Rezension

1947

Echo der Toten. Ein Fall für Friederike Matthée - Beate Sauer

Echo der Toten. Ein Fall für Friederike Matthée
von Beate Sauer

Bewertet mit 5 Sternen

1947

Beate Sauer hat mit "Echo der Toten" einen historischen Kriminalroman geschrieben, angesiedelt kurz nach Ende des 2.Weltkrieges. Es ist sowohl ein Krimi um einen Mordfall in der Eifel, als auch ein Roman um das Schicksal einer kriegstraumatisierten jungen Frau. Friederike Matthée hatte eine sorgenfreie Jugend auf dem Landgut ihrer Eltern in Ostpreußen. Mit ihrer Mutter flieht sie nach Köln. Beide Frauen wurden mehrfach von russischen Soldaten vergewaltigt. Jede verarbeitet die Vergangenheit anders. Die Mutter verliert den Bezug zur Realität, wohingegen Friederike sich ihr stellt. Mit ihrer Anstellung bei der weiblichen Polizei sichert sie ihnen das Überleben unter widrigen Umständen. Nahrung und Wohnraum sind knapp, der Hunger stets gegenwärtig und im Januar sorgt die anhaltende Kälte für einen weiteren Tiefpunkt. Man mag es kaum glauben, dass die Autorin diese schlimme Zeit nicht selbst erlebt hat, denn als Leser leidet man mit, so eindringlich wird die Situation dargestellt. Friederikes Wille ist immer noch stark, deswegen hat sie Schwierigkeiten, sich in den dumpfen Polizeidrill einzufügen. Ihre Vorgesetzte ist sehr mit ihr unzufrieden, und der Verlust der Arbeit hängt ständig als Damoklesschwert über ihr. Das würde Verlust von Unterkunft und regelmäßigen Mahlzeiten bedeuten. 

Friederike hat aber auch Talente: neben Englischkenntnissen besitzt sie ein gutes psychologisches Einfühlungsvermögen, besonders gut kann sie mit Kindern umgehen. Deswegen wird sie Richard Davies von der britischen Militärpolizei bald unentbehrlich bei der Morduntersuchung an einem Kölner Schwarzhändler. Ein verstummter kleiner Junge ist der einzige Augenzeuge. 

Sicher, das Buch ist ein Krimi, aber diese Mordermittlung hat mich weniger gefesselt als die Darstellung der ganzen Umstände. Nicht nur das Schicksal von Friederike, sondern auch wie schwer die braune Gesinnung aus den Köpfen der Bevölkerung zu tilgen ist. Fremdarbeiter sind immer noch nichts wert, werden behandelt wie Dreck. Aber auch die Einstellung der englischen Besatzer ist erschreckend vorurteilsbehaftet: jeder Deutsche steht erst einmal unter Generalverdacht, eine Nahrungsmittelzuteilung von 800 Kalorien am Tag hat auszureichen, die Deutschen haben ihr Elend verdient. 

Besonders gut gefallen haben mir aber die Beispiele von Personen, die sich wie Friederike nichts haben zu schulden kommen lassen. 

- Ein Priester, den die Lagerhaft nicht beugen konnte und der auch nach Kriegsende unmissverständlich zeigt, wen er verachtet. 

- ja, auch der ermordetet Schwarzhändler, der nicht in erster Linie in die eigene Tasche gewirtschaftet hat, sondern eigentlich durch den Schwarzhandel vielen Menschen das Überleben ermöglichen konnte. 

Aber auch Richard Davies wird als zerrissene Persönlichkeit ausgezeichnet charakterisiert. Nach und nach bekommt der Leser Einblicke in seine Jugend und versteht, welche Schuld auf ihm lastet und ihn zu dem Menschen hat werden lassen, der er nun ist. 
Friederike und Richard, vielleicht zeigt eine Fortsetzung, ob ihre Gefühle zueinander eine Zukunft haben. 

Mich würde das sehr interessieren, eben weil "Echo der Toten" so ein vielschichtiger, tiefgründiger Roman ist, der sich nicht auf Schwarz-Weiß-Malerei beschränkt, sondern das Leben im Nachkriegsdeutschland aus den verschiedensten Perspektiven ausleuchtet.