Rezension

10 Jahre nach dem Bündnis - was vor den "Chroniken der Unterwelt" geschah...

Chroniken der Schattenjäger 01. Clockwork Angel - Cassandra Clare

Chroniken der Schattenjäger 01. Clockwork Angel
von Cassandra Clare

Zitat:
„Ganz gleich, wie das äußere Erscheinungsbild eines Menschen ist“, sagte er gedehnt, „ob du männlich oder weiblich, stark oder schwach, krank oder gesund bist – all diese Dinge sind von geringerer Bedeutung als das, was dein Herz enthält. Wenn du das Herz eines Kriegers hast, dann bist du auch ein Krieger. Alle anderen Dinge sind nur wie das Glas einer Lampe, aber du bist das Licht, das darin scheint“, erklärte er versonnen, schien sich dann wieder zu fangen und lächelte leicht verlegen. „Das glaube ich zumindest.“
(S. 338)

Inhalt:
April 1878
Nach dem Tod ihrer Tante soll Tess zu ihrem letzten verbliebenen Verwandten, ihrem Bruder Nate, nach London reisen.
Anstelle von ihm erwarten sie am Anleger zwei düster aussehende Frauen, die behaupten, im Auftrag Nates zu handeln. Sie nehmen Tess gefangen und lehren sie, ihre Fähigkeit zu nutzen, sich in jegliche Person zu verwandeln. Als Tess sich auch in ein bereits verstorbenes Mädchen verwandeln kann, ist es so weit. Die dunklen Schwestern wollen sie an den „Magister“ zur Vermählung übergeben.
Mit Hilfe von Will, der der Spur des Mädchens folgt, dessen Leiche er gefunden und in das sich Tess zuletzt verwandelt hat, gelingt es ihr, in einem großen Kampf gegen die Schwestern zu fliehen.
Nun befindet sie sich im „Institut“ und wird von Will und der Leiterin Charlotte in die Welt der Schattenjäger eingeführt, wird aufgeklärt, dass sie selbst zu den Schattenwesen gehören muss. Charlotte hilft Tess, ihren Bruder Nate zu suchen.
Dabei stoßen sie auf Geheimnisse, die die gesamte alte Welt verändern könnten.

Meinung:
Lange, lange, laaaaange habe ich die „Chroniken der Schattenjäger“ gesammelt und auf dem SuB schmoren lassen. Da die Reihe nun komplett ist, konnte ich endlich mit dem Lesen beginnen, ohne fiese Cliffhanger befürchten zu müssen.

Der Prolog mit seiner kurzen Episode aus einem Kampf gegen einen Dämon und dem Mord an einem jungen Mädchen machte mich neugierig. Der Schwenk zu Tess und ihrer Ankunft in Southampton stimmte mich auf die weitere Geschichte ein.

Tess erzählt dem Leser von dem Klockwerk-Engel, wie sehr sie damit verbunden ist und von ihrem bisherigen Leben und wieso sie nach London möchte.
Anstelle ihres Bruders Nate findet sie am Anleger aber nur zwei Frauen, die behaupten, von Nate geschickt worden zu sein. Sechs Wochen später befindet sich Tess immer noch in Gefangenschaft.
Von da an ging es plötzlich recht schnell. Tess wurde beigebracht, die Gestalt zu wandeln und soll einem gewissen „Magister“ übergeben werden, der sie heiraten will. Beinahe in letzter Sekunde wird sie von Will gerettet und befindet sich kurz darauf in einer wilden Schlacht.
Wenig später bekommt Tess die ersten Einblicke in die Welt neben der der Menschen, von der sie als Gestaltwandler definitiv ein Teil sein muss.

Cassandra Clare schaffte erneut meisterhafte Charaktere, die eine (dunkle) Vergangenheit haben, in Geheimnisse gehüllt sind und so eine Vielschichtigkeit besitzen, die durchaus für Überraschungen sorgt.

Die Protagonistin Tess, aus deren Sicht - neben kurzen Schwenks auf andere Perspektiven – der Großteil des Buches im personalen Stil erzählt wird, ist auf den ersten Blick ein normales (menschliches) Mädchen. Doch schon nach wenigen Seiten wird klar, dass sie das aufgrund ihrer Fähigkeit nicht sein kann. Aber was ist sie? Darüber lässt die Autorin ihre Leser grübeln, während sie die Geschichte mit genügend Ablenkung vorantreibt.

Ablenkung in Form von Schattenjägern wie Will, dessen unterschiedliche Signale Tess nicht deuten kann und den ein großes Geheimnis umgibt. Oder in Form von seinem Kampfpartner Jem, der irgendwie anders ist, selbst für einen Schattenjäger.
Lesern von Cassandra Clares Büchern dürfte auch der Hexenmeister Magnus Bane ein Begriff sein, der bereits in der Vergangenheit der Schattenjäger auftaucht.

Da ich die „Chroniken der Unterwelt/City of“-Serie bereits gelesen habe, dachte ich, ich wäre mit den Wesen der von Frau Clare erschaffenen Welt vertraut. Doch auch hier konnte sie mich überraschen. Die europäische Vergangenheit der Schattenjäger hat es durchaus in sich. Das Abkommen zwischen Nephilim und Schattenweltler ist gerade mal zehn Jahre jung, ein Bruch zwischen ihnen fand noch nicht statt, man konnte noch vermeintliche Partner zu Nephilim „machen“. Alleine hierdurch konnte mich die Autorin wieder von ihrer Welt absolut überzeugen. Hinzu kommt ihre Idee, den Schattenjägern eine riesige Portion Emanzipation zukommen zu lassen. War es zu der Zeit allgemein verpöhnt, Frauen abseits von Kindererziehung und Herd zu sehen, steckt Frau Clare ihre weiblichen Schattenjäger in Hosen und lässt sie kämpfen wie alle anderen. Auch das Duzen untereinander und die Anrede mit Vornamen, waren sehr fortschrittlich.

Sehr futuristisch hingegen war der technische Teil des Buches: die Klockwerk-Maschinen, Mechanik, Wissenschaft. Diese Punkte waren mir etwas suspekt und sind wohl im Allgemeinen nicht so ganz mein Fall. Da es aber nur ein Puzzleteil des großen Ganzen war, hat es mich nicht weiter gestört.

Der Schreibstil von Cassandra Clare ist leicht und flüssig, lediglich mit den teils seitenlangen Beschreibungen der Szenerie konnte mich die Autorin weniger begeistern. So hatte ich oft das Bedürfnis, die erwähnten Seiten nur zu überfliegen, um meiner eigenen Fantasie etwas Raum zu lassen. Aus Angst, etwas Wichtiges zu verpassen, verkniff ich mir das Querlesen, was dann zu gefühlten Längen führte. Ein paar Stolperfallen verursachte auch die Übersetzung des „Clockwork Angels“ und anderer mechanischer Teile in „Klockwerk“-Engel und Co.
Was Spannung und Neugierde an der erzählten Geschichte angeht, kann man der Autorin nichts vorhalten. Sie schaffte es immer wieder, mich zu überraschen, baute Geheimnisse ein und ließ so manche Vergangenheit im Nebel Londons gehüllt.

Mit ihrem Ende hat die Autorin diese Geschichte wunderbar abgerundet, lässt aber noch zahlreiche Fragen offen, die der Epilog dann noch in eine ganz bestimmte Richtung drängt. Neugierig wie ich bin, muss ich wohl bald zum „Clockwork Prince“ greifen.

Urteil:
Cassandra Clare ist eine Meisterin darin, vielschichtige, interessante und überraschende Charaktere zu erschaffen, die in der von ihr entwickelten Welt mit all ihren Regeln und Hintergründen absolut authentisch sind. Spannungsmomente und Emotionen greifen wie Zahnräder ineinander, treiben die Geschichte gemeinsam mit unerwarteten Wendungen voran. Lediglich der für meinen Geschmack zu detailreiche Stil der Autorin schmälerte meinen Lesegenuss und ließ für mich Längen entstehen, wo vermutlich keine sind. Aber selbst diese Kritik würde keine Bewertung unter Höchstwertung rechtfertigen. Knappe 5 Bücher für „Clockwork Angel“.

Ein Muss für Fans der „Chroniken der Unterwelt“, die gerne in die Vergangenheit so manch eines Charakters blicken und ein völlig anderes Weltbild zu Gesicht bekommen wollen.

Die Serie:
1. Clockwork Angel
2. Clockwork Prince
3. Clockwork Princess

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