Rezension

26. Dezember 1974

Am Tag davor
von Sorj Chalandon

Bewertet mit 5 Sternen

Meine Meinung und Inhalt

„Das war es. Eine offene Wunde. Ein Schmerz, den Frankreich nie geteilt hatte. Ungeachtet aller Bekundungen und Versprechungen endete das Martyrium unseres Volks an den Grenzen des Artois. Das Land teilte unsere Trauer nicht. Als es von der Kohle Abschied nahm, vergaß es, Abschied von seinen Bergleuten zu nehmen.“ (ZITAT)

 

Auf diesen Roman bin ich durch „Das Literarische Quartett vom 9. August 2019“ im ZDF aufmerksam geworden.

Sorj Chalandon, geboren 1952 in Tunis, war viele Jahre lang Journalist bei der Zeitung ›Libération‹ und ist seit 2009 Journalist bei der Wochenzeitung ›Le Canard enchaîné‹. Seine Reportagen über Nordirland und den Prozess gegen Klaus Barbie wurden mit dem Albert-Londres-Preis ausgezeichnet. Auch sein schriftstellerisches Schaffen wurde mit nahezu allen großen französischen Literaturpreisen gewürdigt.

Am 27. Dezember 1974 starben im Schacht 3b 42 Bergleute bei einem Grubenunglück, welches aufgrund eines fatalen Fehlers der Werksleitung geschah. Einen Tag zuvor ereignete sich auch ein Unglück, das erst am Ende der Geschichte deutlich wird.

Die Geschichte spielt in Frankreich und als Leser erfährt man einiges über den Bergbau und den damaligen Wandel.

 

Auch die Meinungen von seinen Eltern, vor allem die seines Vaters, dass Michaels Bruder in den Bergbau einsteigt, wird sehr offen dargelegt.

 

„Ist es das was du willst, Jojo? Sterben für den Profit der staatlichen Kohleindustrie? Krepieren mit einundzwanzig, wie dein Onkel, dem von der Hitze die Brille im Gesicht zerlaufen und dem die Finger miteinander verschmolzen sind? In den Eingeweiden der Erde schwitzen, um die Faulpelze des Reviers zu mästen? (ZITAT)

 

„Die Kohle wird dir nur Kummer machen. Auch wenn du nicht dabei draufgehst. Auch wenn du alles überlebst, den Staub, die unsicheren Ausbauten, die entgleisenden Hunte, die Wüten des Abbauhammers, die Eiseskälte bei der Ausfahrt.  Auch wenn du auf beiden Beinen in die Rente gehst, wirst du die Dreckskohle doch nie loswerden.“ (ZITAT)

 

Sein Bruder stirbt und Michael wird den Schmerz nie wirklich los. Deshalb beginnt der Protagonist einen Rachefeldzug.

 

„Räche uns an der Zeche“ (ZITAT)

 

Michael muss aufgrund seiner Rachehandlung in Haft.

Noch weiß er nicht, dass die Nacht vor dem Unglück anders war, als er es in Erinnerung hat.

 

In Haft  macht ihm anscheinend nichts wirklich Angst macht. Er nimmt sich dort ein paar Tage Zeit, bevor er mit der Anwältin spricht. Alleine sein, um die Bruchstücke seines Lebens einzusammeln und bevor er darüber berichten kann.

 

Ein erschütternder Roman über eine nie enden wollende Schuld, Rache, Verdrängung und Vergessen.

 

Ein unglaublich toller Schreibstil umgibt diese außergewöhnliche Story, welche ab dem letzten Drittel eine wirklich ergreifende und überraschende Wendung vorzuweisen hat.

 

Das Cover und der Titel wurden hervorragend gewählt!

 

Absolute Leseempfehlung meinerseits!