Rezension

Eine ganz besondere Geschichte, die niemals an Glanz verliert

Just Listen - Sarah Dessen

Just Listen
von Sarah Dessen

Bewertet mit 5 Sternen

Annabel Greene ist seit frühester Kindheit Model. Viele Mädchen bewundern sie und würden nur zu gern mit ihr tauschen, da sie alles zu haben scheint, was man sich nur wünschen kann. Dass dies aber nicht der Fall ist, weiß leider nur sie selbst, da sie keinerlei Freunde hat und auf ihre Familie eher Rücksicht nehmen muss, als von ihr Rückhalt und Geborgenheit erwarten zu können. Auch das Selbstbewusstsein ist für ein Model ziemlich klein, wodurch es ihr auch schwer fällt, neue Kontakte zu knüpfen. Erschwert wird das Ganze noch dadurch, dass ihre ehemals beste Freundin, Sophie, ein gemeines Gerücht über sie in die Welt gesetzt hat, welches jeder sofort glaubt. Annabel selbst unternimmt allerdings auch nichts dagegen, um die Lügen aus der Welt zu schaffen, da ihr und ihrer Familie ein solches Verhalten fremd ist. Doch plötzlich begegnet sie Owen, welcher aufgrund eines Anti-Aggressionstrainings gelernt hat, immer die Wahrheit zu sagen. Endlich scheint sie jemanden gefunden zu haben, dem sie bedingungslos vertrauen kann. Wie wird sie diese neue Bekanntschaft verändern?

Dieses Buch war das erste Buch, das ich von Sarah Dessen je las. Inzwischen habe ich das Buch schon mehrmals gelesen, weil es zu meinen absoluten Lieblingsbüchern gehört. Das liegt nicht zuletzt an der Geschichte selbst, sondern auch an dem genialen Schreibstil der Autorin. Aus jedem ihrer Bücher kann man unendlich viel lernen, wenn man es nur möchte. Wie man sich denken kann, spielt in dieser Geschichte das Thema Zuhören eine große Rolle und zwar in allen möglichen Formen: mal geht es um Musik, mal darum gewisse Untertöne in Gesprächen herauszuhören und mal halt wirklich, einfach neutral zuzuhören, ohne sofort jemanden zu verurteilen. Gerade in Bezug auf die Kommunikation kann man von diesem Buch sehr profitieren, weil hier fundamentale Fehler der Unterhaltungstechniken aufgegriffen und erörtert werden. Dies passiert aber nie belehrend, sondern immer nur so "nebenbei", wodurch man während einer wunderschönen Lektüre ganz nebenbei etwas Sinnvolles für das Leben dazu lernt. Auch wenn ich dieses Buch seit Jahren nicht mehr gelesen habe, sind Worte wie "Platzhalter" fest in mein Wortschatz übergegangen und sind aus diesem auch nicht mehr wegzudenken. Es ist enorm, was für ein Einfluss dieses Buch auf mein Leben hat und hatte.

Annabel ist ein Mädchen, welches mir von Anfang an sympathisch war. Sie hat Ecken und Kanten, was sie auch weiß. Sie idealisiert sich nicht, aber sieht sich auch nicht zu kritisch. Sehr besonders fand ich es, wie in dieser Geschichte auch auf ihr Umfeld eingegangen wird. Immer wieder gibt es Passagen, in denen sie sich selbst in den Hintergrund rückt und nur über ihre Familie berichtet. Auf diese Art und Weise können viele Probleme aufgegriffen werden, ohne, dass es sofort "zu viel" wirkt. Nie hatte ich das Gefühl, dass die Autorin sich hier mit den ganzen Handlungssträngen überfordert. Jedes Thema, das aufgegriffen wurde, wurde auch würdig behandelt. Glücklicherweise wurde nie nur an der Oberfläche gekratzt, was eine Eigenschaft ist, die ich gar nicht ertragen kann. Dieses Buch ist so tiefsinnig und bewegend, dass man sich nur schwer davon lösen kann. Man versinkt in der Welt von Annabel und wünscht ihr nur das Beste, weil man nicht begreifen kann, wie einem Menschen so viel Leid widerfahren kann. Sie ist ein perfektes Beispiel für das Leben eines jeden Mädchens, das versucht, zu sich selbst zu finden, und aufgrund der vielen Probleme immer wieder daran scheitert. Natürlich sind die wenigsten Mädchen Models, aber hier darf man nicht vergessen, dass sie nur für Kaufhäuser oder Ähnliches jobbt, also nicht unbedingt etwas, worauf man sich so viel einbilden könnte.

Vor allem die Darstellung von Selbst- und Fremdwahrnehmung hat mir sehr gut gefallen. Dies gelingt der Autorin, ohne die Perspektiven zu wechseln, was ich sehr wichtig empfand. So konzentrierte man sich als Leser vollständig auf Annabels Gefühle und Gedanken, die sich aber häufig auch um ihre Mitmenschen drehten. Man beginnt, das eigene Verhalten und Handeln sowie die eigene Wirkung auf andere zu hinterfragen, wodurch es bei diesem Buch automatisch zu einer Selbstreflexion kommt.

Natürlich ist Annabel in diesem Buch die Hauptfigur, aber da auf die anderen Figuren so genau eingegangen wird, fühlte ich mich auch diesen sehr verbunden. Mit vielen konnte ich mich identifizieren und mit anderen eher weniger, aber bei diesen wusste ich, dass es solche Menschen eben leider auch zu Genüge in der Realität gibt. Dennoch konnte ich bei jeder Person das Handeln nachvollziehen, weil es einfach menschlich ist. Gerade diese realistischen Schilderungen und Charaktereigenschaften waren für mich ein absolutes Highlight in diesem Buch, weil sie es so authentisch machten.

"Denn im Grunde ging es genau darum: Früher einmal war der Unterschied zwischen hell und dunkel vollkommen klar gewesen. Das eine war eben gut, das andere schlecht. Doch nun lagen die Dinge nicht mehr so eindeutig. Zwar blieb das Dunkle geheimnisvoll, etwas, vor dem man Angst hatte, weil es Unbekanntes in sich verbergen mochte. Aber mittlerweile hatte ich gelernt, auch das Licht zu fürchten. Es legte alles offen oder erweckte zumindest diesen Anschein. Wenn ich die Augen schloss, sah ich die Schwärze, die mich permanent an diese eine Erinnerung, an mein tiefstes Geheimnis, erinnerte. Hatte ich die Augen jedoch geöffnet, erstreckte sich vor mir nichts als die Welt, die nach wie vor nichts davon ahnte. Sie war hell erleuchtet, man konnte ihr nicht entrinnen und aus irgendeinem Grund existierte sie einfach weiter." (S. 340)

Besonders die Entwicklung von Annabel finde ich wahnsinnig gut beschrieben. Durch Owen verändert sie sich zu einem ganz neuen Menschen. An dieser Geschichte sieht man wirklich, wie viel ein einziger Mensch im Leben doch verändern kann. Wer jetzt befürchtet, dass es mit Owen total kitschig wird und es sich nur noch um eine vermeintliche Liebe geht, den kann ich beruhigen. Gerade durch Owen bekommt dieses Buch erst diese tiefsinnige und nachdenklich stimmende Note. Für mich war Owen allgemein etwas ganz Besonderes, weil ich in der Realität leider keinen Menschen kenne, der so drauf ist. Er selbst wird von den meisten geächtet, obwohl er eigentlich ein Mensch ist, den sich jeder an seiner Seite, egal ob jetzt als Partner oder Kumpel, wünschen würde. Dadurch bekommt das Buch auch noch eine gewisse Gesellschaftskritik.

Alles in allem kann ich dieses Buch nur jedem ans Herz legen. Ich habe es jetzt schon so oft gelesen und bekomme immer noch nicht genug davon. Jedes Mal fallen mir neue und wichtige Details auf und merke, wie ich mich immer mehr mit den Figuren identifizieren kann. Dieses Buch fesselt mich jedes Mal aufs Neue, weshalb ich es auch immer wieder verschlinge, auch wenn ich die Geschichte eigentlich schon in- und auswendig kenne.
Jeder Charakter in dieser Geschichte ist etwas ganz Besonderes, der einen inspiriert, da man seine Fehler, aber auch seine positiven Seiten erkennt. Sarah Dessen weiß, wie man die Grautöne zum Strahlen bringt und wie man das reale Leben auf wunderschöne Art und Weise beschreibt. Hoffentlich schreibt diese Autorin noch viele weitere tolle Bücher, denn dieses Buch gehört mit absoluter Sicherheit zum meinen Lieblingsbüchern!