Rezension

Fesselnd und rasant

Gefährdet - Meike Dannenberg

Gefährdet
von Meike Dannenberg

Bewertet mit 5 Sternen

„...Einige Sekunden lang tastete Nora ihr Gesicht mit den Augen ab. Die Lippen waren trocken und aufgesprungen, die helle Haut um die Augen durchscheinend und zerknittert von von Müdigkeitsfältchen. Sie schien wie ein Gefäß aus hauchdünnen Porzellan, dass jeden Moment von der zähen Masse aus schwarzer Panik, die es erfüllte, bersten konnte...“

 

Der 9jährige Lasse und seine kleine Schwester Livia sind in einem Container eingesperrt. Sie warten auf Hilfe. Es sind die Kinder von Justus Stein, einem reichen Reeder. Doch auch nach 48 Stunden gibt es noch keine Lösegeldforderung. Vom BKA Berlin wird Nora zur Aufklärung dem Fall nach Hamburg geschickt.

In Hamburg arbeitet Johan als Psychologe bei der Polizei. Er wird außerdem als Dozent eingesetzt. Seine Freundin hatte ihn gebeten, auf den Außendienst zu verzichten. Im letzten Fall hatten Nora und Johan zusammengearbeitet.

Die Autorin hat einen fesselnden und vielschichtigen Krimi geschrieben. Die Handlung hat mich schnell in ihren Bann gezogen.

Der Schriftstil ist ausgefeilt. Das obige Zitat beschreibt den ersten Eindruck, den Nora von Krystina Stein hat, der Mutter der Kinder.

Die Personen werden gut charakterisiert. Nora wird immer wieder von einem Kindheitstrauma eingeholt. Was wirklich passiert ist, erfahre ich im Laufe des Geschehens. Trotzdem geht sie professionell an ihre Arbeit. Erfolg ist ihr wichtig, nicht um des Erfolges willen, sondern um die Kinder zu retten. Dabei hält sie sich nicht immer an die gesetzlichen Regeln. Wenn sie es für wichtig erachtet, überschreitet sie auch Grenzen.

Das Ehepaar Stein wirkt sehr gegensätzlich. Obwohl Krystina eine intelligente Frau ist, die einen Doktortitel hat, ordnet sie sich ihrem Mann unter. Justus Stein erscheint emotionslos und selbstherrlich. Und sie trauen sich gegenseitig nicht. Für Nora ergibt sich die folgende Frage.

 

„...Und was, wenn die emotionale Lähmung und der Kleinkrieg daher rührten, dass beide Eltern nicht wahrhaben wollten, dass tatsächlich Fremde ihre Kinder in der Gewalt hatten?...“

 

Der hohe Spannungsbogen wird auch durch die kurzen Kapitel und die schnell wechselnden Handlungsorte erreicht. Ab und an ermöglicht mir die Autorin einen Blick auf die Kinder. Es wird dadurch deutlich, wie sehr die Zeit eilt. Für die Ermittler ist die Lage kompliziert. Nora bleibt nur das Gespräch mit der Familie und ihren Bekannten. Da kein Lösegeld gefordert wird, bleibt das Motiv der Entführung lange im Dunkeln.

Fesselnd finde ich auch die Diskussion von Johan mit den Studenten. Anhand von Fallbeispielen fordert er sie heraus. Dabei schildert er ihnen einen aktuellen Fall. Ein Mann wurde durch Gas getötet. Der Tote war ein russischer Ex-Zuhälter, der nie für seine Taten verurteilt wurde. Die Studenten kommen schnell auf wesentliche Punkte. Einer davon lautet.

 

„...Er sollte aufhören zu existieren, weil dann seine Taten auch aufhören zu existieren...“

 

Zwei Themen dominieren das Geschehen: Zwangsprostitution und Drogenhandel. Wie darein allerdings die Entführung der Kinder passt, zeigt sich erst am Ende des Geschehens.

Die Autorin versteht es, tief in die Psyche ihrer Protagonisten einzudringen. Dadurch werden deren Taten nachvollziehbar. Das betrifft nicht nur die Familie Stein, sondern auch einige Protagonisten, die ich in meiner Rezension bewusst außen vor gelassen habe, da ich sonst zu viel von der Handlung verraten würde.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es hat unterschwellig einen sehr aktuellen Bezug.