Rezension

5 Sterne

Grimms Erben - Florian Weber

Grimms Erben
von Florian Weber

mein persönliches Lesehighlight für 2013

Verlagsinfo, Klappentext

“Ignatz ist Märchenerzähler. Als der Krieg ausbricht, desertiert er. Seine Flucht führt ihn nach Warschau, wo er vor den Augen seines Bruders Zacharias von den Nazis ermordet wird. Zacharias entkommt und zieht sich nach dem Krieg nach Bayern zurück. In seinem Gartenhaus aus Holz erschafft er sich mit seiner Märchenbibliothek eine eigene und wunderbare Welt. Als alter Mann erfährt er von der Existenz seines Enkels August, der ihm zur Obhut übergeben wird. Plötzlich verschwindet Zacharias und hinterlässt eine seltsame Botschaft.
August, der Zeit seines Lebens von seinen Mitmenschen verlacht und gedemütigt wurde, rächt sich nun grausam an seinen Peinigern.

Florian Weber, Bandmitglied der Sportfreunde Stiller, legt mit Grimms Erben seinen eigenen Entwurf zum Grimm-Jahr vor: Phantasiereich und wunderbar fabulierend, aber auch brutal und von anarchistischem Witz, spielt Weber mit sehr unterschiedlichen Märchenmotiven und zitiert in etlichen Szenen deren Handlung und Moral.”

ISBN 978-3-8493-0000-5

Metrolit Verlag  Walde + Graf

Über den Autor  Information Verlagsseite

“Florian Weber, geboren 1974 in Schrobenhausen, Bayern, ist Schlagzeuger und Texter der Sportfreunde Stiller, die u.a. mit dem Album »MTV Unplugged in New York« die deutschen Charts stürmten. 2006 erschien bei Rowohlt sein erster Roman »You’ll Never Walk Alone«.”

 

Mein Buchgefühl

Zuerst einmal möchte ich sagen, dass ich durch die Sendung “Druckfrisch” (ARD) vom 07.04.29013 auf diesen Titel aufmerksam geworden bin. Dort hat Denis Scheck ein Interview mit Florian Weber geführt und einige Minuten über dessen Werk “Grimms Erben” geplaudert. Nachdem Denis Scheck dieses Buch als “Chilischote im deutschen Einheitsbrei” bezeichnet hat wollte ich dieses Buch unbedingt selber lesen um mir eine eigene Meinung zu bilden.

Was soll ich sagen? Selten hat mich ein Buch dermaßen beeindruckt und gefühlsmäßig mitgenommen. Für mich ist dieses Buch bis jetzt DAS Highlight meines Lesejahres (es wurde allerdings schon 2012 veröffentlicht). Ich habe für mich beim Lesen eine wahre Achterbahn meiner Gefühle durchlebt.

In Teil Eins “Die vermaldedeite Flucht”, lernen wir Ignatz Buchmann kennen. Es ist das Jahr 1943 und Ignatz befindet sich in Warschau auf der Flucht. Eigentlich möchte er nicht mehr als Schriftsteller sein. Er möchte ein Buch veröffentlichen, er liebt es Geschichten zu erzählen und sein Bruder Aki ist sein größter Fan. Sein Traum ist es dieses Buch zu verlegen, doch alles kommt leider ganz anders…

Das besondere an Teil Eins ist für mich der Aufbau. Florian Weber lässt uns mit Ignatz durch die Strassen hechten, lässt uns rennen…Nach jeder erfolgreicher Flucht erzählt uns Ignatz eine seiner Geschichten. Und diese haben es wahrlich in sich. Ich kann und mag hier nicht alle einzelnen Geschichten aufzählen, aber ich möchte gerne einige Textpassagen zitieren, die mich hier besonders berührt oder beeindruckt haben.

-Das Mädchen hinter den Büchern- (Diese Erzählung ist so traurig und dennoch so kraftvoll)              Zitat Seite 68 “Er würde liebend gerne lesen. Jedem einzelnen Buchstaben dieser Schatzkammer durch seine Pupillen Eintritt in sein Inneres gewähren lassen. Aus jedem Satz Bilder zeichnen. Jedes entstehende Gebilde in seinem Kopf zum Tanz auffordern. Ich brauche Zeit, dachte er sich. Zeit zu lesen.”                        Was für eine Sprache!!!

-Das Imagistrat-           Zitat Seite 77 “Da gab es zum einen die Möglichkeit, mit Hilfe eines überdimensionalen Helms, aus dem Schläuche und Glühbirnen führten, Bücher hundertmal schneller lesen zu können als gewöhnlich, ohne den Lesegenuss zu schmälern. Der Lesetempomat.”       Wer von uns allen würde sich nicht solch eine Maschine wünschen?                        ( Aber Vorsicht auch dies ist eine tragische Geschichte.)

Dies sind Auszüge aus zwei Geschichten die Ignatz während seiner Flucht aufschrieb, es gibt derer einige und alle sind beeindruckend, erschütternd und einfach nur lebhaft und liebevoll. Und zwischen diesen Episoden wirft uns der Autor immer wieder in die wilde Flucht hinein. Bis zum bitteren Ende…

Nun kommen wir zu Teil Zwei, “Die Theorien des August Locher”. August Locher und wir schreiben das Jahr 1984. auf den ersten Blick scheint nun eine ganz neue Geschichte anzufangen, die nichts mit dem ersten Abschnitt zu tun hat und doch ist alles miteinander verwoben und man bekommt als Leser immer wieder Hinweise darauf. Das Leben von August Locher ist mitnichten einfach und er kann einem schon leid tun, der arme Kerl. Wir erleben ihn in seinem Alltag und begleiten ihn auf die Arbeit und oft hatte ich beim Lesen das Gefühl ihm helfen zu wollen. Ja, er hat mich wirklich tief berührt, der August, er tat mir leid und hier und da hab ich mir gewünscht ihn mal wachzurütteln. Aber das kam ja dann noch von ganz alleine… Auch hier habe ich wieder ein Zitat welches mir nach dem Lesen noch lange im Gedächtnis blieb.    Zitat Seite 148 ” Warum hast Du überhaupt einen Atlas, hast ja nicht einmal ein Auto. -Weil der Mensch wissen muss, wo er herkommt, wo er ist und wo er hin will, das ganz besonders.”                       Ich kann und möchte auch hier nicht wirklich viel über den Inhalt erzählen, ich finde einfach das alles zu komplex ist um es zu beschreiben. Hier ist selber lesen und fühlen geraten  [:-)]

Kommen wir nun zu Teil Drei, “Olymus Mons”. Die Szenerie wechselt erneut. Wir treffen auf Joseph Schmidt und Ole Olsen. Beide sind auf dem Weg von Hamburg nach Garmisch-Partenkirchen, 857,4 Kilometer, / Stunden, 42 Minuten. Sie sollen die Illustrationen zu einem Märchenbuch gestalten. 12 klassische Märchen, 36 moderne Illustrationen. Nun wollen beide sich in den Bergen inspirieren lassen. Inspiriert werden sie, aber anders als sie erwarten. Los geht es schon mal mit den typischen Sprachbarrieren zwischen Norden und Süden. Viel haben beide nun zu erleben und es ist nicht wirklich schön, aber durchaus nötig…

Teil Vier, “Von Faden und Garn” rundet die gesamte Geschichte ab und verbindet alle Teile miteinander. Es ist der Anfang und auch das Ende von einem aussergewöhnlichen Buch.

Mein Fazit.

Dieses Buch kann begeistern, kann traurig stimmen, kann lehrreich sein und zu allem auch noch ein großer Spaß. Ich fühlte mich wunderbar vom Autor durch die Seiten getragen. Dieses Buch ist anders!  Ich für mich bin nicht in der Lage es in eine “Genreschublade” zu stecken, denn in meinen Augen finden sich hier fast alle Genres bedient.

Vielen Dank an Denis Scheck und  die Sendung “Druckfrisch”, ohne ihn wäre ich nie über dieses Buch gestolpert!

Ich vergebe alle 5 Sterne und noch viel mehr!!!