Rezension

Oscar + Moni = Freunde

Pi mal Daumen -

Pi mal Daumen
von Alina Bronsky

Bewertet mit 3.5 Sternen

Oscar ist hochbegabt und mit seinen sechzehn Jahren sicherlich der Jüngste an der Uni. Schon in der Grundschule wusste er, dass er später einmal Mathematik studieren würde.
Leicht verspätet kommt Moni zur ersten Vorlesung. Mit ihrem schrillen Outfit - roter Kunstlederrock und eine tief ausgeschnittene Bluse im Leopardenmuster, dazu eine gut gefüllte Ikea-Tasche an der Schulter - wirkt sie wie ein Fremdkörper im Vorlesungsraum. Außerdem ist sie deutlich älter als die anderen im Saal. Neben Oscar ist ein Platz frei und damit beginnt eine ungewöhnliche Freundschaft zweier Außenseiter.
Auch wenn Oscar überzeugt ist, dass Moni sowieso bald aufgeben wird, nimmt er sich ihrer an und unterstützt sie bei den Übungsaufgaben. Er betrachtet sie als sein„ Wohltätigkeitsprojekt“, dabei hat der Leser längst bemerkt, dass es sich eher umgekehrt verhält. Denn der weltfremde Oscar ist zwar ein mathematischer Überflieger, hat aber erhebliche Defizite im zwischenmenschlichen Bereich. Freunde hatte er noch nie, außer einem gewissen Mr. Brown, der allerdings nur in Oscars Phantasie existiert. „ Ich war es nicht gewohnt, dass fremde Menschen nach dem Erstkontakt weiter mit mir sprachen. Schon meine erste Reaktion war für mein Gegenüber meist so erschöpfend, dass kein weiterer Bedarf bestand.“ So bilanziert er selbst seine Erfahrungen mit anderen. 
Schwungvoll und mit Humor lässt Alina Bronsky ihre beiden Protagonisten aufeinandertreffen. Da prallen unterschiedlichste Welten zusammen. Hier der autistische Sohn aus gutem Hause, sogar mit Adelstitel, dem die besorgten Eltern schon immer alle Hindernisse aus dem Weg räumten. Dagegen Moni, eine Frau Anfang Fünfzig, die vieles allein schultern muss. Sie kümmert sich nicht nur um ihren ständig brummeligen Ehemann, sondern außerdem um ihre drei Enkelkinder, weil Tochter Püppi mit der Aufgabe völlig überfordert ist. Und obendrein braucht sie noch diverse Nebenjobs, um über die Runden zu kommen. Wie soll da Zeit bleiben für ein so anspruchsvolles Studium? Doch Moni scheint begabt zu sein, das muss Oscar bald neidvoll feststellen. Und außerdem kennt sie einen der Professoren, ausgerechnet den, der Oscars großes Vorbild und Idol ist. 
Moni gibt Oscar viele Fragen auf. Weshalb beginnt Moni in ihrem Alter noch ein Studium und warum versucht sie dies vor ihrer Familie geheimzuhalten? Und vor allem: Woher kennt Moni Professor Johannsen? Er beginnt nachzuforschen.
Erzählt wird das alles aus der Perspektive Oscars, das macht den Roman so besonders. Denn Oscars spezieller Blick auf die Welt sorgt für viele komischen Beobachtungen, Szenen und Dialoge. Anschaulich und witzig zugleich sind auch seine Vergleiche : „ Im Mathestudium mit Schulwissen anzukommen war, als wollte man mit einer Sandkastenschaufel versuchen, einen See auszugraben.“
Moni hat ein großes Herz und sie kümmert sich mit mütterlicher Fürsorge um Oscar. Von ihrer Beziehung profitieren beide. Moni, die bisher von allen unterschätzt wurde, kann zeigen, was in ihr steckt und Oscar lernt den Umgang mit Menschen. „ Es war der Sommer, in dem ich mich dabei ertappte, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben spontan das Pronomen wir aussprach.“. 
Und das Ende lässt Raum für Interpretationen. 
Alina Bronsky hat ihre Charaktere, wie gewohnt, satirisch überspitzt und sie spielt mit vielen Klischees. Nichtsdestotrotz oder gerade deshalb wachsen die Figuren dem Leser ans Herz.
Auch greift der Roman wichtige Fragen auf, so z. B. warum immer noch der soziale Hintergrund bei der Beurteilung von Intelligenz eine Rolle spielt .Und er zeigt, dass es nie zu spät ist für einen Neuanfang.
„ Pi mal Daumen“ ist ein Roman, der bestens unterhält und man muss kein mathematisches Genie sein, um ihn zu genießen.