Rezension

Charmant, witzig und turbulent

Die Wolkenfischerin - Claudia Winter

Die Wolkenfischerin
von Claudia Winter

Bewertet mit 5 Sternen

Inhalt
Vor vielen Jahren hat die junge, charismatische Französin Claire Durant ihrer Heimat den Rücken gekehrt und sich in Berlin ein Leben aufgebaut: eigene Wohnung, neue Freunde (auch wenn Hanna jetzt mit Fabrizio in Italien wohnt) und einem festen Job beim Gourmet-Magazin Genusto. Dass sie ihren Job wahrscheinlich nur durch einen aufgehübschten Lebenslauf bekommen hat, muss ja keiner wissen. Vor allem jetzt nicht, da sie die Chance hat, auf der Karriereleiter aufzusteigen. Zum ungünstigten Zeitpunkt erhält sie einen Anruf aus Frankreich: Ihre Mutter liegt im Krankenhaus und kann sich nicht um Claires gehörlose Schwester kümmern. Widerstrebend begibt sich Claire zum ersten Mal seit Jahren in den Ort ihrer Kindheit. Was mit einem Unglück begann, reift schnell zu einer Katastrophe heran, als ein überraschender Gast im bretonischen Örtchen auftaucht: ihr Chef, dem sie mehr als nur eine faustdicke Lüge aufgetischt hat. Um ihr Geheimnis zu hüten, greift Claire zu aberwitzigen Maßnahmen. Und zu allem Überfluss verliert sie auch noch ihr Herz.
Das Cover passt super zur Geschichte durch das Motiv des malerischen Küstenorts. Was ich ebsonders toll finde, ist der Bezug zum Inhalt durch das Fahrrad (wenn man die Geschichte gelesen hat, versteht man, wie ich das meine).

Meinung
Wie ihr vielleicht wisst, bin ich seit "Aprikosenküsse" bin treue Leserin von Claudia Winters Romanen, weil sie mich mit diesem Werk bereits von ihrem schriftstellerischen Können überzeugt hat. Ich habe daher auch nichts anderes erwartet, als dass mir "Die Wolkenfischerin" gefallen würde - und ich sollte recht behalten. Ihre dritte Publikation ist nun mein neuer Favorit!
Ob ein Buch ansprechend ist, steht und fällt meist mit seinen Charakteren. In diesem Fall gab es da keine Probleme, denn sie sind einfach gelungen. Claire, ihre Schwester, ihr Chef und die etwas eigenwillige Gemeinschaft von Monguériec wurden durch die Beschreibungen und Dialoge lebendig. Claire bringt als Protagonistin viel Charme und (manchmal auch ungewollt) Witz in die Geschichte. Sie macht sich viele Dinge komplizierter, als sie sein müssten, und kommt zum Teil auf aberwitzige Ideen. Sie ist also nicht perfekt und gerade deshalb umso authentischer und liebenswürdiger. Auch wenn ich ihr Verhalten und ihre Entscheidungen nicht immer befürwortet habe, konnte ich sie doch zumindest gut nachvollziehen und sie war mir nie unsympathisch. Vor allem im Umgang mit ihrer Schwester Maely hat sie eine sehr fürsorgliche Seite an sich gezeigt, die ihr mehr Tiefe verliehen hat. Wie es bei Geschwistern so ist, war ihr Miteinander nicht ganz unproblematisch, aber Claudia Winter hat den richtigen Ton getroffen, um ihre Verbundenheit deutlich werden zu lassen. Maely wiederum ist in vielen Dingen das Gegenteil ihrer großen Schwester. Nicht weniger stark und feurig, aber sie hat andere Vorstellungen vom Leben, andere Ziele, andere Bedürfnisse. Zu beobachten, wie sie ihren Weg findet, war einfach schön. So leid es mir nun auch für diese beiden tut, das Rennen um den besten Charakter haben sie letztlich knapp verloren. Der Titel geht eindeutig an Sebastian. Ich fand einfach toll, wie ausgeglichen er ist, dass er sich selbst und das Leben nicht zu ernst nimmt bzw. die Dinge so nimmt, wie sie kommen. Es war mir einfach unmöglich, ihn nicht ins Herz zu schließen. Interessanterweise kommt die gesamte Handlung ohne einen tatsächlichen Antagonisten aus. Normalerweise bemängle ich das bei Romanen, weil mir dann meistens der Konflikt fehlt. In diesem Fall war das jedoch nicht so, denn Claire steht sich mit ihren Geheimnissen und (Not-)Lügen selbst genug im Weg, sodass ich mich über mangelnde Komplikationen oder über Langeweile nicht beklagen konnte. Als kleines Extra gab es für treue Leserinnen von Claudia Winters Romanen noch einige Verweise auf Hanna, die Protagonistin aus "Aprikosenküsse", wenngleich ich mir hier ein paar mehr Informationen gewünscht hätte.
Der Erzählstil ist wie gewohnt angenehm zu lesen und anschaulich, sodass es nicht schwer war, sich auf das Geschehen und die Figuren einzulassen. Das gilt für beide Handlungsstränge gleichermaßen (Vergangenheit und Gegenwart werden hier zusammengeführt). Es war zwar nicht allzu überraschend für mich, in welchem Zusammenhang beide miteinander stehen, da ich von Anfang an die richtige Vermutung hatte. Das hat mich aber nicht sonderlich gestört, weil die gegenwärtige Story doch einen etwas anderen Kurs eingeschlagen hat, als ich erwartet hatte. Außerdem wird Claires heikle Situation amüsant, sozusagen "mit einem Augenzwinkern" erzählt, was enorm zur Unterhaltung beiträgt, und dank spielerischer Wortwechsel und kreativen, scherzhaften Beleidigungen wie "Berliner Weißmehlschrippe" hat sich des Öfteren ein Lächeln auf meine Lippen gestohlen. Obendrauf gab's noch eine der schönsten Liebeserklärungen, die ich jemals gelesen habe.
Last but not least, ist bei Claudias Romanen immer darauf Verlass, dass sie die Atmosphäre des jeweiligen Handlungsortes sehr gut einfängt. Der Roman spielt zum Teil in Deutschland, zum Teil in Frankreich, spezifisch in der Bretagne. Ich kann nicht genau bennen, woran es lag, aber man hat beim Lesen den Wechsel zwischen Deutschland und Frankreich bzw. zwischen Großstadt-Flair und ländlichem Charme bemerkt. Es kam direkt ein bisschen Urlaubs-Feeling bei mir auf. Ein schöner Bonus sind außerdem die Rezepte im Appendix sowie ein Kurzlexikon zur Bretagne.

Fazit
Kurz und schmerzlos: Ein wunderbares Setting, ein paar ordentliche Prisen Chaos und Liebe sowie authentische Charaktere kombiniert mit einem atmosphärischen, überwiegend heiteren Schreibstil haben dafür gesorgt, dass Die Wolkenfischerin mein neuer Lieblingsroman von Claudia Winter ist.
 

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