Rezension

Das Leben aus der Perspektive eines Hundes: Zutiefst emotional und berührend!

Timbuktu - Paul Auster

Timbuktu
von Paul Auster

Bewertet mit 4 Sternen

„Timbuktu“ ist ein schön geschriebener Roman mit vielen Emotionen, der einen zum Nachdenken über das Leben anregt. An manchen Stellen ist er ein bisschen zu lang geraten. Man muss kein Hunde- oder Tierfan sein, um das Buch zu mögen. Empfehlenswert vorallem für alle Liebhaber von bisschen ernsteren und traurigeren Romanen. Wer gerne Anekdoten über das Leben liest, die auch gerne etwas ausgefallener sein dürfen, ist hier genau richtig! Ein kleiner Roman mit großer Wirkung. Ein lautes Bellen dafür!

Ein Hund
der stirbt
und der weiß
daß er stirbt
wie ein Hund
und der sagen kann
daß er weiß
daß er stirbt
wie ein Hund
ist ein Mensch

(Definition von Erich Fried)

Dieses Gedicht kam mir beim Lesen von Timbuktu öfters in den Sinn. Denn in dem Roman von Paul Auster geht es vor allem um eins, ums Sterben.

 

Die HANDLUNG: Die Geschichte beginnt an einem verregneten Tag in Baltimore. Mr. Bones ist ein Hund und seinem Herrchen Willy sehr verbunden. Umso trauriger macht es ihn, dass er weiß, dass Willy G. Christmas nicht mehr lange am Leben sein wird. Dieser ist todkrank und hustet jeden Tag mehr. Die beiden sind schon eine Weile in mehreren Städten Amerikas unterwegs auf der Suche nach Willys alter Lehrerin. Diese hatte früh das Schreibpotential von Mr. Bones Herrchen erkannt und ihn immer gefördert, bis sie sich aus den Augen verloren. Der letzte Wunsch Willys ist es, diese Frau noch einmal wiederzusehen. Seine Hoffnungen, sie in Baltimore zu finden, sind groß. Mr. Bones hingegen bereitet sich immer mehr auf ein Leben ohne sein Herrchen vor, auch wenn er sich das nicht vorstellen kann und will. Er weiß, dass das Ende ihres gemeinsamen Weges nah ist und Willy nach Timbuktu, dem Ort nach dem Leben, gehen wird. Ob dort auch Hunde hingehen können, wenn sie sterben? Schneller als gedacht ist Mr. Bones auf sich alleingestellt und lernt neue Dinge über das Leben und den Tod kennen...

 

AUFBAU: Wie schon beschrieben ist das ganze Buch aus Sicht eines Hundes, nämlich Mr. Bones beschrieben. Jedoch erfährt man auch ebenso oft die Gedanken seines Herrchens oder anderen Menschen um ihn herum, denn Mr. Bones ist ein sehr einfühlsames Wesen und weiß viel über das menschliche Leben. Er ist auch sehr klug und wünscht sich sehr oft sprechen oder wenigstens lesen zu können, um besser mit seinem Herrchen Willy kommunizieren zu können. Anfangs erscheint es ungewohnt, ein Buch aus der Sicht eines Tieres zu lesen, doch man gewöhnt sich daran. Besonders, da Mr. Bones’ Gedanken den unseren kaum nachstehen. Oft wird man dann beim Lesen sogar vergessen, dass er ein Hund ist. Das Buch ist nicht lang und hat insgesamt nur fünf Kapitel. Diese gehen, abgesehen vom letzten, jeweils um die 40 Seiten. Die ersten beiden umspannen einen Nachmittag, die letzten ungefähr ein halbes Jahr.

 

MEINE KRITIK: Ich habe das Buch von meiner Oma zu Weihnachten geschenkt bekommen. Normalerweise bin ich immer etwas skeptisch bei Buchgeschenken, die ich mir nicht gewünscht habe, aber da ich ein kurzes Buch zum Lesen für den Weg zur Uni gesucht habe, kam es mir genau richtig! Also begann ich das Buch ganz unvoreingenommen zu lesen...

Paul Auster ist ein sehr bekannter und erfolgreicher Autor. Dieses Buch soll ein bisschen anders sein als seine restlichen Werke. Der größte Unterschied ist wahrscheinlich die Länge. Mit seinen 191 Seiten ist Timbuktu ein ziemlich kurzer Roman. Man könnte ihn fast als Novelle oder englische Short Story bezeichnen.

Eines ist klar Paul Auster kann schreiben: Seine Beschreibungen gefielen mir sehr gut, auch wenn sie mir manchmal zu ausführlich waren. Das ist wahrscheinlich auch der einzige Kritikpunkt an dem Buch: die unnötigen Ausschweifungen! Ich bin eigentlich ein Fan von schön geschriebenen Büchern mit vielen Details und Beschreibungen, aber selbst mir war es an manchen Stellen einfach zu viel. Oft habe ich das Abschweifen verstanden, wenn z.B. im ersten Kapitel Mr. Bones über seine Vergangenheit und die  seines Herrchens Willy berichtet. Viele Anekdoten waren zwar ganz nett und unterhaltsam, aber jedoch völlig unnötig für die Geschichte und im zweiten Kapitel geht es so weiter... Die Kapitel drei bis fünf halten sich hierbei zurück, sie bringen die Handlung voran und sind spannend und gut zu lesen. Jedoch da die ersten zwei Kapitel, die sich zeitlich wie schon erwähnt nur über einen Nachmittag erschrecken, aber 50 % des Buches ausmachen, sind sie eindeutig zu lang geraten! Deswegen fällt es bestimmt vielen schwer, sich in das Buch rein zu lesen, und nicht gelangweilt zu werden. Natürlich verstehe ich, dass es wichtig für den Leser ist Mr. Bones Vorgeschichte zu kennen, um das starke Band zu seinem Herrchen besser verstehen zu können, aber hier hätte man um einiges kürzen können... Insgesamt jedoch ist das Buch wunderschön geschrieben und die letzten Kapitel machen die ersten um einiges wett.

Was das Buch insgesamt lesenswert macht, ist auf jeden Fall die ungewohnte Perspektive. Paul Auster ist zwar nicht der erste Autor, der auf die Idee kommt ein Buch aus der Sicht eines Tieres zu schreiben, jedoch fand ich es erfrischend anders und spannend. Mr. Bones mag zwar oft wie ein Mensch denken, jedoch bleiben seine Handlungen immer die eines Hundes. Somit fiel der Autor nicht in die Falle, das Tier zu sehr zu personifizieren, womit daraus ein Tierkinderbuch geworden wäre. Auch wenn man oft gegen Ende vergisst, das Mr. Bones ein Hund ist. Seine Handlungen machen es einem immer wieder bewusst. So möchte man ihm in manchen Szenen am liebsten zurufen: „Nein, tu das nicht!“ Bis einem auffällt, das er nun mal ein Hund ist und es einfach nicht besser weiß.

Allein dies zeigt schon wie emotional und berührend das Buch ist. Es nimmt einem ganz schön mit. Auch geht es besonders um ein Thema, „den Tod“. Dies zieht sich durch das ganze Buch. Timbuktu steht für den unbekannten Ort, den wir alle mal betreten werden, wenn wir nicht mehr da sind. Jeder hat sich mal um diesen Ort Gedanken gemacht, wieso soll dies nicht auch ein Hund tun. Paul Auster schafft es sich diesem sensiblen Thema behutsam zu nähern ohne kitschig oder zu rational zu werden und lässt viel Spielraum für eigene Vorstellungen und Gedanken über den Tod. Dies ist auch die größte Stärke des Romans, wie er durch die Gedanken eines Hundes, die eigenen Gefühle und Gedanken in Gang bringt.

 

MEIN FAZIT: „Timbuktu“ ist ein schön geschriebener Roman mit vielen Emotionen, der einen zum Nachdenken über das Leben anregt. Die Kürze des Romans tut der Tiefe des Geschehens nichts ab. Einzig manche der Anekdoten sind zu lang geraten, weswegen es wohl manchen schwerfallen wird, über die ersten zwei Kapitel hinauszukommen. Trotzdem bezeichne ich Paul Austers Roman als gelungen. Man muss kein Hunde- oder Tierfan sein, um ihn zu mögen. Die ungewohnte Perspektive unterstreicht das Thema und zeigt hier eine andere Sicht auf die großen Fragen der Menschheit, lenkt aber nie davon ab. Ich empfehle das Buch für alle Liebhaber von bisschen ernsteren und traurigeren Romanen. Wer gerne Anekdoten über das Leben liest, die auch gerne etwas ausgefallener sein dürfen, ist hier genau richtig! Natürlich ist der Tod, der das eigentliche Hauptthema des Romans ist, keine leichte Kost, aber mir gefiel es, sich diesem Thema auf eine andere Weise zu nähern. Ein kleiner Roman mit großer Wirkung. Ein lautes Bellen dafür!