Rezension

ALANITO - ALT, ABER NICHT TOT!

Eierlikörtage - Hendrik Groen

Eierlikörtage
von Hendrik Groen

Bewertet mit 4 Sternen

Was erwartet man von einem Leben im Altersheim? Hendrik Groen zeigt mit seinem Alt-aber-nicht-tot-Club, dass jede schöne Stunde zählt.

Hendrik Groen mag alt sein (83 ¼, um genau zu sein), aber er ist noch lange nicht tot. Zugegeben, seine täglichen Spaziergänge werden kürzer, weil die Beine nicht mehr recht wollen, und er muss regelmäßig zum Arzt. Aber deshalb nur noch Kaffee trinken, die Geranien anstarren und auf das Ende warten? Kommt nicht in Frage! Ganz im Gegenteil. 83 Jahre lang hat Hendrik immer nur Ja und Amen gesagt. Doch in diesem Jahr wird er ein Tagebuch führen und darin endlich alles rauslassen – ein unzensierter Blick auf das Leben in einem Altenheim in Amsterdam-Nord. Das ist richtig lustig und zugleich so herzzerreißend, dass wir Hendrik am Ende dieses Jahres nicht mehr aus unserem Leben lassen wollen. (Klappentext)

Was erwartet man von einem Leben im Altersheim? Letzte Station, Pflegenotstand, Verwahrungsanstalt mit wenigen Höhepunkten? Nun ja, Hendrik Groen lebt mit seinen 83 1/4 Jahren in genau so einem Altersheim und sitzt seine Zeit ab. Dementsprechend deprimiert ist er auch häufig, zumal ihm die anderen Mitbewohner mit ihrer ewigen Nörgelei und Meckerei sowie mit ihrem ständigen Gerede über Krankheiten und Gebrechen gehörig auf die Nerven gehen. 

 

"Endlose Ströme nutzloser Wörter, die alles überwuchern wie erstickendes Unkraut - ohne vorher nachzudenken, ohne Bedeutung, zwanghaft. Ausgesprochen, um der Umgebung zu zeigen, dass der Sprecher noch nicht tot ist und auch noch was zu melden hat." 

 

Um wieder mehr Positives in sein Leben zu holen, beginnt Hendrik schließlich Tagebuch zu schreiben - genau jenes, was ich nun gehört habe. Ehrlich gesagt war mir der Schreiber nicht gleich zu Beginn sympathisch - das entwickelte sich erst allmählich, je mehr Hendrik über sich preisgab und ja, auch je mehr er sich im Verlauf des Jahres veränderte. Das Tagebuch bietet einen guten Einblick in den Alltag und die Abläufe im Altersheim sowie über die verschiedenen Charaktere von Bewohnern über das Personal bis hin zur Heimleitung. Deutlich wird auch gleich zu Beginn, dass die Perspektivlosigkeit der letzten Wohnstätte oft für Niedergeschlagenheit sorgt und dass man schon sehr aktiv dagegen angehen muss.

Doch Hendrik schöpft im Verlauf des Jahres, das dieses Tagebuch darstellt, allmählich wieder neuen Lebensmut. Gebrechen, klar, die lassen sich nicht wegdiskutieren. Aber wichtig ist doch, was man trotzdem noch alles unternehmen kann. Mit einigen Gleichgesinnten gründet Hendrik schließlich den ALANITO-Club (im Sinne von: alt aber nicht tot). Wechselseitig sorgen die Mitglieder jeweils für einen unterhaltsamen Tagesausflug, der alle aus ihrer Lethargie reißt und die Lebensfreude wieder weckt. Freundschaften bilden sich heraus, eine kleine eingeschworene Gemeinschaft, und vereinzelt auch noch ein wenig mehr als Freundschaft.

Hier wird nichts beschönigt, aber einiges wird doch auf die Schippe genommen und bemängelt, ein wenig anarchisch geht es hier auch zu. Dazu der Wunsch nach Würde entgegen allen Widrigkeiten des Alters - und der unbedingte Wille, sich nicht unterbuttern zu lassen. Natürlich gibt es auch schwere Momente, aber auch da ist es eben wichtig, wie man damit umgeht und was man daraus macht - man selbst, aber eben auch gemeinsam mit den anderen des ALANITO-Clubs.

Neben den Vorgängen im Altersheim lässt der Autor immer wieder auch gesellschaftsrelevante und politische Themen anklingen (manchmal durchaus kritisch). Das erfolgt in meinen Augen in einem passenden Rahmen und immer auch in Bezug zu den im Atlersheim lebenden Menschen. Auch das Thema Wunsch nach Sterbehilfe kommt immer wieder einmal auf - je nach Lebenssituation womöglich ein verständlicher Gedanke, und in Holland ja durchaus möglich. Aber solche ernsten Themen werden nur angekratzt und nicht vertieft, so dass die Erzählung nicht zu düster wird. 

Felix von Manteuffel liest die ungekürzte Hörbuchausgabe (11 Stunden und 55 Minuten) versiert und leichtfüßig, ihm nimmt man die Figur des Hendrik Groen auch durchaus ab. Das Hörerlebnis war angenehm, die Erzählung selbst unterhaltsam, aber manchmal eben auch berührend. 

Da es sich hierbei um den ersten Band einer Trilogie handelt, wie ich jetzt entdeckt habe, dürfte sich von selbst verstehen, dass Hendrik Groen hier nicht zum letzten Mal Tagebuch geschrieben hat. Gerne höre ich daher auch den zweiten Teil, sollte der mir demnächst über den Weg laufen.

 

© Parden