Rezension

4,5 Sterne für meine Empfehlung des Monats

Und plötzlich war der Wald so still - Moa Eriksson Sandberg

Und plötzlich war der Wald so still
von Moa Eriksson Sandberg

Bewertet mit 4.5 Sternen

Die Sommerferien haben im friedlichen Rydöbruk begonnen und Hanna kann sich nichts schöneres vorstellen, als mit ihren besten Freundinnen Jonna und Sabina an dem idyllischen Badesee mitten im Wald zu spielen und sich in Fantasiewelten zu träumen. Als dann die Nachricht von einer verschwundene Mitschülerin durch das Dorf wandert, die immer sehr beliebt und selbstbewusst war und zeitgleich einige Änderungen in Hannas Leben zusammenkommen, gerät der Wald immer mehr zu einer Bedrohung und wird zu einem Symbol der Gefahr. Einziger Lichtblick in dieser seltsamen Zeit ist der neue Junge in der Klasse, der gebürtiger Pole ist und Hanna mit seiner schüchternen Art, sowie seinem Aussehen sofort verzaubert hat. Auch Sabina ist frisch verliebt, doch kann ein Sommer, der mit einer Entführung anfing wirklich gut enden?

Die Mädchen sind 12 Jahre alt und von ihrem Entwicklungsstand her doch so unterschiedlich. Jonna interessiert sich noch kein bisschen für das andere Geschlecht, und liebt es, am Nachmittag ein Eis zu essen oder sich für ein spannendes Experiment im Wald zu verkleiden. Sabina dagegen ist schon ziemlich früh eher reif und will sich nicht mehr an den kindlichen Spielen beteiligen, sondern am liebsten nur herumknutschen. Die Protagonistin steht sprichwörtlich genau zwischen den Stühlen, denn einerseits deutet noch vieles in ihrem Denken und Handeln auf das kleine Mädchen hin, was bei einem Alptraum auf den Schoß ihres Vaters krabbelt, andererseits legt sie die Unbekümmertheit von Kindertagen langsam ab und lernt, dass es noch andere Dinge im Leben gibt, die eigentlich den Erwachsenen vorbehalten waren, jedoch so herrlich verlockend sind. Den Zwischenweg von dem naiven Kind zur widerspenstigen Teenagerin hat die Autorin ganz toll dargestellt und die Erinnerung an eigene unbeschwerte Stunden in der stillen Natur mit Gleichaltrigen aufleben lassen, die mich beim Lesen sogar nostalgisch werden ließen.

Die schwedische Idylle war atmosphärisch prima aufgebaut und durch das Drama um die verschwundene Linda sogar unterschwellig gruselig angehaucht. Einen Krimi darf man keineswegs erwarten, aber der Verlag hat Moa Eriksson Sandbergs Werk schließlich auch in das Genre „Roman“ eingeordnet. Zu Beginn war ich durch den Sturm der Gefühle regelrecht schockverliebt in den sanften Schreibstil und den gelungenen Handlungsbogen, der mit jeder Zeile irgendwie die Hektik und den Technikwahn der heutigen Jugend vergessen lässt. Im letzten Viertel bekam meine Begeisterung dann allerdings einen kleinen Dämpfer, weil speziell das Eheleben von Hannas Eltern etwas gegen meinen Geschmack verlief und einiges insgesamt beinahe in der Schwebe blieb.

Hanna dient trotzdem als hervorragendes Paradebeispiel für Mädchen auf der ganzen Welt, die sich von ihren Müttern missverstanden, von den Vätern vernachlässigt fühlen und sich von den Freundinnen aus der Vergangenheit abnabeln wollen. Die junge Zielgruppe wird sicherlich noch begeisterter sein als ich und den Roman, der sich so leider erschreckend flott durchschmökert, gerne erneut zur Hand nehmen – natürlich am besten in Waldnähe.