um den gewissen Vorfall wird im Buch zunächst ein Geheimnis gemacht, es wird lange nicht verraten, was denn nun genau vorgefallen ist, quasi, um die Neugier aufrecht zu erhalten. Dies Thema wird nach und nach überlagert von der psychologischen Entwicklung der Mutter.

Im Gegensatz zum Vater Jakob liegt in Mutter Pia tief im Inneren die Überzeugung verankert, dass auch Kinder bereits kleine Monster sein können, die alles mit Berechnung tun, als gäbe es das geborene Böse. Das klingt für manche merkwürdig, und ja, das ist Pia so auch überhaupt nicht bewusst. Nach und nach zeigt sich dies in ihrem Verhalten und in ihren Denkweisen, auch ihrem Sohn gegenüber. Langsam kommt man beim Lesen gemeinsam mit Pia dahinter, dass ihr diese Denkweise von den eigenen Eltern in der Kindheit regelrecht antrainiert wurde. Hier vielleicht auch eine Triggerwarnung, da es um körperliche und seelische Gewalt gegenüber Kindern geht. Im Lauf des Romans verdeutlichen sich immer mehr Hinweise darauf wie latent unter der Oberfläche brodelnder Jähzorn oder die Überzeugung, alle seien gegen sie. Tatsächlich schätzt sie die Reaktionen der Eltern und der Lehrerin auch völlig falsch ein, nicht mit Absicht, sondern weil sie selbst in diesem Denkprozess regelrecht gefangen ist.

Ich mochte dies langsame Aufdecken, dies Gewahrwerden, was Pia bezüglich ihrer Kindheit alles verdrängt hat. Auch in Bezug auf ihre Schwester, zu der sie keinen Kontakt mehr hat, da diese sämtliche Kontakte zur Familie abbrach. Schade war, dass sie, obwohl es ihr irgendwann bewusst war, sie dennoch zunächst in alte Verhaltensmuster zurückfiel. Ein sehr bewegendes Buch, ich möchte nicht ausschließen, dass sie einige Lesende hier wiederfinden könnten.