Rezension

Spannend und vor allen Dingen gruselig

Die Treppe im See - Ronald Malfi

Die Treppe im See
von Ronald Malfi

Bewertet mit 5 Sternen

Der 1977 in den Staaten geborene Autor Ronald Malfi hat bereits in den 90ern zahlreiche Novellen und Kurzgeschichten aus den Bereichen Horror und Thriller veröffentlicht. 
Inzwischen schreibt Malfi auch Romane, die bislang nicht in Deutschland erschienen sind. Einer davon – “Shamrock Alley” wurde 2010 sogar mit einem “Independent Publisher Book Award” für den besten Spannungs-Roman des Jahres ausgezeichnet.
Nun konnte VOODOO PRESS Ronald Malfi für sich gewinnen, so dass auch deutsche Leser in den Genuss seiner Werke kommen.

“Die Treppe im See” erzählt die Story von Travis Glasgow.
Travis ist ein Autor, der die Geister seiner Vergangenheit in seinen Werken verarbeitet. Mehr als einmal versucht er, durch seine Bücher über den Tod seines kleinen Bruders Kyle hinweg zu kommen.  Mit seiner Frau Jodie bezieht er ein Haus in der unmittelbaren Nachbarschaft seines Bruders Adam. Dort beginnt für ihn ein neuer Lebensabschnitt und gleichzeitig eine Zeit voller unheimlicher Begebenheiten und Rätsel. Geheimnisvolle Erscheinungen und Ungereimtheiten über die Vorgeschichte des neuen Hauses lassen Travis nicht ruhen. Also beginnt er, Nachforschungen in die Wege zu leiten, um Geheimnisse zu ergründen und seine eigenen Geister zu vertreiben.

Ronald Malfi ist in den Staaten bereits dafür bekannt, dass seine Charaktere oft am Leben gescheiterte Existenzen sind, die im Laufe der Handlung ihre Abgründe aufarbeiten und bewältigen.

Travis ist ein solcher Charakter. Gekonnt zeichnet Malfi hier das Bild eines innerlich zerrissenen Menschen, der im Begriff ist, die Leichen in seinem Keller an die Oberfläche zu befördern. 
Der Leser begleitet Travis, der seine Geschichte aus der Ich-Perspektive erzählt, auf eine spannende und aufwühlende Reise in die düsteren Geheimnisse einer Kleinstadt.
Das ist sogar so gut gelungen, dass man Travis nicht nur begleitet – man IST Travis. Wir erleben die Story durch seine Augen, wir fühlen den Schmerz, wir haben Angst und wir werden fast wahnsinnig vor Spannung, wenn er des Nachts durch unheimliche Geräusche geweckt wird und sich auf die Suche nach deren Ursache macht.
Ein weiterer detailliert gezeichneter Charakter ist David Dentman, der, obwohl er nur ein Nebencharakter ist, einen großen Eindruck bei mir als Leser hinterlassen hat. Leider darf ich aus Spoilergründen nicht weiter auf ihn eingehen, was sehr schade ist. Dazu kann ich nur sagen: Großartig geschrieben! Man wird wissen, wie ich es meine, wenn man es selber liest.
Der Charakter seiner Frau Jodie ist nur eine Randfigur. Sie dient dazu, den Bezug zur Realität in genau den richtigen Momenten wieder herzustellen. Sie ist der stabile Faktor, der für Momente der Entspannung sorgt.

“Die Treppe im See” hat noch den seltenen Gänsehautfaktor, der vielen zeitgenössischen Mysterythrillern heutzutage leider abgeht. 
Wenn man sich vorstellt, dass man in der Nacht wach wird und fast den Herztod stirbt, weil ein Schatten vor dem Bett steht, der sich später als das eigene Kind herausstellt, das nur Durst hatte, dann beschreibt das in etwa wie es ist, diesen Roman zu lesen. Man steht eigentlich permanent unter Strom, weil der Spannungsbogen an vielen Stellen oftmals bis zum Zerreissen gespannt ist.

Dazu kommt dann noch das Rätsel, das der Story zugrunde liegt. Travis arbeitet sich durch eine komplexe Ermittlung, die den Hobbydetektiv im Leser weckt. Dabei werden wir mehr als nur einmal raffiniert auf eine falsche Fährte gelockt. Das bringt einen letztlich auch dazu, das Buch ab dem letzten Drittel ohne Pause zu verschlingen, weil man die Ungewissheit kaum noch aushält.

Ich muss zugeben, dass mich die Auflösung am Ende überrascht hat. Ich lag bis zum Schluss komplett falsch – Mission geglückt – Leser gekonnt an der Nase herumgeführt.

Den Schreibstil möchte ich als eine Mischung aus einfach und bildhaft beschreiben.
Ronald Malfi erschlägt seine Leser nicht mit ausladenden Metaphern und komplexen Schachtelsätzen. Trotzdem ist hier ein bildhafter Sprachgebrauch gelungen, der im Kopf des Lesers atmosphärische Stimmungen und Eindrücke erzeugen kann.
In meinen Augen ein gelungener Mix aus Unterhaltung und einem gewissen Anspruch.

Fazit:
“Die Treppe im See” ist spannend, unheimlich und intelligent gestrickt – gespickt mit raffiniert eingebauten Finten, die den Leser das eine oder andere Mal auf eine falsche Fährte locken. Ich habe mich ausgezeichnet unterhalten und setze Malfi auf meine Liste favorisierter Autoren.
Sowas von Kaufempfehlung!