Rezension

Eine Reise in die Tiefen der Erinerungen

Die Fremde -

Die Fremde
von Claudia Durastanti

Eine Reise in die Tiefen der Erinnerungen

In diesem autofiktionalen Roman erzählt Claudia Durastanti von ihrem Leben, indem sie einzelne Erinnerungen, die sie geprägt haben, an die Oberfläche holt und ihre Gedanken und Gefühle dazu teilt. Es fängt mit der Geschichte ihrer gehörlosen Eltern an, die sich schon sehr früh wie Fremde gefühlt haben und ihren eigenen, außergewöhnlichen Weg gehen. Claudia und ihr Bruder sind dabei auf sich allein gestellt, da ihre Eltern  eher mit sich selbst beschäftigt sind. Das, was sie in ihrer Kindheit erlebt hat, hinterlässt Spuren in ihrer Jugend und ihrem Leben als erwachsene Frau. Sie lässt uns an ihrer Entwicklung und ihren Gedanken teilhaben.

 

Meinung:

Claudia Durastanti hat einen anspruchsvollen Roman geschrieben, der mehrere wichtige und interessante Themen aufgreift, die aktuell sind und höchstwahrscheinlich viele Personen betreffen. Sie schreibt dabei teilweise sehr distanziert, teilweise sehr persönlich, was mir sehr gut gefallen hat. 

Die Auswahl der Erinnerungen im Roman sagt viel über sie aus und schafft auf eine geschickte Weise eine Nähe zu ihr. Dabei haben mich ihre Reflexionen über Sprache sehr fasziniert. Sie untersucht die Wörter wie "desire path" oder das italienische Wort "sentire" auf ihr Bedeutungsspektrum, während sie einsieht, dass diese Sprache mit ihrer Ironie und ihren Metaphern für die Gehörlosen und somit auch ihren Eltern nicht zugänglich ist. Ich habe viele interessante Fakten über die Gehörlosigkeit und die Sprache an sich gelernt, was mir besonders gut an diesem Buch gefallen hat. 

"Wenn wir zusammen sind, betreten wir diese unbekannte Sphäre, den Schwarzmarkt der Sprache: Ich mute ihnen Allegorien zu, sie wehren mich ab, indem sie sich auf die Eindeutigkeit der Wörter, ihre unmögliche Allgegenwart berufen." (S.191)

 

Sie selbst schreibt sehr metaphorisch und in einem hohen Stil. Manchmal sind ihre Aussagen leider zu verworren, sodass man die Stelle mehrfach liest und trotzdem nicht weiß, was sie damit sagen möchte. 

Es handelt sich hier nicht um eine chronologische Geschichte, sondern es werden verschiedene Szenen aus ihrer Vergangenheit episodenhaft beleuchtet, anhand derer man Claudias Gefühle des Fremdseins, der Isoliertheit und der Ausgeschlossenheit als Migrantin sehr gut nachvollziehen kann. Sie nimmt uns mit auf ihre Reise, die Erlebnisse aus der Vergangenheit zu verarbeiten. Dabei sind die Ereignisse sehr vielfältig und faszinierend, teilweise auch schockierend.

Die großen Themen Sprache und Fremdsein hat sie meiner Meinung nach sehr schön behandelt. Auch der Bezug zu ihren Eltern und der sich verändernde Umgang mit ihnen ist sehr interessant. Zwischen den sehr treffenden und berührenden Passagen liegen leider auch einige wirre Stellen, die den Lesefluss stark abbremsen und meine Begeisterung abgemildert haben. Sie haben mich in der Hinsicht unbefriedigt lassen, dass sie zu ungenau waren und man nicht wusste, was damit nun gemeint ist.

 

Fazit: 

Dieser Roman ist einzigartig und auf seine Art faszinierend. Die Art, wie sich ihre Erinnerungen mosaikartig zu ihrer jetzigen Person zusammenfügen, ist besonders. Die wirren und ungenauen Stellen bremsen jedoch den Lesefluss ein wenig ab, aber viele Gefühle bringt sie auf den Punkt und besonders schön analysiert sie die Facetten der Sprache.