Rezension

Ohne Heimat

Als wir Schwäne waren -

Als wir Schwäne waren
von Behzad Karim Khani

Bewertet mit 3.5 Sternen

Widerständig

 

„Als wir Schwäne waren“ ist wohl ein Roman mit autobiographischen Zügen. Der Erzähler kommt als Junge mit seinen Eltern nach Deutschland. Er wächst auf in einer Siedlung in Bochum, aus der immer mehr deutschstämmige Bewohner weg- und in die immer mehr Migranten unterschiedlichster Herkunft zuziehen. Das Leben in diesem Ghetto gestaltet sich als perspektivlos und ist geprägt von Kriminalität und Gewalt. Viele der Bewohner stammen aus einer sozial benachteiligten Schicht, bildungsfern, ohne Aufstiegschancen. Sie verdingen sich als Drogendealer oder Kleinkriminelle, gerieren sich als Halbstarke und mehr als einmal endet ein solches Leben früh und gewaltsam. Die Eltern des Erzählers sind anders. Sie sind studiert, gebildet. Aber auch für sie gibt es kaum Chancen, in der neuen Gesellschaft Fuß zu fassen. Sie versuchen ihren Status zumindest im Privaten zu kultivieren, erfahren von der Gesellschaft aber auch wenig Wertschätzung und Ausgrenzung. Das Weiterkommen scheint ein Privileg der Einheimischen zu sein. Dennoch versuchen sie dem Sohn ein Gefühl von Stolz und Würde zu vermitteln. Dieser steht zwischen beiden Polen. Zum einen zieht er mit den anderen Jugendlichen um die Häuser, dealt mit und hat viele Kontakte zu kriminellen Existenzen. Auf der anderen Seite hält ihn vielleicht sein Elternhaus davon ab, ganz in den Sumpf der Ausweglosigkeit zu rutschen. Er bleibt immer ein wenig der distanzierte Beobachter zum Geschehen.

In seinem Roman schildert Khani dieses Leben durchaus anschaulich und nachvollziehbar. Die Entwurzelung und Heimatlosigkeit des jungen Erzählers, seine Wut auf ein Land, das er sich nicht ausgesucht hat und das ihm und seinen Eltern keine Chance gibt, ist sehr greifbar. Das respektvolle Denkmal, das er seinen Eltern hier setzt, nötigt auch dem Leser einen entsprechenden Respekt ab und ein Gefühl davon, dass das Schicksal, das Menschen nötigt, ihre Heimat zu verlassen und in einem Land zu leben, in das sie eigentlich nicht wollen, ein ungerechtes und grausames ist.

Befremdlich sind bisweilen die ein wenig kryptisch, lebensphilosophischen Zwischentöne, deren Sentenzen und Bilder sich dem Zugriff verweigern. So bleibt mir letztlich auch das Bild der Schwäne diffus. In einem Land werden sie für Zugvögel gehalten, ähnlich dem Schicksal der Migranten dazu genötigt, immer weiter zu ziehen. In Deutschland aber ziehen sie nicht fort, sondern bleiben sie in ihren Gefilden. Ähnlich den Migranten, die aus dem Auffangghetto nicht hinauskommen, weil das Weiter-, das Fortkommen nur etwas für die Deutschen mit ihren Redewendungen ist, für die von nichts nichts kommt, die keine Müdigkeit vorschützen, Nägel mit Köpfen machen und auf das A-Sagen das B-Sagen folgt.

Der Roman ist sicher keine leichte Kost, am Ende ähnlich perspektivlos und desillusionierend wie das Leben im Ghetto. Während die Eltern wenigsten zurückkehren können an ihre heimatlichen Wurzeln, so bleibt dem Erzähler über seine Wut hinaus nur das Fortgehen ohne Ankommen. Was fängt der Leser an mit dieser Wut und dieser Erkenntnis? Soll er damit etwas anfangen? Oder geht es dem Autor mehr um das Loswerden und Luftmachen?