Rezension

15 Nahaufnahmen aus dem Leben niederländischer Frauen

Wär mein Klavier doch ein Pferd - Maria Dermoût, Doris Hermanns, Elisabeth Augustin, Esther Gerritsen, Ellen Ombre, Manon Uphoff, Josepha Mendels, Annie M. G. Schmidt, Helga Ruebsamen, Jill Stolk, Anneloes Timmerije, Margriet de Moor, Sanneke van Hassel, Maartje Wortel, Marga Minco

Wär mein Klavier doch ein Pferd
von Maria Dermout Doris Hermanns Elisabeth Augustin Esther Gerritsen Ellen Ombre Manon Uphoff Josepha Mendels Annie M. G. Schmidt Helga Ruebsamen Jill Stolk Anneloes Timmerije Margriet de Moor Sanneke van Hassel Maartje Wortel Marga Minco

Bewertet mit 5 Sternen

Von den 15 Nahaufnahmen aus dem Leben niederländischer Frauen waren 13 bisher noch nichts ins Deutsche übersetzt. Ausnahmen sind die Erzählungen Elisabeth Augustins und Margriet de Moors. Elisabeth Augustin als 1903 in Berlin geborene Emigrantin aus christlich-jüdischer Familie verkörpert beispielhaft die Brüche im Leben dieser Autorinnen, die teils in den ehemaligen niederländischen Kolonien geboren wurden und in ein ihnen fremdes Land zurückkehrten, oder die vor dem Nationalsozialismus flohen und im Zweiten Weltkrieg bei der Besetzung der Niederlande wieder von ihren Verfolgern eingeholt wurden. Drei der Erzählungen berichten von der Verfolgung von Juden während des Nationalsozialismus. Jill Stolk ist 1952 geboren und widmet ihre Kurzgeschichte Kindern, deren Eltern interniert waren und ihr Trauma an die nächste Generation weitergaben; auf verstörende Art durchlebt ihre Heldin an einem einzigen Tag in einem Ferienlager die Internierung ihres Vaters in einem Lager. Neben Margriet de Moor sind Helga Ruebsamen in Deutschland bekannt (Das Lied und die Wahrheit 1998) und Annie M. G. Schmidt als Kinderbuchautorin. Die älteste hier vertretene Autorin ist mit Jahrgang 1888 Maria Dermoût - geboren auf Java, die jüngste mit Jahrgang 1982 Maartje Wortel. Wortel zeigt eine Produzentin, die im Rahmen einer Dokumentarserie Frauenporträts dreht und eine Frau selbst erzählen lässt, die nach dem Krieg nach Kanada emigrierte. Außer Emigration und Kolonialismus (und der daraus entstehenden Begegnung unterschiedlicher Kulturen) werden das Anderssein und verschiedenste Grenzüberschreitungen thematisiert. Von konfessionsverschiedenen Ehen, über das Geheimnis um die Herkunft eines Kindes, die erste Begegnung einer Bauernfamilie mit Elektrifizierung in den 20er Jahren, einen Besuch im Hamam bis zum Tod eines Lehrers. Durch die Ichform und die biografischen Anteile der Texte erhält der Band thematisch eine besondere Geschlossenheit. Wie immer in der edition fünf ist das Buch bibliografisch sorgfältig bearbeitet mit Kurzbiografien der Autorinnen und Übersetzerinnen und einem informativen Nachwort der Herausgeberin, das auf die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und den Niederlanden verweist, die gern einmal übersehen werden.