Rezension

Verlust und Schuldfragen

Schnell leben -

Schnell leben
von Brigitte Giraud

Bewertet mit 4 Sternen

Eine Frau schaut in „Schnell leben“ auf den Verlust. Das Warum schwebt im Raum. Und auch dieses: Was wäre gewesen, wenn?. Auch noch viele Jahre später geistert genau dies durch ihren Kopf. Zutiefst menschlich und auf jeden Fall berührend und sehr intensiv. Man bemerkt diese starke Liebe. Was traurig und schön ist. Aber Brigitte Giraud dringt nicht vollkommen zu mir durch. Normalerweise wäre dies ein Thema, welches mich mitnimmt. Aber hier verbleibe ich etwas distanziert.

Es war ein Motorradunfall mit einer sehr schnellen Maschine. Gefährlich. Definitiv. Dies weiß diese Frau. Dennoch geistert die Frage der Schuld durch ihren Kopf. Was durchaus nachvollziehbar ist. Denn der Verlust von Claude war hart. Er war noch jung. 3 Tage nach dem Unfall zieht die junge Mutter mit ihrem kleinen Sohn in das gemeinsam gekaufte Haus, ein neuer Lebensabschnitt beginnt, doch dieser hätte anders verlaufen müssen. 

Zwanzig Jahre später muss sie genau dieses Haus verkaufen und der Verlust ist nach wie vor da. Er zehrt an der Frau. Die Liebe ist noch stark. Dieser Verkauf des Hauses, das danach dem Erdboden gleich gemacht werden soll, kommt der Frau vor, wie ein nachträglicher Anschlag auf ihren Mann. Ebenso verstehbar. Denn somit hat dies noch weniger Sinn, wenn man dies überhaupt so ausdrücken darf. Aber genau dies trifft die Gefühlslage der Erzählerin. Auch wenn das Wort Sinn bei einem Verlust vielleicht völliger Unsinn ist. Den wo ist da der Sinn? Dennoch sind die Gefühle nachvollziehbar. 

Denn hier muss die Frau ja aktiv werden, selber agieren. Womit eine Schuldfrage angesprochen wird. Die ja sowieso schon da sein wird. Denn sie wird sich immer wieder fragen, hätte sie selbst nicht doch den Unfall von Claude verhindern können. 

In den Gedanken der Erzählerin kommt diese unschöne Situation, ihr Kampf mit diesem Verlust, mit diesem Schmerz zum Vorschein. Berührend und sehr traurig. Dennoch verbleibe ich seltsam am Rande der Geschichte. Liegt es an der Situation? Sicher nicht. Also ist es die Erzählerin. Hier kann ich weder ja noch nein sagen. Die Erzählstimme triggert mich nicht, aber irgendetwas stört mich hier sicher. Denke ich zumindest, auch wenn ich nicht benennen kann, was dies hier genau ist. 

Dieses Buch ist der Prix Goncourt Preisträger von 2022, für mich ist dies nicht so nachvollziehbar, denn von einem Preisträger erwarte ich, dass er mich umhaut, mich anzündet. Und dies geschieht hier nicht. Bei anderen Lesern ist dies sicher anders. Von daher, bitte selbst lesen und sich ein eigenes Urteil zu diesem preisgekrönten Buch bilden.