Rezension

Ein gelungener Nachfolger auf Annabel Pitchers Debüt

Ketchuprote Wolken - Annabel Pitcher

Ketchuprote Wolken
von Annabel Pitcher

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ein ständiger Begleiter in unserem Leben sind unsere Gefühle, die es uns leichtfüßig durchschreiten lassen. Es gibt aber auch viele negative Gefühle, an denen wir zu zerbrechen drohen und uns als untragbare Last erscheinen. Auch Zoe trägt eine große Last mit sich, denn sie hat etwas Schreckliches getan und wird nun von großen Schuldgefühlen gequält, die sie keinen Tag länger ertragen kann. Aus ihrer Verzweiflung heraus wächst der Wunsch, sich jemanden zu öffnen, ohne dass ihr Konsequenzen durch ihre Tat drohen. Wer wäre da besser geeignet, als jemand, der ebenfalls einen großen und unverzeihlichen Fehler begangen hat? So beginnt Zoe eine etwas andere Brieffreundschaft, in der Hoffnung, sich selbst einmal vergeben zu können…

In „Ketchuprote Wolken“ von Annabel Pitcher beginnt Zoe mit viel (Galgen)Humor und ohne große Umschweife und Erklärungen, ihre Briefe an einen ihr fremden Mann zu schreiben. Ihr Dialog mit ihm ist jedoch sehr einseitig und genau das ist es, was Zoe sich wünscht. Sie möchte sich all ihre Schuld vom Leib schreiben.

„Ich weiß, es hört sich verrückt an, Stuart, aber so fühlt es sich manchmal an, als seien die Worte in meine Eingeweide geritzt, die jetzt rot und wund und geschwollen sind und vielleicht sogar bluten. Und ich kann die Schmerzen nur lindern, die Worte verschwinden lassen, indem ich sie aufschreibe. Sie dir schreibe.“ Seite 135

Anfangs schreibt Zoe noch sehr zurückhaltend, doch je mehr Briefe sie verfasst, umso so vertrauter wirkt sie mit einem Mann, der ihr nie begegnet ist. Vielleicht ist es deswegen auch einfacher für sie, offen über ihre Tat zu sprechen, denn dieser Fremde hat ähnlich Schreckliches getan wie Zoe und muss jetzt mit den Konsequenzen leben. Gleichzeitig taucht der Leser in ihre Welt ab und erlebt eine sehr bewegende Geschichte über die erste große Liebe, die in einem absoluten Desaster endet und ein ganzes Leben auf dramatische Weise verändert und mit einer großen Schuld belastet. Wir, die Leser, werden stumme Zeugen eines etwas einseitigen aber außergewöhnlichen Dialoges zwischen zwei Personen, die sich völlig fremd sind und doch vieles gemeinsam haben. Man kommt nicht umhin, im Text zu verweilen und darüber zu grübeln, wie das Geschriebene bei seinem Empfänger ankommt und hofft auf eine Antwort.

Annabel Pitchers Schwerpunkt liegt deutlich auf ihren Charakteren. Und nicht nur Zoe ist ein außergewöhnlicher Charakter. Auch viele literarische Figuren, die man nur durch ihre Briefe kennenlernt, haben mich mitten ins Herz getroffen. Trotzdem bleiben Zoe und ihre vermeintliche Schuld der Mittelpunkt dieser sehr eindringlichen Geschichte. Man liebt und leidet, fiebert und hofft mit Zoe und doch kommt alles anders, als man es denkt. Annabel Pitcher lässt ihre Geschichte jedoch nie zu schwermütig werden und beschert dem Leser viele wunderschöne und liebenswerte Momente mit Zoes Familie und ihrer ersten Liebe.

„Ketchuprote Wolken“ von Annabel Pitcher ist eine sehr aufwühlende und so liebenswerte Geschichte, die den Leser noch lange nach dem Lesen nicht loslässt und nachwirkt und ein gelungener Nachfolger auf ihr Debüt „Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims“. Diese aus dem Leben gegriffene Geschichte wird durch den besonderen und gefühlvollen Stil der Autorin zu einem Buch, das in keinem Regal fehlen sollte.