Rezension

Sehr gelungen!

Terror - Ferdinand von Schirach

Terror
von Ferdinand von Schirach

Bewertet mit 5 Sternen

"Menschen sind keine Gegenstände. Das Leben kann nicht in Zahlen gemessen werden, es ist kein Markt.“ S. 121
 

Ferdinand von Schirachs neues Werk, welches nicht als Roman, sondern als Theaterstück inszeniert wurde ist hochaktuell und sicherlich auch für den zukünftigen Blick der Gesellschaft sehr wichtig. Wie gewohnt nimmt sich der Autor ein Thema zu Herzen, welches polarisiert und über welches man sich kaum einig werden kann. Schuld und Unschuld stehen stets im Wechsel und eine eindeutige Antwort zu finden ist beinahe unmöglich. So liest man das Stück mit ständigen Abwägungen und der ständigen Frage: „Wie steht man selbst dem möglichen Urteil des Angeklagten gegenüber?“. Gekonnt lässt der Autor den Leser immer wieder jegliche Szenarien durchspielen und bringt einen dazu, dankbar zu sein, nicht in solch einer Situation festzustecken. Dennoch denke ich ist es sehr wichtig, sich dessen bewusst zu sein, dass das Szenario kein unmögliches ist und man sich fragen sollte, wie und ob überhaupt ein Abwägen von Leben gerechtfertigt sein kann. Mir gefiel an Schirachs Stück vor allem die Präzision, mit welcher er sein Anliegen darlegt. Es gibt keine unnötigen Ausflüchte in andere Themengebiete. Das Stück ist nicht sehr lang und beinhaltet dennoch die wichtigsten Komponenten um den Leser komplett in einem Gedankenkarussel gefangen zu nehmen.

 

"Auch wenn es schwer zu ertragen ist,  müssen wir doch akzeptieren, dass unser Recht offenbar nicht in der Lage ist, jedes moralische Problem widerspruchsfrei zu lösen." S. 144

 

Das Stück spitzt sich zum Ende hin immer weiter zu, sodass man gespannt ist, wie das "Problem" überhaupt gelöst wird. Ich finde die Alternativmöglichkeit von beiden Urteilen, sprich, "Unschuldig" gegen "Schuldig" in das Buch aufzunehmen ebenfalls sehr gelungen. So wie ich das verstanden habe, ist es ursprünglich darauf ausgelegt, dass das Publikum, welches das Theaterstück sieht, ein Urteil fällen muss. Beim Leser ist dies natürlich nicht eins zu eins umsetzbar. Dennoch eignet sich das Stück mit den beiden Enden ebenso gut als Buch. Ich persönlich hatte natürlich auch eine Tendenz, welchem Uretil ich zugestimmt hätte, wobei mich eine Frage immer wieder am meisten interessiert hat. Diese Frage wird in dem Buch ebenfalls thematisiert undzwar: "Warum wurde der Befehl für die Räumung des Stadions nicht erteilt?". Genau diese Frage war es dann schließlich auch, die dem Leser das Gefühl gibt einen diplomatischen Ausweg zu finden ohne die Frage der Schuld selbst beantworten zu müssen. Natürlich ist dies sehr vereinfacht gedacht. Aber Schirachs Werke sind für mich stets so "knifflig" und können sehr strittig ausgelegt werden, dass man erleichtert ist, dass man selbst keine solch große Verantwortung treffen muss. Die vorkommenden Charaktere sind demnach sehr speziell und genau auf deren "Rolle" zugeschnitten. Sie haben ihre charakteristischen Züge und unterstützen somit die Direktheit und die Zugespitztheit, die das Stück benötigt.
 

"[…] [U]nd die Warnung Benjamin Franklins gilt heute mehr als zu seiner Zeit: ´Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren." S. 164

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Ein sehr gelungenes Stück, welches als Buch ebenso tauglich ist. Das Thema ist keineswegs ein einfaches, bei dem klare Grenzen gezogen werden könnnen. Der Leser wird beinahe durchgehend dazu aufgefordert jegliche Szenarien selbst durchzuspielen und aktiv an der Urteilsfindung teilzunehmen. Ein Buch das ich jedem ans Herz lege. Ein weiterer Pluspunkt: Die kurze Rede, die zur Verleihung des M100- Sanssouci Medien Preises an Charlie Hebdo gehalten wurde.