Rezension

Scharnow - was ist hier eigentlich los?

Scharnow - Bela B Felsenheimer

Scharnow
von Bela B Felsenheimer

Bewertet mit 2 Sternen

Wie so viele andere war ich neugierig: Bela B hat ein Buch geschrieben? Das muss ich lesen! Eigentlich weniger, weil ich DÄ-Fan bin (ich kann zwar nicht leugnen, dass ich die älteren Werke der Band richtig gut finde, aber ich bin bei Weitem kein Hardcore-Fan), sondern weil ich einfach wissen wollte, ob der Hype gerechtfertigt ist oder sich das Buch vielleicht nur aufgrund des Namens seines berühmten Autors verkauft. Ich habe wahnsinnig viele begeisterte Stimmen gelesen, sowohl von Bloggern als auch in Feuilletons - da muss doch was dran sein, dachte ich. Umso cooler, dass Bela B seine Geschichte auch noch selbst eingelesen hat. Auch wenn er mir hier und da ein bisschen zu steif klang und als Hörbuchstimme keinen besonders großen Eindruck bei mir hinterlassen hat, ist das zusätzlich zu den Soundeffekten, mit denen die Handlung untermalt wird, ein echter Pluspunkt für das Hörbuch. Und vermutlich kann nur der Autor selbst eine solche Geschichte mit einer solchen Selbstverständlichkeit lesen, wie das Bela B hier getan ist - das hat mich wiederum sehr beeindruckt.

 

Nun aber zum Essentiellen: Der Handlung. Oder eher: Zum Fehlen eben jener. Dieses Buch hat keine erkennbare Handlung, es gibt, bis auf den Handlungsort, wenig, was die einzelnen Episoden miteinander verbindet. In vielen Rezensionen wird dieser Umstand als Genialität, Skurrilität und was weiß ich noch gelobt - ich finde das einfach nur anstrengend. Denn im Prinzip ist "Scharnow" aufgebaut wie ein Roman, springt aber so rasant zwischen den Szenen und den handelnden Figuren hin und her wie ein Film mit schnellen Schnitten. Das ist ohne Zweifel ein ganz eigener, sicherlich auch ein moderner und origineller Erzählstil - es ist aber eben auch ein Stil, dem ich persönlich nicht viel abgewinnen kann. Ich verweile gerne bei den Charakteren, lasse Geschehenes auf mich wirken und verfolge dabei, wie eben das auch auf die Figuren in der Geschichte wirkt. In Bela Bs Buch wurde ich Kapitel für Kapitel mit einer neuen Absurdität konfrontiert, ohne die Chance darauf, das große Ganze zu sehen.

 

Der Stil als solcher hat mich auch einen Spannungsbogen schmerzlich vermissen lassen - ich hatte als Leser nicht die Möglichkeit, eine Erwartungshaltung aufzubauen oder mit einer der zahlreich auftretenden Figuren mitzufiebern. In schwindelerregend schneller Abfolge wird der Leser mit teilweise irren Sequenzen beschossen und wenn ich beim Hören ein Gefühl hatte, dann, dass Bela B einfach alles (und damit meine ich ALLES), was ihm gerade in den Sinn gekommen ist, in dieses Buch gepackt hat. So wirken die Kapitel teilweise zusammenhangslos, wirken die einzelnen Episoden überwiegend krude aneinander geschustert. Das ist ganz sicher ein Stil, den man einfach mögen muss.

 

Ein großes Problem hatte ich außerdem mit den Figuren. Auch wenn Bela B mit seinem schier unerschöpflichen Pool an Charakteren sicher einen guten und teils sehr authentischen Querschnitt durch das Kleinstadtleben gibt, war mir auch hier einfach zu viel los. Bei Hörbüchern ist ein Zuviel an handelnden Personen generell schwierig und wenn sie dann noch so wenig einprägsam sind wie in "Scharnow", habe zumindest ich das Problem, dass ich beim Hören abschweife und dass mich die Einzelschicksale der Figuren schlicht nicht interessieren. Wir erfahren über fast alle Figuren nur das Augenscheinliche und meist ist das nicht mal besonders ansprechend. Für mich gab es in dieser Geschichte keine Figur, die mich besonders berührt, beeindruckt oder nur mein Interesse geweckt hätte. Auch wenn man nicht leugnen kann, dass die Konstellation der einzelnen Charaktere hier und da zum Brüllen komisch ist und dass die vielen Blickwinkel der Handlung eben etwas Filmisches geben - für mich hätte es die ein oder andere Person weniger aber absolut auch getan.

 

Und jetzt zur Handlung beziehungsweise Nicht-Handlung - "Scharnow" besteht aus einer Aneinanderreihung skurriler, absurder und bescheuerter Begebenheiten, die mehr oder weniger lose bis gar nicht miteinander verknüpft sind. Am Anfang dachte ich noch: Was soll das, wohin soll das denn führen? Aber irgendwann habe ich nur noch gedacht: Aha, soso, na gut, okay. Wir finden hier einfach alles: Von mordenden, denkenden Büchern über irre Verschwörungstheoretiker und fliegende Superhelden bis hin zu besoffenen Vollidioten und Aliens. Und noch wesentlich mehr - die Geschichte strotzt nur so vor merkwürdigen Sachen, die jede für sich vermutlich spannend gewesen wären. Aber ich habe mich beim Hören so oft gefragt: Was soll das, was kommt denn jetzt noch - dass ich einfach nur das Ende dieses abgedrehten Buches herbeigesehnt habe. Eigentlich mag ich es skurril, es kann schon auch mal ein bisschen ausgeflippt und unkonventionell sein. Aber wenn ich eine Geschichte so gar nicht einordnen, wenn ich nicht einmal die Geschichte als solche erkennen kann und mich am laufenden Band frage, worauf das Ganze eigentlich hinaus und was der Autor mir damit sagen will - dann kann ich diese Geschichte einfach nicht unterhaltsam und nicht befriedigend finden. Auch wenn all das, was unter der Oberfläche liegt (zum Beispiel die feine Gesellschaftskritik mit sarkastischem Unterton, die stets mitschwingt, und der unterschwellig schwarze Humor) sicher seine Reize hätte - für mich sind die Ansätze in "Scharnow" weder gut noch ansprechend verpackt. 

Mein Fazit
Man kennt es: Man liest ein Buch, weil es gefühlt überall ist, weil es zahlreiche begeisterte Stimmen dazu gibt und weil man selbst neugierig darauf ist, was wohl dahinterstecken mag - und wird bitter enttäuscht. Dabei will ich gar nicht sagen, dass "Scharnow" schlecht ist. Es trifft einfach nur so wenig meinen Geschmack wie kaum ein Buch zuvor. Mir fehlten hier Handlung, Spannungsbogen, Nähe zu den Figuren, Überraschungsmomente, die auch wirklich überraschen und nicht nur ein genervtes Augenrollen auslösen - eben alles, was für mich ein packendes Buch ausmacht. Bela Bs Scharnow hat mit seiner Absurdität und Originalität ganz sicher seine Fans. Nur ich gehöre definitiv nicht dazu.