Rezension

4,5 Sterne: Eine feinfühlige, tiefgründige Schilderung der Spätfolgen einer Familientragödie

Die gute Tochter - Karin Slaughter

Die gute Tochter
von Karin Slaughter

Bewertet mit 4.5 Sternen

Emotional, tiefgründig und bedrückend. Ein typischer Thriller von Karin Slaughter, in dem sie uns mit liebevoll ausgearbeiteten Figuren, einem gut konstruierten Plot, einem flüssigen Schreibstil, der feinfühligen Schilderung der Folgen einer Tragödie, wichtigen Themen und großen Emotionen verwöhnt. Perfekt wäre das Buch dann, wenn man an manchen Stellen noch etwas kürzen und das Tempo anziehen würde.

* Spoilerfreie Rezension! *

~ Emotional, tiefgründig und bedrückend. Ein typischer Thriller von Karin Slaughter, in dem sie uns mit liebevoll ausgearbeiteten Figuren, einem gut konstruierten Plot, einem flüssigen Schreibstil, der feinfühligen Schilderung der Folgen einer Tragödie, wichtigen Themen und großen Emotionen verwöhnt. Perfekt wäre das Buch dann, wenn man an manchen Stellen noch etwas kürzen und das Tempo anziehen würde. ~

Inhalt

Eines unerwarteten Abends wird die Familie Quinn in ihrer Villa Kunterbunt von einer Tragödie heimgesucht: Zwei maskierte Männer betreten mit Waffen das Haus und töten kaltblütig die Mutter der beiden Schwestern. Damit ist das Martyrium von Charlie und Sam aber noch nicht zu Ende. Die Einbrecher zwingen die beiden Jugendlichen in den Wald, wo sie ihren Plan vollenden wollen. Ein Grab ist schon geschaufelt…

28 Jahre später: Charlie, die jüngere Schwester, hat sich ein Leben aufgebaut und arbeitet mit ihrem Vater zusammen als Anwältin. Doch die Folgen der Familientragödie haben die verbleibenden Mitglieder der Familie Quinn immer noch im Griff. Völlig unerwartet wird Charlie dann erneut Zeugin eines Dramas. Und genau dieser Vorfall ist es, der Charlie zwingt, sich erneut mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen, die sie doch eigentlich irgendwo in einem Karton tief in ihrem Gedächtnis weggeschlossen hat. Nun wird sie vom Inhalt dieser Schachtel jedoch gnadenlos eingeholt…

Informationen

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählstil: Figuraler Erzähler, Präteritum;
Perspektive: aus weiblichen Perspektiven
Kapitellänge: kurz bis lang
Tiere im Buch: +/+ In diesem Buch werden keine Tiere gequält oder getötet. Im Gegenteil, die vorkommenden Tiere werden liebevoll umsorgt. (Hier noch ein Hinweis, weil eine Katze im Buch alleine in der Wohnung gehalten wird: Katzen alleine zu halten ist ein großer Fehler und nicht artgerecht, da Katzen nur Einzeljäger, aber keine Einzelgänger sind und den Kontakt zu Artgenossen dringend brauchen, um glücklich zu sein. Wer seine Katze liebt, schenkt ihr deshalb einen Gefährten.)

Meine Meinung

Einstieg & Schreibstil

Wie eigentlich immer bei Karin Slaughters Werken brauchte ich auch hier meine Zeit, um in der Geschichte anzukommen. Nachdem ich mich aber an den Schreibstil und das Tempo gewöhnt hatte, habe ich mich im Buch wirklich wohl gefühlt und es relativ schnell und mühelos weggelesen.

Karin Slaughters Schreibstil ist flüssig und angenehm, und man merkt, dass die Autorin Erfahrung hat und mit viel Routine schreibt. Hier sitzt jedes Wort am richtiges Platz, Spannung wird gekonnt erzeugt, Tragik und Emotionen ohne Mühe heraufbeschworen. Fans von hohem Erzähltempo werden allerdings mit dem großen Detailreichtum Probleme haben. Frau Slaughter lässt sich nämlich nicht hetzen, und nimmt sich 600 Seiten lang Zeit, um ihren Plot und ihre Figuren langsam zu entwickeln. Klar ist, dass andere Autoren dieselbe Handlung in 300 Seiten untergebracht hätten.

Wie blutig schreibt Karin Slaughter?

Wer Karin Slaughter kennt, weiß, dass sie beim Beschreiben von Mordszenen und Leichen niemals ein Blatt vor den Mund nimmt. Auch hier geht sie wieder ins Detail und schafft es so, den Schock, den die beiden Mädchen damals empfunden haben müssen, direkt auf den Leser zu übertragen. Wer lieber nicht von herumfliegenden Zahnsplittern und herumspritzendem Blut lesen möchte, sollte sich die Lektüre dieses Buches noch einmal überlegen.

Aufbau

Der Hauptteil der Geschichte spielt in der Gegenwart, wo wir hauptsächlich Charlie über die Schulter schauen. Hin und wieder gibt es aber auch Kapitel aus der Vergangenheit, die sich mit der Familientragödie der Quinns befassen und die LeserInnen informieren und schockieren.

Protagonist & Personen

Wie in jedem Buch, das ich bisher von dieser Autorin gelesen habe, sind auch hier wieder die Figuren und deren liebevolle Zeichnung die größte Stärke des Buches. Jede Person ist hier das Resultat ihrer Vergangenheit und hat schöne und weniger angenehme Seiten. Bei manchen Figuren weiß man lange nicht, wie man sie einschätzen soll. Manche schließt man immer mehr ins Herz, bis man sie am Ende richtig gern hat. Mit Rusty, dem Vater von Charlie, hat die Autorin einen absolut unvergesslichen, einzigartigen und unsagbar schrägen Charakter erschaffen, der mir vermutlich immer in Erinnerung bleiben wird. Die Einbindung von erinnerungswürdigen Zitaten und lustigen Sprüchen lockeren das Buch nicht nur auf, sondern verleihen ihm auch Tiefe.

Die Protagonistinnen waren ebenfalls liebevoll gezeichnet, auch wenn ich nur mit Charlie wirklich warm werden konnte. Zu der anderen Hauptperson wollte sich keine wirkliche Beziehung einstellen, ich bekam irgendwie nie richtig ein Gefühl für sie und konnte sie aufgrund ihrer teilweise kühlen Art nicht einschätzen. Allerdings weiß ich aus der Leserunde, dass viele die andere Protagonistin lieber mochten, so ist bestimmt für jeden jemand dabei, mit dem er sich identifizieren kann. Wer also auf komplexe Figuren steht, die sich im Laufe des Buches authentisch weiterentwickeln, dem seien nicht nur dieses Buch, sondern generell Karin Slaughters Werke ans Herz gelegt.

Idee und Themen

Ein toller Aufbau und eine gute Idee stecken in diesem Buch. Ich liebe an Karin Slaughter, dass sie es immer schafft, den Leser auf falsche Fährten zu locken und zu überraschen, und dass am Ende immer alle Fäden zusammengeführt werden und ein logisches Ganzes ergeben, das den typischen AHA-Moment auslöst, den man sich bei der Auflösung von Thrillern wünscht. Hier zieht das äußerst gelungene Ende wieder einen schönen Bogen zu vielen wichtigen Themen, Figuren und Vorkommnissen, die früher im Buch vorkamen.

Dieses Buch ist mindestens so sehr ein Drama, wie es ein Thriller ist. Die Folgen der Familientragödie von vor 28 Jahren werden anschaulich und detailliert gezeigt, menschliche Abgründe werden beleuchtet, Schmerz und Trauer nach einem so schrecklichen Verlust werden feinfühlig geschildert. Die psychologische Ebene erweist sich auch in diesem Buch wieder als äußerst interessant. Immer wieder wird es sehr emotional, ohne jedoch kitschig oder rührselig zu werden.

In Karin Slaughters Roman geht es um richtige und falsche Entscheidungen, ums Bereuen, um den Kampf, die Vergangenheit ruhen zu lassen, ohne sie zu vergessen. Es geht um Selbstlosigkeit, um Liebe, um Traumata, um den verzweifelten Versuch, seine Lieben zu schützen und um Fehler, die nie wieder gut gemacht werden können. Viele schwierige und wichtige Themen werden in diesem Buch auf teilweise bedrückende Weise adressiert und auf 600 Seiten ist genug Zeit, um in die Tiefe zu gehen. Eine Autorin, die es schafft, dass mir beim Geständnis eines Verbrechers, der alles dafür tun würde, die Zeit zurückzudrehen, fast die Tränen kommen, die muss Talent haben. Chapeau!

Atmosphäre und Spannung

Eigentlich möchte man während des Lesens ständig wissen, wie es mit der Geschichte um Charlie und Co weitergeht. Meine Neugier war groß, und stellenweise wird es durch Cliffhanger am Ende des Kapitels, durch unerwartete Wendungen und durch die Enthüllung so manchen Geheimnisses richtig spannend. Allerdings – und das ist mein einziger Kritikpunkt – hätte das Buch noch zusätzlich an Wirkung gewonnen, wenn man an manchen Stellen gekürzt und das Tempo etwas angezogen hätte.

Mein Fazit

Emotional, tiefgründig und bedrückend. Ein typischer Thriller von Karin Slaughter, in dem sie uns mit liebevoll ausgearbeiteten Figuren, einem gut konstruierten Plot, einem flüssigen Schreibstil, der feinfühligen Schilderung der Folgen einer Tragödie, wichtigen Themen und großen Emotionen verwöhnt. Perfekt wäre das Buch dann, wenn man an manchen Stellen noch etwas kürzen und das Tempo anziehen würde.

Bewertung:

Idee: 5 Sterne
Ausführung: 4,5 Sterne
Schreibstil: 4 Sterne
Personen: 5 Sterne
Hauptpersonen: 4 Sterne
Spannung: 4 Sterne

Insgesamt:

❀❀❀❀,5

Dieses Buch erhält von mir viereinhalb Lilien!