Rezension

5.0 von 5 Sternen Ein wichtiges Zeugnis über eine Zeit, die so nie wieder geschehen darf

Der Mann, der ins KZ einbrach - Denis Avey, Rob Broomby

Der Mann, der ins KZ einbrach
von Denis Avey Rob Broomby

Bewertet mit 5 Sternen

Der Brite Denis Avey wurde 1918 geboren und meldetete sich im Zweiten Weltkrieg freiwillig zum Militärdienst, wo er im Afrikafeldzug eingesetzt wurde, bei welchem er schwer verwundet und schließlich gefangen genommen wurde. Nachdem mehrere seiner Fluchtversuche gescheitert waren, landete Denis Avey schließlich im Kriegsgefangenenlager E715 am Rande des KZ Ausschwitz. Dort wurde er zur Zwangsarbeit gemeinsam mit den jüdischen Häftlingen aus dem Lager Ausschwitz III verpflichtet, welche von den Kriegsgefangenen die "Geistreiften" genannt wurden. Denis Avey fragte sich immer mehr, was mit den jüdischen Häftlingen wirklich geschah, warum sie plötzlich verschwanden. Zwar vernahm man Gerüchte, doch er wollte es mit eigenen Augen sehen, um es später einmal bezeugen zu können. Aus diesem Grund tauschte er mit einem jüdischen Häftling die Kleidung und ging an dessen Stelle freiwillig ins Lager Ausschwitz III. Jahrzehnte später berichtet Denis Avey über seine Erlebnisse während der Gefangenschaft, wird 2010 vom britischen Premierminister als "Hero of the Holocaust" geehrt und der BBC-Reporter Rob Broomby hilft ihm dabei, das Erlebte niederzuschreiben.

Meine Meinung:
Zunächst berichtet Denis Avey von seinen Erlebnissen während des Afrikafeldzugs, den nächtlichen Spitzelaktionen und den Kämpfen. Dieser Teil des Buches ist zwar sehr interessant, mir persönlich war er aber an manchen Stellen etwas zu militärisch und daher vielleicht etwas schwierig nachvollziehbar.
Ganz anders dann, als er beginnt, von seiner Gefangennahme und der folgenden Zeit zu erzählen. Ausführlich beschreibt Avey die katastrophalen Zustände in den Lagern, wie sich das Leben für britische Kriegsgefangene und die "Gestreiften" unterschied und wie er schließlich den Entschluss fasste, mit eigenen Augen zu sehen, wovon er bisher nur Gerüchte gehört hatte.
Bei Ausschwitz III handelte es sich um ein Nebenlager des riesigen Vernichtungslagers Ausschwitz-Birkenau, jedoch gehörten letztlich alle zum gleichen Vernichtungsapperat und die Häftlinge in Ausschwitz III wurden durch Arbeit zu Tode gebracht. Die Häftlinge von Ausschwitz III leisteten gemeinsam mit den Kriegsgefangenen Zwangsarbeit für die IG Farben.
Unter dem größten Lebensrisiko tauschte Avey mit einem jüdischen Mitgefangenen Kleider und Identität und begabt sich in das Lager Ausschwitz III. Er beschreibt im Buch die schrecklichen Gerüche, die katastrophalen hygienischen Bedingungen, die völlig ungenügende Ernährung und die Enge und Beklemmtheit in den Baracken. Später vollzog er den selben Tausch nochmal unter Lebensbedingungen, um irgendwann einmal bezeugen zu können, was während des Holocaust wirklich geschah.
Dieses Buch ist ein erschütterndes Zeugnis über die Vernichtsanlagen der Nationalsozialisten und über den Mut eines Engländers, welcher nicht nur sein Leben auf Spiel setze, um die Gräueltaten zu bezeugen, sondern welcher gleichsam durch kleine Gesten versuchte, den jüdischen Häftlingen zu helfen, ihren schier aussichtslosen Überlebenskampf noch ein bisschen länger zu bewältigen.
Sicherlich war Aveys Entschluss auf jugendlichen Leichtsinn zurückzuführen, doch er bezeugt einen unglaublichen Mut und Menschlichkeit in einer unmenschlichen Zeit.
Jahrzehntelang litt er unter den Auswirkungen seiner Gefangenschaft und erst im Alter schaffte er es schließlich, über die Geschehnisse zu sprechen und durch sein Buch ein herausragendes Plädoyer für Zivilcourage und Toleranz zu veröffentlichen.

"Die Leute glauben, so etwas könne nie wieder geschehen, erst recht nicht hier bei uns. Glauben Sie das nicht. Es ist gar nicht viel dazu nötig.
Damit das Böse Erfolg haben konnte, war nichts weiter nötig, als dass die Anständigen nichts unternahmen."

Fazit:
In Der Mann, der ins KZ einbrach schildert Denis Avey seine Lebensgeschichte, die geprägt ist durch einen gewissen jugendlichen Leichtsinn, durch welchen er im Stande ist, größten Mut aufzubringen, anderen zu helfen, selbst zu überleben und trotz aller Grauen um ihn herum menschlich zu bleiben. Das Buch ist ein wichtiges Zeugnis über eine Zeit, die so nicht wieder geschehen darf; wie schnell es geschehen kann, zeigt Avey auf. Das Buch hinterlässt beim Leser eine beklemmte, bedrückte Stimmung und dieser Erfahrungsbericht dient hoffentlich dazu, dass der Holocaust nie in Vergessenheit gerät oder gar heruntergespielt bzw. bestritten wird. Ein solches Vermächtnis sollte von jedem gelesen werden, es spiegelt die Wirklichkeit einer grausamen Zeit wieder und ich kann es nur jedem ans Herz legen, vor dieser nicht die Augen zu verschließen.