Rezension

12 Jahre

Eis bricht - Raimon Weber

Eis bricht
von Raimon Weber

Bewertet mit 4.5 Sternen

„Er schüttelte sich, öffnete die trockenen Lippen und schnappte nach Luft. Er fror. Der Traum war von Geräuschen, schlimmen Geräuschen, erfüllt gewesen. Knirschen, Brechen, Splittern. Als würde in seinem Schädel Glas zerspringen. Er konnte sich nur noch an das Gefühl von Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein erinnern. Es waren keine Bilder geblieben. Henning Saalbach schlief immer unruhig, wälzte sich im Minutentakt in den Laken bis ihn ein neuer Alptraum überfiel. Aber niemals zuvor hatte ihn sein Unterbewusstsein etwas ähnlich Schlimmem ausgesetzt.“

Vor 12 Jahren war Henning Saalbach ein glücklicher Mann.

Vor 12 Jahren hatte er eine Frau und einen kleinen Sohn.

Vor 12 Jahren war er ein erfolgreicher Autor.

Vor 12 Jahren ließen Henning und seine Frau ihren Sohn Marc abends alleine zuhause und gingen aus.

Vor 12 Jahren wurde Marc an eben diesem Abend im Schlafzimmer seiner Eltern ermordet.

Seit 12 Jahren sitzt sein Mörder im Gefängnis.

Seit 12 Jahren ist in Hennings Leben nichts mehr, wie es war.

Seit 12 Jahren lebt Henning allein. Denn nach Marcs Tod ging auch seine Ehe in die Brüche.

Seit 12 Jahren trinkt Henning viel zu viel.

Seit 12 Jahren hält ihn nur noch der Gedanke an Rache am Leben.

Seit 12 Jahren wartet er auf den Tag, an dem Marcs Mörder entlassen wird.

Dieser Tag ist nun da.

 

Dieser Thriller hat mich wirklich positiv überrascht. Ich hätte nicht gedacht, dass auf 200 Seiten so viel Tiefe entwickelt werden kann. Aber genau das war der Fall.

 

Sensibel wird Hennings Gefühlsleben beleuchtet. Anfangs pendelt die Handlung zwischen Jetzt-Zeit und Rückblicken. Die Rückblicke befassen sich natürlich mit der Nacht des Mordes und machten mich sehr betroffen. Niemanden, der Kinder hat, lässt eine solche Schilderung kalt! Unvorstellbar, wie man danach weiterleben soll! Und sehr gut vorstellbar, dass man sich mit Rachegedanken trägt.

 

Aber was passiert mit diesen Gedanken, wenn der erwartete Tag da ist? Henning befallen Zweifel: Ist das, was er tut, richtig? Was, wenn er sich irrt? Schließlich hat der Täter stets behauptet, dass er Marc nie töten wollte. Henning beginnt, nachzuforschen…

 

Meine Güte, wie oft habe ich mich während des Lesens gefragt, was ich tun würde. Henning war mir sehr sympathisch und ich habe mich ihm immer sehr nah gefühlt. Spannend wurde es auch noch und die 200 Seiten lasen sich wie nichts weg.

 

Manchem Leser wird in diesem Thriller vielleicht zu wenig Blut fließen. Aber für mich persönlich war durch die Thematik des Kindermordes wahrlich genug „thrill“ in dem Buch.

 

Fazit: Spannend, mit berührender Thematik. Schnell zu lesen und daher ideal für „zwischendurch“.