Rezension

All das Fremde, allzu fremd

Die Fremde -

Die Fremde
von Claudia Durastanti

Bewertet mit 3 Sternen

Der autobiografische Roman über eine außergewöhnliche Familie wird hochgelobt. „Die Fremde“ blieb mir dennoch weitgehend fremd. Claudia Durastanis Leben spielt sich im Brooklyn der sechziger Jahre und dann während ihrer Kindheit weitgehend in einem süditalienischen Dorf ab. Das besondere, sehr eigene Leben wird geprägt von der Gehörlosigkeit der Eltern.

Hineingeworfen werde ich gleich mal in die Geschichte des Kennenlernens der Eltern. Zwei ganz und gar konträre Erzählungen von ihrer ersten Begegnung,  jede für sich liest sich angenehm, sehr unterhaltsam, beide Schilderungen haben mir  gut gefallen. Wenngleich ich nochmal zurückblättern musste, um dann für mich festzustellen, dass ich hier nicht alles glauben sollte, was ich lese. 

Vater und Mutter sind beide taub, alle zwei waren sie Exzentriker - durch ihre Gehörlosigkeit in ihrer eigenen Welt. „Ich wollte mich nur frei fühlen“ sagt die Mutter und vergisst darüber immer mal wieder ihre Kinder, die sich irgendwie selbst erziehen müssen, die ihren Freunden gegenüber Hausarreste oder ähnliches erfinden, um das Familienleben als normal darzustellen.  Der Vater wird schon mal gewalttätig und zusammen wetteifern sie, wer die phantastischsten Lügen erzählen kann. Gehen in Lokale, ohne zu bezahlen, schlängeln sich durchs Leben. Welche Geschichten sind wahr und welche sind gut oder weniger gut erfunden? In dieser Familie, die schon ein wenig chaotisch daherkommt, ist alles möglich.

Die Autorin nimmt den Leser mit in ihre Kindheit bis hin zur erwachsenen Frau. Von Italien über New York und zurück reist sie später dann nach Indien, um jetzt in London zu leben. Erzählt ihr Gefühl, nirgends so richtig dazuzugehören, sich nie heimisch zu fühlen.

Ihren Gedankensprüngen war nicht immer leicht zu folgen. Ist sie noch in einer Geschichte, springt sie unvermutet in die nächste. Eine ewig Suchende – so kommt mir Claudia Durastani vor. Ihre gehörlosen Eltern lebten eine gewisse Leichtigkeit vor, derer sie sich vielleicht bedienen mussten, um nicht unterzugehen. All die beschriebenen Momente – fiktiv aufbereitet, um von der Familie zu erzählen und doch nicht alles preiszugeben. Wahrheit und Fantasie wechseln sich ab und es bleibt dem Leser überlassen, zu sortieren, seine Gedanken einzuordnen.

 „Ist das denn auch eine wahre Geschichte?“ – diese letzte Satz, diese Frage - das ganze Buch besteht daraus wahr zu sein oder auch nicht.

Das Lesen war ein auf und ab der Gefühle. War ich zu Anfang gerne dabei, so schwankte ich später so manches Mal zwischen weiterlesen und aufhören. „Die Fremde“ blieb mir doch in weiten Teilen fremd, wenngleich ich gelegentlich eine angenehme Zeit mit ihr verbrachte.