Rezension

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Selection 04 - Die Kronprinzessin
von Kiera Cass

Eine erfolgreiche abgeschlossene Trilogie weiterführen? Das ist nicht leicht. Kiera Cass hat es gewagt: Nach den drei Bänden um America, Maxon und Aspen folgt nun die nächste Generation. Prinzessin Eadlyn, sieben Minuten älter als ihr Zwillingsbruder, ist die Kronprinzessin und bereitet sich schon seit mehreren Jahren darauf vor, das Land Illeá zu regieren. Doch obwohl König Maxon das Kastensystem abgeschafft hat, gibt es Unruhe im Volk. "Brot und Spiele" - das kannten schon die alten Römer, und hier läuft es nicht anders: Zur Unterhaltung des Volkes soll nun ein Casting abgehalten werden, bei dem 35 junge Männer um die Liebe von Eadlyn konkurrieren. Nur dass diese überhaupt kein Interesse daran hat, einen Mann zu finden, und sich gar nicht vorstellen kann, dass sie sich verlieben könnte...

Nett finde ich die Idee eines Castings mit umgekehrten Vorzeichen: Eine Frau wählt unter vielen Männern. Weniger nett: Die Hauptperson ist unsympathisch - egozentrisch, eingebildet, machtbesessen. Natürlich hat sie auch andere Seiten; sie ist verletzlich und absolut unsicher, was Beziehungen anbetrifft. Ein solcher Charakter überrascht: Auch wenn sich Eadlyn ihrer Stellung sehr bewusst ist, hätte man doch bei einer Erziehung durch zwei so liebevolle und einfühlsame Elternteile keine solche Unfähigkeit erwartet, andere Menschen als Person wahrzunehmen, sie zu respektieren und eine Beziehung zu ihnen aufzunehmen. Das überzeugt mich nicht. Offensichtlich soll die neue Serie dann so nach und nach Eadlyns Verwandlung darstellen; ich bin etwas skeptisch, ob Cass das psychologisch glaubwürdig gelingen kann. Bisher haben wir also eine junge Frau, die am liebsten auf High Heels und mit Diadem herumspaziert, das mächtigste Land der Welt regiert (das klang in den ersten drei Bänden noch völlig anders!) und so ganz nebenher zur Entspannung atemberaubende Kleider entwirft. Auch die jungen Männer haben Talente, doch wir erfahren viel zu wenig von ihnen, denn Eadlyn kann sich nicht wirklich auf sie einlassen. Aus der Menge hervor stechen zum einen Kile, der Sohn von Americas Freundin Marlee, den Eadlyn schon seit Kindheit kennt und nicht mag, und Eikko, der nur als Dolmetscher teilnimmt und gar nicht zum Kandidatenkreis gehört. Der berechnende Ean, der "süße" Henri, Hale, Fox und wie sie alle heißen bleiben eher im Hintergrund und sind wohl kaum als Bewerber ernst zu nehmen, sonst hätte Cass sie anders einführen müssen. Interessant ist die Zofe Neena - welche Motive bewegen sie?

Wie in den ersten drei Bänden kommt der gesellschaftspolitische Hintergrund kaum zum Tragen. In den Bänden um America brachten die Rebellen nur die nötige action, aber es hat mir gefehlt, dass deutlich wird, wie sehr das System die Entwicklung der Charaktere beeinflusst - das ist in der Panem- und noch mehr in der Eleria-Trilogie ganz anders gelungen. Auch das Bild eines Königs finde ich unrealistisch. Zugegeben: Ich kenne mich damit nicht aus, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass eine 18-jährige, die sich gegen Berater wehrt, Regierungsgeschäfte führen kann, und das soll sie schon mit 13, also als Teenager begonnen haben. Nun ja, Realismus ist hier wohl gar nicht beabsichtigt; das Ganze soll wohl eher ein schönes Märchen sein. Nun denn, erwarten wir die märchenhafte Entwicklung von Eadlyns Charakter.