Rezension

3. Fall für Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein

Tiefe Wunden - Nele Neuhaus

Tiefe Wunden
von Nele Neuhaus

Bewertet mit 3 Sternen

Als David Goldberg 1945 Deutschland verlassen hat tat er das, um sein Überleben zu sichern. In den USA wurde er zu einem wichtigen Mann in Washington, war über Jahrzehnte Berater des Weißen Hauses und Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates. Er hatte mit der Rüstungsindustrie zu tun und hat sich aktiv für die Aussöhnung zwischen Deutschland und Israel eingesetzt. Nach nunmehr 60 Jahren in Amerika bekommt Goldberg Heimweh nach Deutschland und deswegen beschließt er, seinen Lebensabend in seiner einstigen Heimat zu verbringen.

Aufgrund seiner zahlreichen geschäftlichen und freundschaftlichen Verpflichtungen in Deutschland, besitzt er seit knapp 20 Jahren ein Haus in der Nähe von Frankfurt, wo er auch hochgeschätztes Mitglied der Jüdischen Gemeinde ist. In diesem Haus findet ihn eines morgens seine Haushälterin in einer knieenden Haltung mit einem Loch im Hinterkopf. Auf einem Spiegel neben dem Toten ist mit Blut eine Zahl geschrieben: 1-6-1-4-5. Bei der Obduktion von Goldberg fällt dem Rechtsmediziner auf der Unterseite des linken Oberarms eine Tätowierung auf, wie sie nur Mitglieder der Waffen-SS hatten. Wie kann das sein, Goldberg war doch Jude?

Kurz darauf gibt es eine weitere Leiche: Hermann Schneider. In seinem Keller findet sich ein kleines Privatkino mit etlichen Ausgaben der „Deutschen Wochenschau“ aus den Jahren 1933 – 1945, Standarten und Fotos mit persönlicher Widmung von Hitler. Schneider wurde mit der gleichen Waffe und auf die gleiche Art und Weise erschossen wie Goldberg. Neben seiner Leiche findet sich ebenfalls die Zahl 1-6-1-4-5.

Die dritte Tote folgt auf dem Fuße. Es handelt sich um Anita Frings. Im Gegensatz zu den beiden Herren wird sie nicht zu Hause erschossen, sondern mit einem Rollstuhl aus der Seniorenresidenz „Taunusblick“ entführt und im angrenzenden Wald durch einen Genickschuss getötet. Der Täter macht sich die Mühe die alte Dame auszuziehen und auf ihren nackten Rücken mit ihrem Blut die Zahl 1-6-1-4-5 zu schreiben.

Was verbindet diese 3 Toten, außer der Zahl 1-6-1-4-5? Alle 3 waren Bekannte von Dr. Vera Kaltensee, die Hitler und das Dritte Reich gehasst hat und seit Jahren das Zentrum gegen Vertreibungen unterstützt.

Die Ermittler Pia Kirchhoff, Oliver von Bodenstein und das Team der K 11 der Regionalen Kriminalinspektion Hofheim müssen sich ganz schön ins Zeug legen, um diesen Fall zu lösen.

Bei „Tiefe Wunden“ handelt es sich um den 3. Fall der Bodenstein-Kirchhoff-Reihe, geschrieben von Nele Neuhaus. Den Krimi habe ich im Rahmen der Aktion „Bücher, nicht Boote“ - ein Gemeinschaftsprojekt der „Flüchtlingspaten Syrien“ und der Initiative „Autoren helfen“ erhalten. Also liegt dieses Buch seit dem 31.08.2016 auf meinem Stapel ungelesener Bücher (SuB).

Vor kurzem habe ich den 2. Band der Reihe „Mordsfreunde“ gelesen (leider nicht rezensiert), der mir sehr gut gefallen hat. „Tiefe Wunden“ jedoch hat mich ein wenig zwiegespalten zurückgelassen.

Der Schreibstil der Autorin ist sehr gut, ich empfinde es wirklich als sehr angenehm, wie sie schreibt und wie sie sich ausdrückt, man kann die Geschichte flüssig lesen und sie erzeugt eine angenehme Art von Spannung.

Das Buch ist in mehrere Kapitel eingeteilt, die mit Tag und Datum überschrieben sind. Es beginnt am Samstag, dem 28. April 2007 und endet am 11. Mai 2007, der Epilog ist im September 2007.

Die Charaktere werden so plastisch geschildert, dass man sich ein Bild von jedem einzelnen machen kann. Von Bodenstein und Kirchhoff kannte ich ja schon aus dem Vorgängerband, allerdings sind es viel zu viele andere Personen, die hier in diesem Krimi miteinander agieren. Ich habe das Buch nicht in einem durch gelesen sondern ich musste es ab und an mal für 1 – 2 Tage aus der Hand legen. Bei der Wiederaufnahme der Lektüre brauchte ich erst mal eine geraume Zeit um mich zu orientieren, wer denn nun wieder wer ist und es ist mir tatsächlich nicht immer gelungen, sofort wieder den Durchblick zu erhalten. Ich weiß tatsächlich nicht, ob ich die Familienverbunde immer richtig auf die Reihe bekommen habe, denn irgendwann stellte sich bei den Ermittlungen heraus, dass der Stiefbruder gar nicht der Stiefbruder sondern der Sohn ist …. und ich glaube an der Stelle bin ich dann personentechnisch komplett ausgestiegen.

Ich habe generell ein Problem damit, wenn viele Leute in einem Buch auf der Bildfläche erscheinen, hier ist es aber nicht nur mein Problem, denn in vielen anderen Rezensionen fiel mir auf, dass auch andere Leser genau dieses Problem hatten.

Den Plot selbst fand ich sehr spannend und ich finde es faszinierend, dass Menschen 60 Jahre lang eine Fassade aufrecht erhalten können, die aus nichts anderem als Lug und Trug besteht und das Umfeld merkt nichts; selbst die eigenen Kinder leben ja nichts anderes als die Lüge ihrer Eltern, ohne es zu wissen.

Wer jetzt wen umgebracht hat und aus welchem Grund, das verrate ich nicht, ich verrate aber, dass es nicht bei den 3 Toten bleibt und der Schluss kam ganz anders daher, als ich vermutet habe.

Ich weiß, dass in diesem Kriminalfall eine Personenübersicht am Ende des Buches nicht so ganz einfach zu gestalten ist, da einige Personen eine Doppel-Identität haben und andere Personen nicht die sind, die sie zu sein scheinen. Aber eine Übersicht über die Bande der Kaltensee-Familie wäre für mich sehr hilfreich gewesen.

Auch wenn ich mit diesem Buch hier irgendwann ein klein wenig überfordert war, so war es sicherlich nicht mein letzter Krimi von Nele Neuhaus.