Rezension

Interessant aber etwas zu oberflächlich

40 Tage Georgien (DuMont Reiseabenteuer) - Constanze John

40 Tage Georgien (DuMont Reiseabenteuer)
von Constanze John

Bewertet mit 3 Sternen

Meine Meinung
Ich hatte mich sehr auf das Buch gefreut. Wollte ich doch das Land literarisch erkunden, bevor es zu Gast auf der Frankfurter Buchmesse 2018 ist. Leider hatte das dann nicht geklappt. Und zum einen lag das am Schreibstil der Autorin.

Etwas distanziert und recht kühl berichtet Constanze John von ihren Ausflügen und Begegnungen. Auch wenn sie ab und zu in die Situation kommt, den einen oder anderen Menschen einfach so auf der Straße zu umarmen und diese Gestik mehr aussagt als wenn man sich sprachlich verstehen würde, kommen selbst diese Umarmungen im Buch nicht voller Emotionen rüber.

In vielen längeren aber auch sehr vielen ziemlich kurzen Unterkapiteln wird vieles einfach nur angeschnitten und hing dann für mich ganz zusammenhangslos in der Luft, sodass ich mich oftmals fragte, wozu uns das erzählt worden ist. Wäre es unerwähnt geblieben, hätte auch nichts gefehlt.

Nachdem ich das Buch beendet hatte, konnte ich meine Unzufriedenheit erstmal nicht genau greifen. Und dann wurde es mir doch plötzlich bewusst, was mir die ganze Zeit gefehlt hat: die Begegnungen mit einfachen Menschen.

Die ganze Reise über begegnet Frau John Malern, Schriftstellern und anderen Künstlern. Lehrern, Übersetzern, Anwälten und Historikern, Botschaftern, studierten Betriebswirtschaftlern und so weiter. Viele dieser Menschen kennen Deutschland. Entweder haben sie (entfernte) deutsche Wurzeln oder sie hatten mal eine zeitlang in Deutschland gelebt, gearbeitet, studiert oder alles zusammen. Die Älteren sind wieder zurück nach Georgien gegangen, die etwas Jüngeren pendeln noch zwischen Deutschland und der eigentlichen Heimat Georgien.

Diese Menschen schaffen für die Autorin immer weitere Kontakte zu anderen und so verabredet und reist Frau John von Ort zu Ort und macht immer wieder Halt bei dem einen oder anderen. Sie besucht Museen, interviewt Museumsdirektoren, ist auf Festivals und Weinfesten zu finden und kehrt gefühlt in jede Kirche in Georgien ein, die es gibt.

Hin und wieder erfährt man von den Kriegen, den Problemen und den Konflikten mit den Autonomen Republiken Abchasien und Adscharien und Südossetien. Doch bleibt dies alles sehr oberfächlich. Hier hätte ich sehr gerne sehr viel mehr erfahren. Insbesondere aus Gesprächen mit den Betroffenen. Wie es ihnen geht, wie sie die Flucht erlebt hatten, wie sie aufgenommen worden sind? Ob sie Zukunftspläne haben oder nur ums Überleben kämpfen?

In diesem Zusammenhang fehlten mir somit auch die Gespräche mit den Bürgerlichen, den Georgiern, die nicht zu den oben genannten Berufsschichten gehören. Wie empfinden Arbeiter, Bäcker und z.B. Verkäufer das heutige Georgien. War es für sie damals leichter oder fühlen sie sich auch “befreit” und bereit für Neues?

Da man in Georgien an Stalin nicht vorbeikommt, besuchte die Autorin auch Stalins Geburtsort Gori. Hier hat mir sehr gut gefallen, was Constanze John so alles erfahren und aufgeschrieben hat.

Ein Reisebericht lebt auch durch die Bilder, die das Land im Buch zeigen. Hier hätte ich mir farbliche Bilder gewünscht. Diese hätten das Buch freundlicher gestaltet. Wenn es dem Text schon etwas an Wärme fehlt, hätten hier die bunten Fotos das Fehlende ein bisschen überbrücken können.

Abgesehen von meiner Kritik, zeigt Constanze John dem Leser ein Georgien, das sie in der Zeit erlebt hat: Offene und sehr aufgeschlossene Menschen, die selbst heute noch sehr traditionsbewusst sind. Sehr gastfreundliche Menschen, die gerne feiern und dabei Trinksprüche, verwenden die bei einer Supra fast die gleiche Stufe von Gebeten haben. Große und kleine Supras wurden für die Autorin veranstaltet. Man erkennt sehr gut, wie wichtig die Supras für Georgier sind.
Mit Englisch, Deutsch und Russisch ist sie überall sehr gut durchgekommen. Wer nicht gerne in Hotels bucht wird sich freuen, dass Constanze John überwiegend in privaten Unterkünften gebucht hatte und diese sehr empfehlen kann.

Fazit
Ein interessantes Buch, dem es für mich etwas an Tiefe gefehlt hat. Wer ein bisschen über die georgische Sprache, über Akademikerkreise erfahren möchte und sich für Georgiens religiöse Seite interessiert, ist bei diesem Buch absolut richtig. Wer es zusätzlich noch etwas politischer mag, sollte sich für diese Ergänzung noch weitere Lektüre suchen.