Rezension

Ein kurzweiliger Thriller mit viel Spielraum für Spekulationen

Tannöd - Andrea Maria Schenkel

Tannöd
von Andrea Maria Schenkel

Sie nennen ihn nur noch den Mordhof, den einsam gelegenen Hof der Danners in Tannöd. Eine ganze Familie wurde in einer Nacht ausgelöscht, mit der Spitzhacke erschlagen. Gemocht hat sie kaum jemand, mürrische, geizige Leute waren sie, und den ein oder anderen hat der alte Bauer wohl auch übers Ohr gehauen. Aber selbst die Kinder wurden grausam ermordet, und so geht die Angst um im Dorf, denn vom Mörder fehlt jede Spur. Diese Spur muss der Leser aufnehmen. Die spannende Unruhe, die einen bis zum Ende nicht verlässt, löst sich erst auf, wenn das Mosaik komplett ist.

Inhaltsangabe:

Die fünfköpfige Familie Danner lebt völlig abgeschieden auf einem kleinen Hof in der Einöde Tannöd, die zur Gemeinde Einhausen in der Oberpfalz gehört. Im näheren Umkreis gelten die Danner's allesamt als eigenbrödlerisch, mürrisch und äußerst geizig. Kein Knecht und keine Magd hält es auf dem Anwesen allzu lange aus, denn besonders der alte Besitzer Hermann bezahlt weder einen angemessenen Lohn, noch verteilt er Nahrungsmittel- geschweige denn ein Mittagessen nach der harten, körperlichen Arbeit. Nichtsdestotrotz genießt die Familie den Ruf äußerst wohlhabend und fleißig zu sein. 
Nachdem wieder einmal eine Magd den Hof verlassen hat, stellen sie die geistig zurückgebliebene Maria ein, eine ältere Frau die sich vom ersten Moment an bei dem Landwirt und seiner Familie unwohl fühlt. Da diese dringend ein Dach über den Kopf benötigt und finanziell auf den Arbeitsplatz angewiesen ist, beugt sie sich ihrem Schicksal und tritt die unliebsame Stelle an. Als die 7-jährige Marianne am Samstag unentschuldigt im Unterricht fehlt, war es zwar für den Lehrer ungewöhnlich, dennoch machte sich keiner ernsthafte Sorgen, da das kleine Mädchen als äußerst verträumt galt. Auch am Sonntag zum Morgengottesdienst taucht kein einziges Familienmitglied der Danner's auf, obwohl besonders Theresia, die Ehefrau des bösartigen Hofbesitzers sehr gläubig und gottesfürchtig war. Da nach drei Tagen noch immer keine Betriebsamkeit auf den Wiesen oder dem Hof zu sehen oder zu hören war, bittet Maria Sterzer, die Bäuerin von Obertannöd ihren 13-jährigen Neffen Hansl Bauer nach dem Rechten zu sehen. Dieser macht sich umgehend auf den Weg und betritt den Grund der Danner's. Doch dem kleinen Bub ist alles andere als wohl. Das Vieh brüllt und auch der Hund winselt, sodass er unverzüglich zu seinem Vater rennt und ihm berichtet, dass etwas auf dem Hof nicht stimmt. 
Aufgrund dessen macht sich Hansl's Vater Johann Sterzer mit seinem Knecht und zukünftigen Schwiegersohn Alois Huber auf den Weg um nachzusehen. Beim Betreten des Stadels stolpern die Männer über vier leblose Körper die mit Stroh bedeckt wurden. Es handelte sich hierbei um Hermann Danner- dem Besitzer des Hofes, seine Frau Theresia, deren gemeinsame Tochter Barbara Spangler und um die kleine Marianne. Je weiter die Männer in die Räumlichkeiten vordringen, desto mehr ahnen sie, welch grauenhaftes Ausmaß ihnen noch bevorsteht: Auch der Zweijährige Josef und die neu angestellte Magd Maria befinden sich blutüberströmt und leblos in ihren Zimmern. Die komplette Familie Danner einschließlich der am Vortag eingestellten Magd, wurden auf brutalste Weise mit einer Spitzhacke erschlagen. 
Wer war der Mörder und was war sein Motiv? 

Eigene Meinung:

Hinter dem Heimat- und Kriminalroman "Tannöd" steckt die deutsche Autorin Andrea Maria Schenkel. In ihrem Debüt verarbeitet sie vereinzelte Details zu einer grauenhaften Tat eines bis heute ungelösten 6-fach Mordes der Familie Gruber aus Hinterkaifeck. In der stürmischen Nacht vom 31. März auf den 01. April 1922 wurden die fünf Familienmitglieder inklusiv ihrer neu angestellten Magd mit einer Spitzhacke grausam ermordet. Aufgrund der Brutalität und den vielen rätselhaften Umständen die hinter der Tat und deren Motiv stecken, gehört dieser Anschlag noch immer zu einem der bekanntesten Kriminalfälle von ganz Deutschland. Genug Stoff also, um daraus einen neuen, düsteren und eigenständigen Roman zu verfassen. Zwar weißt dieser einige Parallelen zu den echten Mordfällen von Hinterkaifeck auf, jedoch werden Namen, Tathergang, Beweggründe des Motivs und die letztendliche Auflösung des Falles Tannöd zu einem selbständigen Kriminalroman, der auf der Fantasie von Andrea Maria Schenkel beruht.
Zu Beginn der Handlung erstellt die Autorin eine anonyme Identität, eine Person, die in Tannöd zwar jeder kennt und dadurch auch bereitwillig Auskunft über die Ereignisse gibt, nichtsdestotrotz bleibt der Leser bis zum Schluss im Ungewissen wer sich hinter den Befragungen mit den Einheimischen verbirgt. 17 Personen bestehend aus der Nachbarschaft, dem Lehrer von Marianne, dem Postboten, dem Pfarrer und vielen anderen erzählt jeder seine eigenen Sichtweisen, Beobachtungen und Gerüchte, die sich rund um die Familie Danner drehen. Dass sich dabei Abgründe auftun wie Blutschande in der Familie und Betrug bei den Arbeitern gibt genug Munition um als Leser seinen eigenen Spekulationen freien Lauf zu lassen. Besonders gefallen haben mir die unterschiedlichen Protagonisten, die ihren ganz eigenen Erzählstil hatten. Egal ob es Betty ist, die beste Freundin von Marianne die aus ihrer kindlichen Perspektive berichtet, oder die senile Babette Kirchmeier, die ehemalige Arbeitgeberin der getöteten Magd. Alleine der unterschiedliche Schreibstil gab dem Krimi eine ganz persönliche Note. Seitenweise wurden immer wieder Gebete eingeschoben, die beim Leser ein beklemmendes Gefühl und eine passende Melancholie heraufbeschworen.
Leider habe ich in dem Buch den Tiefgang und die gewisse Spannung vermisst. Der scheinbare Mörder beschreibt immer mal wieder kurze Zwischenfrequenzen aus seiner Sicht, jedoch keine Details zur eigentlichen Tat was erklärt, warum das Buch mit über 100 Seiten schnell zu Ende erzählt ist. 
Meine Bewertung: 3 von 5 Sternen