Rezension

13 Gründe für das Ende eines jungen Lebens

Tote Mädchen lügen nicht - Jay Asher

Tote Mädchen lügen nicht
von Jay Asher

Bewertet mit 5 Sternen

Achtung: Triggerwarnung: Vergewaltigung, Stalking, Mobbing, Selbstmord!

 

 

Vor zwei Wochen hat die Schülerin Hannah Baker Selbstmord begangen. Doch sie hat etwas hinterlassen: 7 Kassetten, auf denen sie 13 Gründe für ihre Entscheidung darlegt.
Jeder, der auf dieser Liste steht, bekommt der Reihe nach, die Kassetten per Post. Gerade hat sie Clay Jensen bekommen, der in Hannah verliebt gewesen war und sie sehr vermisst.

Mit jedem weiteren Grund erkennt Clay, die Warnzeichen, die er zuvor, wie auch alle anderen, übersehen hat und er lernt, dass er im Grunde genommen nur sehr wenig über Hannah Baker wusste.

 

 

Neben den Kassetten hat Hannah auch einen Stadtplan hinterlassen, auf dem sie Orte markiert hat, die für sie Schlüsselmomente markieren. Folgt man ihrer Geschichte, besucht man automatisch auch die dazugehörigen Orte, auch sie helfen zu verstehen. 

 

Das Buch macht deutlich, dass Hannah definitiv von vielen Mitschülern schlecht, manchmal sogar vorsätzlich grausam behandelt worden ist. Ich muss dazu sagen, dass ich selbst fast meine gesamte Schulzeit über gemobbt wurde und weiß, wie sich das anfühlt. Gut, bei mir war es nicht so extrem wie bei Hannah an mancher Stelle, aber schlimm genug. Ich hatte den Tiefpunkt mit 13 Jahren. Allerdings haben mich die Worte gerettet. Anders als Hannah, habe ich meine aber niemandem gezeigt. Ich habe einfach alles aufgeschrieben, was mir die Worte gesagt haben, daraus wurden viele, viele Gedichte. Mich haben diese Gedichte gerettet, als es auch für mich keinen Anker mehr gab. Ich glaube, das ist einer der Hauptgründe, warum ich heute noch hier bin und diese Rezension schreiben kann. 

Ich verrate euch das nicht, weil ich Mitleid will, ich schreibe euch das, weil ich nachvollziehen kann, wie sich Hannah gefühlt hat. Wenn Dinge, die für andere Lappalien sind, euch den Boden unter den Füßen wegzieht. Wenn ihr genau wisst, dass euch jemand benutzt, ihr aber trotzdem irgendwie doch noch die Hoffnung habt, dass es nicht so ist und ihr euch in der Menschheit getäuscht habt.

Ich weiß genau, wie das ist. 

 

 

Hannahs Gründe sind sehr unterschiedlich. Manchmal geht es um etwas, dass ihr angetan wurde, manchmal um etwas, für dass sie sich schuldig fühlt und manchmal sind es von außen betrachtet Kleinigkeiten, die aber auf einen Menschen, der sowieso schon am Abgrund balanciert, verheerende Auswirkungen haben können.

 

Dieses Buch schafft es, Hannahs Gefühle und Gedanken zu vermitteln. Man durchlebt die Situationen mit ihr und hat gleichzeitig die ältere Hannah im Ohr, die einem einiges voraus hat und die Situation teilweise in einen ganz anderen Kontext setzen kann, denn sie weiß ja, wie es danach weiterging.

 

Allerdings darf man dabei auch nicht vergessen, dass man nur Hannahs Sichtweise der Dinge erfährt. Es ist ihre Geschichte, so wie sie sie erzählen will. Es ist keine objektive Beschreibung.

 

Das Buch ist wirklich heftig und alle, deren Gefühle stark von Büchern beeinflusst werden, sollten von diesem hier besser die Finger lassen. Es hängt einem einfach nach.

„Tote Mädchen lügen nicht“ wurde von Netflix als Serie verfilmt. Die Serie ist in meinen Augen teilweise besser und teilweise schwächer als das Buch.

 

Was mir persönlich an der Serie besser gefällt ist, dass einige Situationen einfach in der Serie anders rüberkommen und eindeutiger werden, als im Buch. Ein Beispiel dafür ist die Sache im Whirlpool. Eine andere die Reaktion der anderen „Listen-Bewohner“. Manch einer fühlt sich schuldig, andere behaupten Hannah würde lügen und wieder andere wünschen sich, dass Hannah lügt.

 

Was mir an der Serie weniger gut gefiel war die Darstellung von Clay. Ich mag ihn im Buch viel lieber, er ist dort deutlich erwachsener und macht nicht so viele dumme Teenie-Sachen. In der Serie rächt er sich zum Beispiel an Tyler, im Buch steht er darüber. 

 

Die Reihenfolge der Kassetten ist auch unterschiedlich.

 

Ich fand die erste Staffel wirklich gut, auch die zweite, obwohl mir die in der letzten Staffel echt zu extrem wurde. Aber hier geht es vordergründig um die erste Staffel, weil nur die den Inhalt des Buches widergibt.

 

 

Fazit: Wenn ich mich jetzt spontan zwischen Buch und Serie entscheiden müsste, muss ich ehrlich sagen, dass mir letztlich doch das Buch besser gefallen hat, so gut die Serie an manchen Stellen auch ist. Das liegt einfach daran, dass mich Clay in der Serie genervt hat, im Buch aber nicht. 

Beide teilen sich zwei Schwächen und zwar zum einen, dass die Ereignisse an der Schule stark überzogen wirken. Man kann sich kaum vorstellen, dass so viele Verbrechen an dieser Schule begangen werden und niemand schaut hin.

Der zweite Punkt ist, dass beide sich auf Hannahs Sichtweise auf die jeweiligen thematisierten Momente beschränken, wobei die Serie hier auch immer wieder die, wie die mittlerweile legendäre Trump-Pressesprecherin einst sagte, „alternativen Wahrheiten“ der anderen Beteiligten anreißen, aber die Erzählung bleibt dennoch stark einseitig. Doch das ist auch Ziel des Ganzen und daher auch kein „echter“ Kritikpunkt.

 

Trotz der heftigen Thematik und der teilweise wirklich auch sehr schwer verdaulichen Schilderungen, bekommt das Buch von mir volle 5 Sterne, weil es mich wirklich gefesselt hat!