Rezension

1 Hospiz, 12 Bewohner, 1 Mörder

Die Flockenleserin
von Mike Powelz

Bewertet mit 4 Sternen

Kurzbeschreibung
Im Grunde ist ein Hospiz wie ein schönes Hotel – kein bisschen düster. Weiße Ärztekittel? Fehlanzeige. Haustiere? Erlaubt. Feste Besuchszeiten? Nein. Vorzeitig auschecken? Auch das kommt vor … Doch natürlich gibt es Unterschiede zu normalen Hotels. Schließlich sterben die Gäste im »Hotel Hospiz«. Außerdem sind sie ehrlicher als an jedem anderen Ort, egal ob Manager oder Obdachloser, Schwuler oder Neonazi, piekfeine Dame oder Aids-Kranke.

Als die kranke Minnie ein Zimmer in Haus Holle bezieht, lernt sie ihre elf Mitbewohner kennen, jeder der Gäste verbirgt ein anderes schmutziges Geheimnis. Plötzlich ereignen sich drei mysteriöse Todesfälle und Minnie fühlt sich dazu berufen zu beweisen, dass ein unheimlicher Serienmörder dahintersteckt.

Über den Autor
Mike Powelz, geboren am 9. September 1971 in Ahaus, ist ein deutscher Journalist. Powelz studierte Germanistik, Publizistik und Kulturwissenschaft in Münster. Während des Studiums schrieb er für Der Monat. Außerdem absolvierte er ein Verlagsvolontariat in der Lindenstraße und beim Hamburger Heinrich-Bauer-Verlag. Heute schreibt er als Chefreporter für HÖRZU, HÖRZU REPORTER, HÖRZU WISSEN und TV DIGITAL, die zur Axel Springer AG gehören – etwa Reportagen über die Arbeit der Kriegsreporterin Antonia Rados in Afghanistan oder Deutschlands bekanntesten Pathologen Dr. Michael Tsokos, der auch die Autoren des Münster-Tatorts berät. Er führte Interviews mit Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt, vielen Filmgrößen und ist Mit-Organisator der GOLDENEN KAMERA von HÖRZU. »Die Flockenleserin« ist sein erster Roman. Mike Powelz ist verheiratet und lebt in Hamburg.

Zum Buch
509 Seiten, aufgegliedert in Kapitel mit Überschriften, die zum jeweiligen Kapitel inhaltlich passen

Der Inhalt
Der Autor Mike Powelz bringt seinen Vater Herbert in ein Hospiz, weil er im Sterben liegt. Mike Powelz ist Journalist und lernt dort einige Menschen und ihre Geschichten kennen - soviel zum realen Teil, der Rest ist fiktiv, wenn auch vieles sich vom Realen "nährt" 
Ein Hospiz, 12 Bewohner und 1 Mörder, darum geht es in der detektivischen Geschichte. 
Ganz besonders oft kommt "Minnie" zu Wort, sie geht am 1. November ins Hospiz "Holle" und trifft dort auf allerlei eigensinnige, skurile, verschrobene, seltsame Gäste. Mit einigen freundet sie sich an, andere bleiben Gäste für sie. 
Kaum dort angekommen kommt ein Ehepaar ums Leben und Minnie glaubt sofort an Mord, was die weiteren Umstände auch bestätigen. Doch mit wem darüber reden? Sie hat einen sehr guten Draht zu Mike, dem Vater von Herbert und weiht ihn in ihre Gedanken ein. Mike ist sofort auf ihrer Seite und so erwacht in beiden der detektivische Spürsinn. Kurz darauf geschieht ein weiterer Mord, der fast nicht als solcher erkannt wird.
Mike und Minnie versuchen das Rätsel im Geheimen aber sehr ernsthaft und engagiert zu lösen und sie kommen dem Mörder auch schließlich auf die Schliche und wollen ihn in eine Falle tappen lassen, um ihn zu überführen.
Zwischenzeitlich sterben immer mehr Menschen im Hospiz, aber es ist schwer, dort zu erkennen, ob sie an ihrer Erkrankung gestorben sind oder auch dem Serienmörder zum Opfer gefallen sind, die Lage spitzt sich immer mehr zu.
Das Ende kommt auch erst zum Ende und ist wahrhaftig überraschend und so niemals hervorsehbar...

Meine Meinung
Dieser Roman wurde im Amazonpublishing herausgebracht, was mich etwas skeptisch gemacht hat, aber die guten Rezensionen und das Thema Hospiz haben mich zuschlagen lassen und ich bin froh drum. Natürlich ist es ein kriminalistisch-dektivischer Roman, ABER das ganze spielt in einem Hospiz und das macht das ganze "tief", denn der Leser erfährt mit jeder Zeile etwas über die Menschen, die dort ihre letzte Zuflucht suchen, über ihre Leiden, über ihre Angst vor dem Tod, über ihre Angst vor dem Sterbeprozess, über den Umgang mit solche totgeweihten Menschen. Das Buch hat Tiefe und Mike Powelz schafft es, die kriminalistische Geschichte in diesen Hospizalltag zu integrieren.
Wer also eine rein detektivische Geschichte erwartet, wird enttäuscht sein, denn in manchen Kapiteln kommt der Krimi zu kurz. Auch wenn es unterschwellig immer um ihn geht. Der Leser erfährt sehr viel über die Gedanken der Sterbenden, was sie fürchten, was sie denken. Der Alltag im Hospiz wird sehr gut und ausführlich geschildert.
Sehr schön zu lesen auch die unterschiedlichen Charaktere, die so ein Hospiz aufsuchen. Politiker, AIDS-Kranke, Hundezüchter, Gefängniswärter, Studenten - aus allen Schichten treffen dort Menschen aufeinander und müssen irgendwie miteinander klar kommen und tun es auch auf ihre eigene Art und Weise. Sie arrangieren sich oder gehen sich aus dem Weg, denn auch, wenn sie dem Tode geweiht sind, ist ihnen nicht alles egal, ganz im Gegenteil.
Die Morde sind erstmal als solche nicht sofort zu erkennen und werden durch Minnies Spürsinn aufgedeckt. Die Aufklärung erfolgt peu á peu, während immer wieder Gäste sterben und neue Bewohner hinzukommen. Ein Kommen und Gehen und zum Schluss weiß man nicht mehr, eines natürliches Todes gestorben ist und wer dem Serienmörder zum Opfer gefallen ist. Doch am Ende wird alles aufgeklärt, ohne jedoch, wie es in vielen Romanen ist, mit einem überschnellen Ende, sondern langsam aufgebaut, ohne Eile, sondern einfach zur Situation im Hospiz passend, zum Sterbeprozess aller Beteiligten, was mir sehr gut gefallen hat, denn zu oft wollen Autoren zum Ende hin schnell fertig werden, Mike Powelz hat das sehr gut gemeistert, glaubwürdig und angepasst an den Inhalt.

Lasst mich abschließend nochmal sagen, dass dieses Buch kein Thriller ist, sondern ein Roman mit einem ungewöhnlichen Schauplatz, welcher dem Buch schon eine gewisse Ernsthaftigkeit abverlangt, eine Thematik, die unumgänglich ist. Und mitten drin ein Serienmörder, der aus dem Umfeld kommt und nicht von Außen. Dazu der detektivische Spürsinn eines direkten Bewohners (Minnie) und eines Angehörigen (Mike). Spannung und Dramatik wechseln sich ab. Ich betone aber, dass es sich um gediegene Spannung handelt, um natürliche Dramatik. Nichts Sensationelles, thrillmäßiges. 
Meiner Meinung nach hätte man das Buch auch als Roman veröffentlichen können.

Der Einstieg ist erstmal gänzlich ohne kriminalistischen Anteil, das kommt erst nach ca. 2 Kapiteln. Es geht also nicht direkt mit dem Mord los, sondern erstmal geht es um Minnies Ankunft und die 11 anderen Bewohner dort, wer sie sind, welche Erkrankungen sie haben, etc. Dann geschieht der erste Doppelmord.

Ich mag nicht mehr verraten, sonst zerrede ich es.

Mein Fazit
Dieses Buch ist nicht "gewaltig", "sensationell", "bestsellerverdächtig" - nein, es ist unterhaltsam, tiefsinnig, leicht spannend und aufklärend.
Wen das Thema Hospiz, Sterben, Krebs und Menschen interessiert und wer eine Detektivgeschichte dazu mag, der ist gut beraten mit "Der Flockenleserin"