Rezension

Brisant, aktuell und politisch, zum Schluss zu sehr ins Private abgleitend

Die Jagd -

Die Jagd
von Sasha Filipenko

Bewertet mit 3 Sternen

Anfangs von großer Aktualität und Brisanz, dann abflachend ins mehr Private, zum Ende unglaubwürdiges Verhalten einiger Personen

Filipenkos erstes Buch 'Rote Kreuze' hatte mir nicht sonderlich gefallen, aber jetzt wollte ich es aus Aktualitätsgründen noch einmal mit ihm versuchen. Und hochaktuell ist dieses Buch tatsächlich, hochpolitisch und brisant. Kein Wunder, dass der weißrussische junge Autor inzwischen mit seiner Familie in Deutschland lebt, denn in seinem Land und in Russland herrscht Zensur, heute mehr denn je und wehe dem, der systemkritische Äußerungen abgibt.

In teils abgehackter, teils flüssiger Sprache erzählt der Autor die Geschichte eines Oligarchen und eines Journalisten, deren Schicksale eng miteinander verknüpft sind. Das anfangs sehr Episodenhafte und die vielen Zeitsprünge machten mir zuerst schwer, den Überblick zu behalten, dazu der übliche Namenswirrwarr (Alexander/Sascha), den wir von russischen Romanen schon kennen. Da halfen mir Notizen, die ich aber nur anfangs brauchte. Ich dachte an 4 Sterne...

Dann wurde die Geschichte nicht nur besser verständlich, weil sich die Handlungsfäden miteinander verknüpften, sondern auch hoch brisant, sehr politisch und brandaktuell. Eingeschoben der LEERE, aber gerade deshalb um so bedeutsamere Blogeintrag, der vor Gericht verhandelt wird und schlimme Folgen hat, wohl eine Satire, eine bissige, skurrile. Ich dachte an 5 Sterne...

'Vielmehr scheint mir, dass ich nicht der Einzige bin, der leere Nachrichten versendet... Unser Imperator spricht in Worten, die nichts bedeuten, sein Gefolge denkt sich Gesetze aus, die keinen Sinn ergeben ...' (13)

'Ein erstaunliches Land. Patriotismus wird hier nicht an Taten gemessen, sondern an der Bereitschaft, auch die idiotischsten Ideen des Führers mitzutragen.' (43)

'Russland ist ein Land der Klischees. Die Leute sprechen mehrheitlich in den Parolen, die sie tags zuvor im Fernsehen aufgeschnappt haben. Es ist nicht üblich, Informationen zu verdauen.' (44)

'Russland ist ein Land, in dem die Mehrheit nur Lügen glauben will.' (71)

Das ist harter Tobak, es sind gefährliche Äußerungen, die vielleicht teilweise etwas zu sehr verallgemeinert sind? Wer kann das schon beurteilen?!

Leider verwandelt sich die Gschichte dann in meinen Augen zu einem privaten Rache- und Unterdrückungsfeldzug eines Oligarchen gegen einen Journalisten, der in einem unglaubwürdigen, ungeheuerlichen Ende seinen schrecklichen Höhepunkt findet und dem die politische Aussage nach meinem Eindruck weitgehend verloren gegangen ist. Wie schade! Also doch keine 5 Sterne, nicht mal 4.