Rezension

Grenzterror

Grenzterror - Thomas Stein

Grenzterror
von Thomas Stein

Thomas Stein, „Grenzterror“, ist unter der ISBN: 9783741284199, Verlag BoD Norderstedt, im Buchhandel erhältlich.

Im Unrechtsstaat DDR hätte dieses Buch niemals gedruckt werden können. Im Rechtsstaat BRD besteht die Möglichkeit, es auf Antrag von Dr. Merkel, Dr. Gysi oder Dr. de Maiziere, im Wege der Einstweiligen Anordnung verbieten zu lassen.

Im Zentrum des Buches steht die 4½ jährige DDR Haft des Thomas S. Eine sehr persönliche Geschichte.

1972 versucht er mit 15 in den Westen abzuhauen, wird zu Jugendhaus verurteilt und im Gefängnis vergewaltigt.

1976 sperrt ihn die Stasi wegen Republikflucht und Grenzterror ein. Auf GRENZTERROR stand in der DDR die Todesstrafe!

In der fiktiven Rahmenhandlung erregt sich der Autor über die „GEZ-Abzocke“. Ab 2013 ist jeder Bürger verpflichtet den Beitrag zu zahlen, selbst wenn er Funk und Fernsehen verweigert. Ist das nicht so, als müssten alle Hundesteuer entrichten, auch diejenigen, die keinen Vierbeiner besitzen?

Er taucht in die Nacht des 13.10.1977 ein. Beamte finden in Stammheim Jan Karl Raspe auf dem Bett, röchelnden an die Wand gelehnt. Selbstmord?

War die Pfarrerstochter aus der Uckermark 2002 wirklich ein „Buschzäpfchen“, oder einfach nur ziemlich clever? „Wir ziehen an der Seite der USA in den Krieg, indem wir den trügerischen Frieden der Gegenwart durch einen Krieg in einen wirklichen Frieden der Zukunft verwandeln“. Nach Meinung des Autors spielte der „Auftritt Angies“ in den Medien der USA Kanzler Schröder mehr in die Hände, als die Flutkatastrophe.

Blättern sie in diesem Buch mit dem Bischof von Jerusalem die Bibel durch und wundern sie sich über einige ihrer Widersprüche. Erfahren sie mehr über den Antijudaisten Luther und wie man eine Ehe katholisch wirksam annulliert. Löst die Künstliche Intelligenz den Menschen als Krone der Schöpfung ab? Sind dann nicht mehr Gene, sondern Programme wahres Leben, dessen Substrat der Siliziumchip und nicht die Aminosäure ist?

Ein spannend zu lesendes, manchmal bis an die Grenze des Erträglichen reichendes Zeitzeugen Dokument. Die 620 Seiten, 200.280 Worte, 93 Ablichtungen, sind Autobiographie und Roman in einem.“

Kommentare

bulbuster kommentierte am 28. September 2016 um 01:26

Nicht unbedingt ein Thema, dass heute viele interessiert, aber wer etwas über die Zustände im DDR Strafvollzug erfahren möchte, dem kann ich dieses Buch empfehlen.

bulbuster kommentierte am 28. September 2016 um 21:57

Weitere 14 Tage gingen ins Land. Das Essen blieb schlecht, obwohl der Teller mit den fauligen Kartoffeln eine Ausnahme war. Dann passierte innerhalb von zwei Tagen alles auf einmal. Nach einer gründlichen ärztlichen Untersuchung bekamen wir in der Kammer unsere Zivilsachen und ein Major des MfS übergab jedem die Urkunde, mit der die Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR wirksam wurde. Meine Urkunde war schon vor einer Woche ausgefertigt worden. Des Weiteren bekam jeder einen Entlassungsschein mit Passfoto. Der Major ermahnte mich, mit den Dokumenten pfleglich umzugehen, da ich über keine weiteren Personaldokumente verfüge.
Auf der Zelle durchsuchte ich meine Jacke so sorgfältig wie nur möglich, aber auch nach gründlichster Untersuchung des Kleidungsstückes stand leider fest, dass Etikett mit der Aufschrift MfS war verschwunden. Scheiß der Hund drauf! Die letzte Nacht im Osten schlief kaum einer von uns. Nach dem Frühstück vergingen noch einmal drei Stunden und dann hörte ich das letzte Mal in einer Haftanstalt des MfS das Wort: Kommen sie!
Über zwei Treppen wurden wir in den Gefängnishof vor der Schleuse geführt. Ich hatte nur meine dünne Jacke an und fröstelte ein wenig. Der Himmel war bewölkt und die Temperatur betrug höchstens 12 Grad. Auf dem Hof stand bereits ein Bus von Magirus Deutz, älteren Baujahres. Das Fahrzeug hatte ein Ostkennzeichen. Wahrscheinlich war ich außer dem Agenten, der mir zuzwinkerte, als ich mir das Nummernschild einprägte, der Einzige, der darauf achtgab. Der Fahrer erklärte mir später in Gießen, wo sich am Bus seltsamerweise ein Westkennzeichen befand, dass ich das Ostnummernschild eigentlich gar nicht hätte sehen dürfen, weil es nach der Einfahrt in das Gefängnis über eine Hebelanlage umgedreht wird. Er hatte es vergessen und vom MfS war es auch übersehen worden. Irgendwann wird irgendetwas immer mal vergessen oder übersehen.
Wesentlich moderner erschien mir dagegen der fette Mercedes Benz, der vor dem Bus stand. Er war so geparkt, dass ich die Kennzeichen nicht erkennen konnte. Daraus entstieg ein älterer Herr, im Loden-mantel, westlich gekleidet, der sich mit Dr. Vogel vorstellte. In der Tür des Busses hielt er eine kurze Ansprache: Meine Herren, was hinter Ihnen liegt, war bestimmt nicht einfach, aber enthalten Sie sich drüben bitte jeglicher Äußerungen gegenüber der West Presse, geben Sie am besten keine Interviews und verfassen Sie keine Hetzartikel. Schweigen Sie über alles, was sie hier gesehen haben, dies liegt im Interesse derer, die noch darauf warten in den Westen übersiedeln zu können. Vergessen Sie möglichst rasch was Sie erleben mussten und fangen Sie ein neues Leben an. Es werden jetzt gleich die Frauen in den Bus steigen. Auch wenn sie sich jahrelang nicht, oder nur besuchsweise sehen durften, heben Sie sich die Freude des Wiedersehens bis nach dem Grenzübertritt auf. Wenn der Bus durch die Grenzübergangsstelle fährt, bleiben Sie bitte auf ihren Plätzen sitzen und enthalten Sie sich jeglicher Provokationen. Es ist schon vorgekommen, dass ein Bus angehalten und zurückgeschickt worden ist. Die Fahrt dauert etwa 2½ Stunden, verhalten sie sich ruhig!
Der Osten war nicht gerade Farbenfroh, sondern eher grau, wie die Landschaft um diese Jahreszeit. Die Wiesen und Felder zeigten Ende April, in der Mitte des Frühlings, aber schon grüne Knospen. In einigen Wochen würde alles grün sein und blühen. Wenige Kilometer noch und ich war der Hölle entronnen. Diese Fahrt würde immer die schönste meines Lebens bleiben. Die Freiheit war zum Greifen nah. Ein Blick zum Himmel verhieß nichts Gutes. Die Wolken wurden dichter und obwohl es noch nicht nach Niederschlag aussah dachte ich: Hoffentlich regnet es jetzt nicht. Was hätte wohl Leutnant K. gesagt, wenn es jetzt wie aus Kübeln schüttet: Sehen sie, Strafgefangener Stein, sie verlassen die Deutsche Demokratische Republik, und sogar der Himmel weint! Ich saß in einem Reisebus, den Entlassungsschein in der Tasche, der Osten lag beinahe hinter mir, und Leutnant K. fuhr in meinem Kopf mit. Würde ich ihn jemals loswerden? Ich wusste es nicht, aber ich hätte ihm in Brandenburg mit den Worten meines alten Lehrmeisters geantwortet: Ja, Herr Leutnant, Freudentränen!

bulbuster kommentierte am 30. September 2019 um 18:24

In dem Buch Grenzterror findet sich in der Rahmenhandlung auch Nachstehendes...kürzlich recht scharf kritisiert. Zu Recht?

Über die Physikerin Dr. Merkel wusste ich, dass sie vor vier Tagen 60 geworden und mit irgendeinem Professor verheiratet war. Den Namen Merkel verdankt sie ihrem ersten Ehemann, den sie sehr geliebt haben muß, denn sie hätte ja nach der Ehescheidung ihren Mädchennamen „Kasner“ wieder annehmen können. Natürlich war sie in der FDJ. Ob sie als Funktionärin nur für Kultur verantwortlich zeichnete, oder für Agitation und Propaganda, wie einige Zeitungen geschrieben hatten, war für mich nicht wichtig. Möglicherweise hat sie ja auch nur die Wandzeitung gestaltet. In jedem Fall war sie Funktionärin und das machte sie mir unsympathisch. Eine gegen die DDR eingestellte Pfarrerstochter hätte allerdings auch weder studieren, noch promovieren können. Ich erinnerte mich noch sehr gut daran, dass sie zehn Tage vor der Bundestagswahl 2002 vor der US Regierung eine Rede hielt, die sie durch mehrere Beiträge in amerikanischen Tageszeitungen vorbereitete. Aufgrund ihrer Äußerungen wurde sie von deutschen Medien und Politikern als „Buschzäpfchen“ bezeichnet, deren „beispiellose Peinlichkeit Ausdruck einer liebedienerischen Haltung, ja einem Bückling, gegenüber der USA sei“. Damit falle sie hunderttausenden Friedensdemonstranten in den Rücken. Von geschmackloser Anbiederei war die Rede und dass sich Klassenstreber seit jeher durch Feigheit und Opportunismus auszeichnen. Sie würde die eigene Regierung im Ausland diffamieren und dem Ansehen Deutschlands schweren Schaden zufügen. Was hatte sie gesagt? Acht europäische Staaten brachten gegenüber der USA ihrer Ergebenheit zum Ausdruck. Sie hätte das für die BRD auch gerne getan. Es sollte keine Blockade zur Militärhilfe für die Türkei geben, da dies die Legitimität der Nato untergrabe. Schröder war da anderer Meinung. Er hatte auch sein Nein zu einer Beteiligung der Bundeswehr am bevorstehenden Irakkrieg unter Federführung der USA deutlich ausgesprochen. Merkel hielt dagegen: Es darf keinen deutschen Sonderweg geben. Die Gefahr durch den Irak sei real und deshalb müsse man mit den USA zusammenarbeiten. Militärische Gewalt sei zwar ein letztes Mittel mit Diktatoren umzugehen, dürfe aber nicht in Frage gestellt werden. „Verantwortliche politische Führung darf niemals den wirklichen Frieden der Zukunft gegen den trügerischen Frieden der Gegenwart eintauschen“. Mit anderen Worten: Wir ziehen an der Seite der USA in den Krieg, indem wir den trügerischen Frieden der Gegenwart durch einen Krieg in einen wirklichen Frieden der Zukunft verwandeln. Ich nannte sie damals auch „Buschzäpfen“ und hielt die Frau für bescheuert.

Naja, so denken eben FDJlerinnen! Sie hätte bei der Kulturarbeit oder der Wandzeitung bleiben sollen. Günther war völlig überdreht. Genau, das habe ich auch gedacht. Die ist bekloppt! Aber heute weiß ich, dass sie das alles geplant hat. Eiskalt die Frau, Physikerin durch und durch! Von Günther, der sich mit der Biographie von Merkel intensiv beschäftigt hatte, erfuhr ich dann, was ich noch nicht wusste. Merkel war in der Wendezeit dem letzten Ministerpräsidenten der DDR, Lothar de Maizière aufgefallen. 1990 errang Merkel, von de Maizière, der sie später Kohl weiterempfahl, gefördert, ihr erstes Bundestagsmandat. Kohl machte sie 1991 zuerst zur Bundesministerin für Frauen und 1994 zur Umweltministerin. Von 1998 an war sie Generalsekretärin der CDU und ab 2000 Bundesvorsitzende. Sie war es, die maßgeblich zum Sturz ihres Ziehvaters, Helmut Kohl, der durch die Spendenaffäre angeschlagen war,  beigetragen hatte. Im Jahr 1999 schrieb sie in der FAZ, dass sich die Partei zutrauen müsse, in Zukunft auch ohne ihr altes Schlachtross Helmut Kohl den Kampf mit dem politischen Gegner aufzunehmen. Der Andenpakt, ein Männerbündnis noch aus den guten alten Zeiten der Jungen Union, dem Günther Oettinger, Roland Koch, Christian Wulff, Friedbert Pflüger, Friedrich Merz, Franz Josef Jung und Matthias Wissmann, angehörten, war was Intrigen angeht, nicht gerade zart besaitet, aber den Ziehvater gegen das Schienenbein treten, das schickte sich nicht. Sie verhinderten erfolgreich Merkels Kanzlerkandidatur zugunsten von Edmund Stoiber. Merkel erkannte messerscharf, dass sie gegen diese geballte Kraft nichts ausrichten konnte und trat zugunsten Stoibers zurück. Damit sicherte sie sich ihre spätere eigene Kanzlerkandidatur. Das legendäre Frühstück von Wolfratshausen mit Stoiber zeigte, wie clever sie vorging.

Merkel forderte für den Fall des Wahlsieges von Stoiber zwar kein Ministeramt, aber Parteivorsitzende wolle sie unbedingt werden und im Falle der Niederlage strebe sie den Fraktionssitz an. Stoiber sicherte ihr seine Unterstützung zu. Der Wahlausgang am 22.09.2002 war denkbar knapp. In den Umfragen lag die Union über lange Strecken vorne und am Wahlabend mit jeweils 38,5 % gleichauf. Nicht nur die Flutkatastrophe hatte Schröder in die Hände gespielt. Der Auftritt des „Buschzäpfchens“ in den USA war wesentlich bedeutsamer. Welcher Deutsche wollte an der Seite der USA in den Irak-Krieg ziehen? Nicht einmal die alten Rentner, die an ihren Stammtischen die Schlachten von Stalingrad und am Kursker Bogen zum hundertsten Mal erneut schlugen und „General Winter“ und nicht den wahnsinnigen „GröFaz“, den größten Feldherren aller Zeiten und seine Paladine aus Wirtschaft und Militär für den verlorenen 2. Weltkrieg verantwortlich machten, wollten wieder Krieg. Kein schöner Anblick, wenn die eigenen Söhne oder Enkel in Zinksärgen nach Hause kommen. Also gewann Schröder und Stoiber verlor. Was wäre geschehen, wenn Stoiber gewonnen hätte? Er gehörte zwar nicht dem Andenpakt an, aber als Wadenbeißer von Franz Josef Strauß hatte er verinnerlicht, was Loyalität gegenüber dem Ziehvater bedeutet. Er hätte Merkel nie verziehen, dass sie zu Kohls Sturz maßgeblich beigetragen hatte. Parteivorsitzende? Fraktionssitz? Das hätte sie sich abschminken können. Sie wäre in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Nach seiner Niederlage wollte Stoiber kein schlechter Verlierer sein. Er hielt sich an die Zusage, die er Merkel beim Frühstück in Wolfratshausen gegeben hatte. Friedrich Merz, der Schäuble im Fraktionsvorsitz ablöste, trat gegen Merkel an und verlor. Stoiber unterstützte Merkel. Bei der folgenden Bundestagswahl trat sie unangefochten als Kanzlerkandidatin an und löste Schröder, der es erst gar nicht fassen konnte, ab. Günther schlug sich auf die Schenkel und lachte. Hast du den Schröder am Wahlabend in der Glotze gesehen? Ich schüttelte den Kopf. Er würde ja eigentlich auch das Fernsehen meiden, aber das wollte er sich dann doch nicht entgehen lassen. Die Droge, die der intus hatte, die hätte er hier auch gerne! Wie ging es denn nun mit Merkel weiter, fragte ich. Nun, 2004 verhindert Merkel die Kandidatur Schäubles zum Bundespräsidenten. Laurenz Meyer ersetzte sie zunächst durch Roland Koch und widmete sich danach einem nach dem anderen aus dem Andenpakt, dem gegen Merkel agierenden Männerbündnis. Auch Koch kam dran. Alle verschwanden ausnahmslos in der Versenkung.

Eine eiskalte Politikerin, die Machiavelli nicht nur gelesen, sondern verstanden hat: „Wer seine Ziele ernst nimmt, der muss sich auch die Macht verschaffen wollen, sie durchzusetzen“. Günther sah mich müde an, Nina Hagen und ich klatschten und Günther zog sich in seine Kemenate zurück.

bulbuster kommentierte am 20. Mai 2021 um 18:06

Grenzerfahrung Berlin Mitte als 15 Jähriger Schüler der 8. Klasse POS:

Die S-Bahn Richtung Bahnhof Zoo, in der die bereits kontrollierten und für reisewürdig befundenen Menschen saßen um in das NSA, das „Nicht Sozialistische Ausland“, also in diesem Fall nach Westberlin zu reisen, fuhr dann über die Brücke am ehemaligen Schiffbauerdamm. Die Strecke führte kurvig weiter, neigte sich zudem stark nach rechts und die Geschwindigkeit wurde auf Schritttempo heruntergefahren. Auf einer Signalanlage mit Laufsteg stand ein Postenhaus, in dem zwei Grenzsoldaten die Gleise beobachteten, aber bei Nebel konnten die, trotz ihrer Ferngläser, nicht allzu weit sehen. Die Hoftür durfte man nur mit einem kräftigen Stoß öffnen, sonst quietschte sie ziemlich laut. In der Aufregung hatte Norbert das vergessen und so gab es beim Verlassen des Hofes etwas Lärm, der bestimmt nicht unbemerkt geblieben war. Richtig problematisch gestaltete sich der Leitertransport. Wir wollten in dem Hausflur kein Licht machen und im Dunkeln mit der Leiter nirgendwo anzuecken war schwierig. Die Zeit wurde knapp, aber wir schafften es. Im Laufschritt hetzten wir mit der schweren Holzleiter bis zu unserem Hausflur. Die Hoftür quietschte so furchtbar, dass ich dachte, das ganze Haus wacht auf. Nun gab es kein Zurück. Es machte auch keinen Sinn mehr Geräusche zu vermeiden. Ich richtete die Leiter auf und es zeigte sich, dass sie zu kurz war. Da stand ich nun mit offenem Mund, die Leiter hilflos in beiden Händen haltend, schaute ungläubig vom Ende der Leiter zum Stalinrasen hinauf und war wie gelähmt, vollkommen unfähig etwas zu tun. Das einzige was mir einfiel, war die Leiter anzuheben, um dann festzustellen, dass nur 40-50 cm fehlten.. Das war`s, wollte ich gerade zu Norbert sagen, doch der bugsierte bereits, leider auch nicht besonders geräuscharm, eine Mülltonne in die Hofecke und klappte den Deckel auf. Sie war randvoll. Gemeinsam hoben wir die Leiter in die Tonne. Eine recht wacklige Angelegenheit. Dann rückten wir die Tonne so zurecht, dass die Leiter am Stalinrasen anlag….An der Hauswand vorbei konnten wir die Kurve Richtung Bahnhof Friedrichstraße einsehen. Viel zu sehen war da witterungsbedingt nicht. Wenn wir anstatt nur zum Bahnhof Friedrichstraße auch in die andere Richtung geschaut hätten, dann wäre uns die Doppelstreife der Transportpolizei, beide mit Maschinenpistolen bewaffnet, wohl eher aufgefallen. Es war Norbert der sie zuerst sah und ziemlich laut rief: Weg hier! Aber wohin? Zurück über den Zaun? Unmöglich! Also liefen wir in Richtung S-Bahnhof und damit leider auch auf die Signalanlage mit dem Postenhaus in dem sich die Grenzsoldaten befanden zu, immer an der Brandmauer des Hauses entlang. Von rechts kam die Transportpolizei, die ihre Kalaschnikows inzwischen von den Schultern genommen hatten und auf uns zu rannten. Halt, stehenbleiben! Riefen sie abwechselnd. Nun tat sich auch was in dem Postenhaus auf der Signalanlage. Auch von dort wurde nun „Stehenbleiben“ gerufen und dann krachte es mehrfach so laut, dass ich nicht mehr in der Lage war, mich zu rühren. Geschosse schlugen in die Hauswand ein und der Putz flog mir in die Haare und in den Nacken.

Vorstehender Fluchtversuch endete in der UHA II, Berlin Keibelstraße

Ist es Erinnerungskultur, ehemalige Gefangene von den Stätten ihrer Haft fern zu halten?

 

Erst eingesperrt, dann Ausgesperrt

Auszug aus einem Offener Brief an Frau Birgit Marzinka, Leiterin "Lernort Keibelstraße"

Agentur für Bildung - Geschichte, Politik und Medien e.V., Dieffenbachstraße 76, 10967 Berlin:

Guten Tag Frau Gefängnisdiretrice!

Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie hat entschieden, der Agentur für Bildung - Geschichte, Politik und Medien e.V. und damit Ihnen, als deren Leiterin, die ehemalige UHA II des MdI Keibelstraße anzuvertrauen. Lernen aus der Geschichte sollte dort praktiziert werden.

Vor über 9 Monaten habe ich bei Ihnen angefragt, ob es vielleicht möglich wäre, dort, am historischen Ort, mal eine Lesung aus meinem Buch „Grenzterror“ zu halten, in dem ich u.a. auch meinen Aufenthalt in der Keibelstraße 1972 beschreibe. Es erging ein ablehnender Bescheid.

Was lerne ich aus dieser Geschichte?

Sie, Frau Marzinka, verdienen recht gut daran, dass Gefangene in der Keibelstraße gelitten haben und Sie setzen die Tradition dieses Ortes würdig fort, indem Sie auch heute noch Menschen quälen. Warten, das ist im Gefängnis (und nicht nur dort) immer quälend. Mich 9 Monate auf eine zweizeilige Absage warten zu lassen, zeugt von einer zweifelhaften Vortrefflichkeit Ihrer Person. Ihnen fehlt es an Einfühlungsvermögen und die Kompetenz, die UHA II historisch korrekt darzustellen, spreche ich Ihnen auch ab. Nicht einmal an dem Keibelstraßenlied „Es steht ein Haus in Ostberlin, ein Haus weit ab vom Recht….“ Zeigten Sie Interesse.

In meinen Augen sind Sie eine subalterne Erinnerungskulturgewinnlerin, die nichts so sehr fürchtet, als mit Ohren- und Augenzeugen der damaligen Zeit konfrontiert zu werden. Denn dann müssten Sie zugeben, dass Sie eigentlich nichts wissen.

Unterschrift verweigert!

bulbuster kommentierte am 13. Oktober 2022 um 16:23

„Das Wertvollste, was der Mensch besitzt, ist das Leben.

Es wird ihm nur ein einziges Mal gegeben,

und nutzen soll man es so,

dass einen die Schande einer niederträchtigen und kleinlichen

Vergangenheit nicht brennt, und dass man sterbend sagen kann:

Mein ganzes Leben, meine ganze Kraft habe ich dem Herrlichsten

in der Welt, dem Kampf um die Befreiung der Menschheit gewidmet.“

Dieses Zitat von Nikolai Ostrowski bekam jeder „DDR-Geborene“

meiner Generation in rotem Einband und goldenem Staatswappen

mit auf seinen Lebensweg.

Von den 21 Jahren meiner „DDR“ Staatsbürgerschaft verbrachte ich 4½ Jahre in elf Gefängnissen. Ich habe mich während dieser Zeit nicht so sehr um „die Befreiung der Menschheit“ gekümmert.

Mit nunmehr 59 Jahren stimme ich dem ersten Absatz des Zitats von Nicolai Ostrowski zu.

Dem zweiten Teil des Zitates folge ich jedoch nicht.

Ich bin kein Kämpfer, der sein Leben für die Befreiung der Menschheit einsetzt. Das ist mir zu groß.

Ich möchte sterbend sagen können, dass ich, wenn auch zugegeben viel zu spät, mein ganzes Leben, meine ganze Kraft dem Herrlichsten in der Welt, der Suche nach Gott gewidmet habe.

„Ihr werdet mich suchen und werdet mich finden.

Denn wenn ihr mich von Herzen sucht,

werde ich mich von euch finden lassen.“

https://www.youtube.com/playlist?list=PLzvRJ6qOHSJzOStwsaU6GkAd-01qhgDHR

bulbuster kommentierte am 13. Oktober 2022 um 17:27

„Das Wertvollste, was der Mensch besitzt, ist das Leben. Es wird ihm nur ein einziges Mal gegeben, und nutzen soll man es so, dass einen die Schande einer niederträchtigen und kleinlichen Vergangenheit nicht brennt, und dass man sterbend sagen kann: Mein ganzes Leben, meine ganze Kraft habe ich dem Herrlichsten in der Welt, dem Kampf um die Befreiung der Menschheit gewidmet.“ Dieses Zitat von Nikolai Ostrowski bekam jeder „DDR-Geborene“ meiner Generation in rotem Einband und goldenem Staatswappen mit auf seinen Lebensweg. Von den 21 Jahren meiner „DDR“ Staatsbürgerschaft verbrachte ich 4½ Jahre in elf Gefängnissen. Ich habe mich während dieser Zeit nicht so sehr um „die Befreiung der Menschheit“ gekümmert. Mit nunmehr 59 Jahren stimme ich dem ersten Absatz des Zitats von Nicolai Ostrowski zu. Dem zweiten Teil des Zitates folge ich jedoch nicht. Ich bin kein Kämpfer, der sein Leben für die Befreiung der Menschheit einsetzt. Das ist mir zu groß. Ich möchte sterbend sagen können, dass ich, wenn auch zugegeben viel zu spät, mein ganzes Leben, meine ganze Kraft dem Herrlichsten in der Welt, der Suche nach Gott gewidmet habe. „Ihr werdet mich suchen und werdet mich finden. Denn wenn ihr mich von Herzen sucht, werde ich mich von euch finden lassen.

§ 101. (1) Wer es mit dem Ziel, Widerstand gegen die sozialistische Staats- oder Gesellschaftsordnung an der Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen Republik zu leisten oder hervorzurufen, unternimmt, Sprengungen durchzuführen, Brände zu legen, Zerstörungen herbeizuführen oder andere Gewaltakte zu begehen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter 3 Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen kann auf lebenslängliche Freiheitsstrafe oder Todesstrafe erkannt werden. §§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§

§ 60. (1) Die Todesstrafe wird, soweit sie das Gesetz zuläßt, gegen Personen ausgesprochen, die besonders schwere Verbrechen begangen haben. Sie ist mit der dauernden Aberkennung aller staatsbürgerlichen Rechte verbunden und wird durch Erschießen vollstreckt. (2) Gegen Jugendliche wird die Todesstrafe nicht ausgesprochen. Gegen Frauen, die zur Zeit der Tat, der Verurteilung oder der Vollstreckung schwanger sind, sowie gegen Täter, die nach der Verurteilung geisteskrank geworden sind, wird die Todesstrafe nicht angewandt.“ https://www.youtube.com/playlist?list=PLzvRJ6qOHSJzOStwsaU6GkAd-01qhgDHR

bulbuster kommentierte am 19. Mai 2023 um 22:34

Was ich in meiner letzten Nacht im Stasiknast nicht wusste, Mielke verabschiedete mich mit einer Oiginalunterschrift. Die bekam ich über den BSTU erst vor wenigen Tagen. "Die letzte Nacht im Osten schlief kaum einer von uns. Nach dem Frühstück vergingen noch einmal drei Stunden und dann hörte ich das letzte Mal in einer Haftanstalt des MfS das Wort: Kommen Sie! Über zwei Treppen wurden wir in den Gefängnishof vor der Schleuse geführt. Ich hatte nur meine dünne Jacke an und fröstelte ein wenig. Der Himmel war bewölkt und die Temperatur betrug höchstens 12 Grad. Auf dem Hof stand bereits ein Bus von Magirus Deutz, älteren Baujahres. Das Fahrzeug hatte ein Ostkennzeichen. Wahrscheinlich war ich außer dem Agenten, der mir zuzwinkerte, als ich mir das Nummernschild einprägte, der Einzige, der darauf achtgab. Der Fahrer erklärte mir später in Gießen, wo sich am Bus seltsamerweise ein Westkennzeichen befand, dass ich das Ostnummernschild eigentlich gar nicht hätte sehen dürfen, weil es nach der Einfahrt in das Gefängnis über eine Hebelanlage umgedreht wird. Er hatte es vergessen und vom MfS war es auch übersehen worden. Irgendwann wird irgendetwas immer mal vergessen oder übersehen. Wesentlich moderner erschien mir dagegen der fette Mercedes Benz, der vor dem Bus stand. Er war so geparkt, dass ich die Kennzeichen nicht erkennen konnte. Daraus entstieg ein älterer Herr, im Lodenmantel, westlich gekleidet, der sich mit Dr. Vogel vorstellte. In der Tür des Busses hielt er eine kurze Ansprache: Meine Herren, was hinter ihnen liegt, war bestimmt nicht einfach, aber enthalten Sie sich drüben bitte jeglicher Äußerungen gegenüber der West Presse, geben Sie am besten keine Interviews und verfassen Sie keine Hetzartikel. Schweigen Sie über alles, was Sie hier gesehen haben, dies liegt im Interesse derer, die noch darauf warten in den Westen übersiedeln zu können. Vergessen Sie möglichst rasch was Sie erleben mussten und fangen Sie ein neues Leben an. Es werden jetzt gleich die Frauen in den Bus steigen. Auch wenn Sie sich jahrelang nicht, oder nur besuchsweise sehen durften, heben Sie sich die Freude des Wiedersehens bis nach dem Grenzübertritt auf. Wenn der Bus durch die Grenzübergangsstelle fährt, bleiben sie bitte auf Ihren Plätzen sitzen und enthalten sie sich jeglicher Provokationen. Es ist schon vorgekommen, dass ein Bus angehalten und zurückgeschickt worden ist. Die Fahrt dauert etwa 2½ Stunden, verhalten Sie sich ruhig! Als die Frauen zustiegen, bekamen sie keine extra Ansprache. Sie fielen ihren Männern in die Arme und weinten. Dann wurde das Tor geöffnet und die Kolonne setzte sich in Bewegung. Vorweg ein Moskwitsch, ich ahnte schon, dass hübsche Frauen darin saßen, dann der Mercedes von Vogel und dahinter unser Bus. Den Abschluss bildeten zwei Shiguli Lada 1200 S. Ich saß am Fenster, neben mir der Agent, aber wir unterhielten uns kaum. Die Kehle war zugeschnürt und ich kämpfte mit den Tränen. Wie lange hatte ich keine Bäume mehr gesehen? Die waren zwar noch nicht grün, aber es zeigten sich bereits erste Triebe. Der Blick in die Ferne strengte meine Augen an und doch freute ich mich über jedes Haus, jedes Auto, jeden Vogel den ich sah. Der Osten war nicht gerade Farbenfroh, sondern eher grau, wie die Landschaft um diese Jahreszeit. Die Wiesen und Felder zeigten Ende April, in der Mitte des Frühlings, aber schon grüne Knospen. In einigen Wochen würde alles grün sein und blühen. Wenige Kilometer noch und ich war der Hölle entronnen. Diese Fahrt würde immer die schönste meines Lebens bleiben. Die Freiheit war zum Greifen nah. Ein Blick zum Himmel verhieß nichts Gutes. Die Wolken wurden dichter und obwohl es noch nicht nach Niederschlag aussah dachte ich: Hoffentlich regnet es jetzt nicht. Was hätte wohl Leutnant K. gesagt, wenn es jetzt wie aus Kübeln schüttet: Sehen Sie, Strafgefangener Stein, Sie verlassen die Deutsche Demokratische Republik, und sogar der Himmel weint! Ich saß in einem Reisebus, den Entlassungsschein in der Tasche, der Osten lag beinahe hinter mir, und Leutnant K. fuhr in meinem Kopf mit. Würde ich ihn jemals loswerden? Ich wusste es nicht, aber ich hätte ihm in Brandenburg mit den Worten meines alten Lehrmeisters geantwortet: Ja, Herr Leutnant, Freudentränen! Kurz vor dem Grenzübergang Herleshausen stoppte der Bus. Der westlich gekleidete Fahrer und ein weiterer Mann, den ich für einen Mitgefangenen gehalten hatte und der sich die ganze Fahrt über mit einem älteren Gefangenen aus meiner Zelle unterhielt, stiegen eilig aus und ein anderer Fahrer setzte sich ans Steuer. Ich hätte den Busfahrer, der den Reisebus bis hierher gesteuert hatte, im Leben nicht für einen Stasimann gehalten. Der Kundschafter des Friedens, der Späher an der unsichtbaren Front hatte sich gut getarnt. Der Bus, der jetzt von echten Westdeutschen gesteuert wurde, nahm wieder Fahrt auf und fuhr einfach auf einer freien Spur über den Grenzübergang. Als wir die Grenzposten hinter uns ließen, hielt die anderen nichts mehr in den Sitzen. Die meisten sprangen auf, einige schrien: Freiheit! Ich saß unbeweglich am Fenster, die Grenzsicherungsanlagen zogen wie in Zeitlupe an mir vorbei, und ich brachte kein Wort heraus. Mit feuchten Augen wartete ich darauf weinen zu können, aber ich konnte es nicht. Ich wollte auch schreien, so jubeln wie die anderen, aber ich spürte nur eine unsägliche Leere. So einfach war das also. Man fährt in einem Reisebus durch den Grenzübergang. Keiner schießt, kein Reisedokument wird geprüft, man muss nicht über Mauern springen oder über Zäune klettern. Über 4½ Jahre hatte ich von meinem 15. Lebensjahr an in elf ostdeutschen Gefängnissen gesessen. Das war der Preis. O Deutschland meine Trauer, dich trennt `ne dicke Mauer und wenn man sich der Mauer naht, läuft durch das Mienenfeld, springt über Stacheldraht, und rennt dann weiter, unverdrossen, wird man erschossen von Genossen. Mein Gedicht, das ich im Licht des Turmscheinwerfers nachts als 15 Jähriger in Rummelsburg geschrieben hatte, während die Wachhunde in der Kälte jaulten, kam mir in den Sinn. Nein, erschossen hatten die Schweine mich nicht, aber meine Gefühle musste ich selber töten um zu überleben."

original Mielke