Rezension

Interessant und macht nachdenklich

Schuld - Ferdinand von Schirach

Schuld
von Ferdinand von Schirach

Bewertet mit 4.5 Sternen

Skeptisch nahm ich dieses Buch zur Hand. Begeistert stellte ich es dann wieder ins Regal.

Schirach stellt hier in kurzen Episoden verschiedene Kriminalfälle aus seiner Karriere als Rechtsanwalt vor. Manchmal geht es um Justizirrtümer, meist darum, dass gesetzliche und moralische Schuld häufig nicht übereinstimmen. Auch die Rechtsprechung bei Mord, die im Grunde noch aus dem Nationalsozialismus stammt, wird deutlich kritisiert.

Mir gefällt ganz gut, dass er manchmal aus der Sicht der Täter oder Opfer schreibt, manchmal aber auch absichtlich distanziert bleibt, wenn die Taten rekonstruiert werden. Die Sprache ist ansprechend und direkt. Sicherlich sind vor allem die Gefühle der ProtagonistInnen teilweise fiktiv, aber ich denke, dass es tatsächlich reale Erfahrungen Schirachs sind, die dahinter stehen. Außerdem enden die Fälle nicht bei einer Verurteilung oder einem Freispruch. Schirach erzählt, was aus den Menschen geworden ist, soweit er es erfahren hat. Der Prozess, das Verbrechen, ist immer nur ein Teil der Lebensläufe.

Die Fälle lassen sich schnell lesen, sind teilweise nur wenige Seiten lang. Aber sie berühren, machen nachdenklich und geben Einblick in die Anatomie von Straftaten, ohne sie unnatürlich nachvollziehbar zu machen. Absolut lesenswert!