Rezension

Sprachlicher Genuss

Nur nachts ist es hell -

Nur nachts ist es hell
von Judith W. Taschler

Bewertet mit 5 Sternen

Nach „Über Carl reden wir später“ ist dies nun der zweite Teil der Familien-Saga rund um die Familie Brugger. Diesmal steht Elisabeth, die einzige Tochter im Mittelpunkt. Die Geschichte wird aus ihrer Sicht erzählt, wobei Elisabeth auch gleichzeitig als Erzählerin fungiert.

 

Vater Albert Brugger, scheint ein moderner Vater zu sein, denn die aufgeweckte Elisabeth darf nach der Volksschule eine höhere Schule besuchen. Dazu muss ein Teil der Familie nach Wien übersiedeln: Bruder Gustav, der Medizin studieren will und Elisabeth übersiedeln mit der Mutter in die Großstadt. Der Vater und Bruder Carl bleiben im Mühlviertel, Eugen, sein Zwillingsbruder wandert in die USA aus. Elisabeth maturiert 1913 in der Rahlgasse, einem der ersten Mädchengymnasien Wiens, beginnt ihr Medizinstudium. Wenig später bricht der Erste Weltkrieg aus und sie verpflichtet sich als Krankenschwester. Gustav kehrt aus dem Krieg nicht zurück. Dafür steht plötzlich Georg, einer seiner Studienkollegen und Nachfahre einer Ärztedynastie, kriegsversehrt, vor ihrer Tür. Man heiratet, Elisabeth absolviert zwischen zwei Schwangerschaften ihr Studium, macht die Facharztausbildung zur Gynäkologin und teilt später sich mit ihrem Mann eine Praxis.

 

Elisabeth liebt ihren Beruf und die Anliegen der Frauen sind ihr wichtig. Vor allem jene, der benachteiligten, die

für Hungerlöhne arbeiten müssen und Jahr um Jahr ein Kind bekommen. Diese Haltung bringt ihr dann auch einen kurzen Gefängnisaufenthalt ein.

 

Der Zweite Weltkrieg bringt den Selbstmord ihres Mannes und das Nichtwissen über den Verbleib des älteren Sohnes sowie die ärztliche Tätigkeit an der Ostfront.

 

Nun, wir sind in den 1970er-Jahren angekommen, rekapituliert sie ihr Leben, schreibt es für ihre Großnichte, die bei ihr lebt, auf.

 

Meine Meinung:

 

Dieser zweite Teil der Familiengeschichte ist penibel recherchiert und gekonnt in die Weltgeschichte eingebettet. Wir erfahren so manches Familiengeheimnis wie den Tausch der Lebensläufe der Zwillingsbrüder Carl und Eugen sowie die daraus entstehenden Komplikationen. Warum der Identitätstausch? Das müsst ihr selbst lesen.

 

Sehr gut haben mir die vielen Details, die der feinen Beobachtungsgabe von Elisabeth geschuldet sind, gefallen. Mit ihren Emotionen hält sie sich ein wenig zurück. So ist sie erzogen worden und passt ausgezeichnet zu ihrem Charakter.

 

Der Erzählstil ist ausgewogen und bezieht auch ihre Eltern und die Brüder, sowie Ehemann und Schwiegerfamilie in ihre Betrachtungen ein. Geschickt wird der Eindruck erweckt, dass Elisabeth wirklich neben dem Leser sitzt und erzählt. Als Hörbuch muss das grandios sein! Und genau wie in gesprochenen Erinnerungen wird nicht alles chronologisch erzählt. Manchmal springt sie in ihrem Leben nach vor und dann gibt es einen Gedanken, der sie an ein lange zurück liegendes Ereignis erinnert. Das katapultiert Elisabeth weit in ihre Vergangenheit zurück. Auch die eine oder andere Wiederholung kommt vor, was aber aus meiner Sicht nicht störend ist. Das passiert einfach in der Rückschau auf ein langes Leben.

 

Sprachlich ist der Roman ein Genuss. Nun muss ich mir noch den Vorgänger besorgen

 

Fazit:

 

Gerne gebe ich diese wunderbar erzählten Familien-Saga 5 Sterne.