Rezension

Das Leben Mandelas als Gefangener

Mandela - Christo Brand, Barbara Jones

Mandela. Mein Gefangener, mein Freund
von Christo Brand

Bewertet mit 4 Sternen

Cover & Titel
Das Cover des Buchs spricht mich ehrlich gesagt nicht besonders an - ich bin sicher, dass es ausdrucksstärkere Bilder von Mandela gibt. Das Bild passt sicherlich zur letztendlichen Freilassung von Mandela, aber da es in dem Buch hauptsächlich um die Jahre geht, die Mandela im Gefängnis verbracht hat, fände ich beispielsweise ein Bild der Gefängnisinsel Robben Island im Hintergrund und Nelson Mandela im Vordergrund passender. Auch das Foto von Mandela, dass direkt nach Seite 224 abgedruckt ist, finde ich wesentlich ausdrucksstärker, auch wenn dies erst nach seiner Gefangenschaft entstanden ist. Das Buch würde außerdem ansprechender auf mich wirken, wenn die Schriftfarbe des Titels komplett in weiß (oder zumindest einfarbig) gehalten wäre - auch wenn der Gelbton offensichtlich auf Mandelas Krawatte abgestimmt ist.
Den Titel selbst finde ich gut gewählt, der Gegensatz "mein Gefangener" - "mein Freund" weckt definitiv meine Neugier auf mehr.

Erwartungen
Ich muss zugeben, dass ich vor der Lektüre des Buches die Befürchtung hegte, dass es aufgrund des politischen Hintergrunds etwas trocken sein könnte. Die Beschreibung auf der Rückseite des Buches, die eine "berührende Geschichte einer außergewöhnlichen Freundschaft" verspricht, ließ mich jedoch hoffen. Ich war gespannt zu erfahren, wie es zu einer tiefen Freundschaft zwischen Gefängniswärter und Gefangenem kommen konnte.

Inhalt
Christo Brand erzählt seine außergewöhnliche Geschichte: Im Alter von nur 19 Jahren trifft er als Gefängniswärter auf der Gefängnisinsel Robben Island vor Kapstadt auf den im Rivonia-Prozess verurteilten Nelson Mandela und dessen Gefährten. Anschaulich beschreibt er deren Alltag in Gefangenschaft, den Beginn einer ungewöhnlichen Freundschaft und das Fortbestehen dieser Verbindung über das Gefängnis hinaus.

Meinung
Glücklicherweise haben sich meine oben erwähnten Befürchtungen nicht bewahrheitet. Der Schreibstil des Autors ist sehr flüssig, er schildert die Geschehnisse in verständlichen Worten und beschreibt Mandelas Leben als Gefangener sehr anschaulich.
Entsetzt haben mich die unmenschlichen Haftbedingungen gerade im ersten Jahr: Mandela hatte beschränkte Besuchsrechte, d.h. er durfte seine Frau nur einmal im Jahr (!) für eine halbe Stunde (!) sehen, er durfte pro Halbjahr nur einen Brief versenden und selbst empfangen, Kinder unter 16 Jahren durften das Gefängnis nicht betreten. Bei der Arbeit im Steinbruch gab es weder Schutzmasken noch -brillen, die die Gefangenen vor dem Staub schützte. Die Nächte verbrachten die Gefangenen in eiskalten Zellen aus reinem Zement - ohne Heizung - nur auf zwei dünnen Matratzen mit drei Decken; weitere Decken durften von den Wärtern nicht ausgegeben werden.
Trotzdem: Dadurch, dass der Autor viele Gegebenheiten schildert, mit denen er das Leben Mandelas und der anderen Gefangenen aus dem Rivonier-Prozess erleichtern konnte, erscheinen mir die Haftbedingungen - vor allem nach dem Umzug in das Pollsmoor-Gefängnis - weit weniger schlimm, als sie von den Gefangenen wohl tatsächlich wahrgenommen wurden.
Mir ist natürlich klar, dass die Schilderung der vielen kleinen Annehmlichkeiten notwendig ist, um die Entstehung der Freundschaft zu begründen - der Schrecken der jahrzehntelangen Gefangenschaft wird dadurch aber meiner Meinung nach ein wenig verschleiert. Interessant wäre es vermutlich, auch die andere Seite der Geschichte kennenzulernen und Nelson Mandelas Buch "Der lange Weg zur Freiheit" zu lesen.
Ich muss gestehen, dass sich während des Lesens des Öfteren Zweifel bei mir eingeschlichen haben: Ist es tatsächlich möglich, dass Christo Brand Mandela so viel bedeutet hat? Oder war der junge Brand so fasziniert von der Persönlichkeit Mandelas, dass er dessen Freundlichkeit als Freundschaft missgedeutet hat? Meine Zweifel wurden jedoch bald zerstreut. Vor allem das Weiterbestehen der Freundschaft - auch nach Mandelas Freilassung - und Mandelas unermüdliches Interesse an dem Familienleben Brands hat mich davon überzeugt, dass es sich wirklich um eine tiefe Freundschaft gehandelt haben muss.
Die Geschichte selbst wird niemals langweilig, auch wird der Leser nicht mit zu vielen Namen und Daten überfordert, was ich ebenfalls befürchtet hatte.
Etwas schade finde ich, dass die Kapitel keine wirklichen Titel haben, sondern nur mit "Kapitel eins", "Kapitel zwei" etc. überschrieben sind. Es gibt zwar ein Inhaltsverzeichnis der Kapitel, wollte ich aber etwas über die Zeit Mandelas, z.B. im Victor-Verster-Gefängnis nachlesen, müsste ich dennoch durch das Buch blättern, um die entsprechende Stelle zu finden.

Fazit
Ich kann das Buch jedem, der sich für das Thema Apartheid und das Leben Nelson Mandelas in Gefangenschaft interessiert, nur wärmstens empfehlen.
Das Buch gewährt interessante, einmalige Einblicke in das Leben Mandelas und macht Lust darauf, mehr über diesen großartigen Mann zu erfahren.