Rezension

6 Tote, eine Leiche?

Ragdoll - Dein letzter Tag - Daniel Cole

Ragdoll - Dein letzter Tag
von Daniel Cole

Bewertet mit 3.5 Sternen

Die Grundidee lässt den Thriller-Fan direkt in freudiger Erwartung aufhorchen, denn sie ist so originell wie grausig: kaum wurde die erste Leiche des "Ragdoll"-Killers gefunden, bizarrerweise zusammengenäht aus den Einzelteilen von nicht weniger als sechs Opfern, wird der Presse auch schon eine Todesliste mit den Namen der nächsten sechs geplanten Opfer zugespielt. Für die Polizei beginnt ein Rennen gegen die Zeit – besonders für Detective William Oliver Layton-Fawkes, denn der steht ebenfalls auf der Liste... 

Das Highlight des Buches war für mich die schiere Genialität des Serienkillers. Eigentlich müsste die Polizei mit ihm leichtes Spiel haben, denn sie wissen nicht nur, welche Menschen auf seiner Todesliste stehen, sondern sogar ganz genau, an welchem Tag er sie jeweils umbringen will. Was wäre also einfacher, als sie an diesem Tag irgendwo einzusperren und nicht aus den Augen zu lassen? Als Leser knabbert man deswegen gespannt an den Fingernägeln, wie um Gottes willen er es schaffen will, seine Opfer zu töten... Und das ist tatsächlich superspannend, rasant und unterhaltsam, es gibt jede Menge falsche Fährten und Verwicklungen und massenhaft Action. Ich war immer wieder überrascht, wie der Killer sich um das Unmögliche herummanövriert! Manchmal habe ich mich gefragt, auf wessen Seite ich eigentlich stehe... 

Ein paar Sachen fand ich nicht hundertprozentig logisch und in sich schlüssig, aber im Großen und Ganzen war der Fall in meinen Augen solide und gut konstruiert. Man muss allerdings auf die Kleinigkeiten achten, wenn man bis zum Schluss kein Puzzlesteinchen übersehen will. 

Auch den Schreibstil fand ich ansprechend. Der Autor baut einerseits in vielen Szenen eine wunderbar dichte, düstere Atmosphäre auf, andererseits überrascht er immer wieder mit einem bitterbösen Humor, der die Geschichte auflockert und ihr einen unverwechselbaren Tonfall verleiht. Gerade, weil die Morde so grausam und schaurig sind, wirkte der Kontrast auch mich sehr ungewöhnlich und interessant. Besonders die Dialoge sind großartig geschrieben, mal witzig, mal dramatisch, aber immer auf den Punkt. 

Leider muss ich jetzt aber auch auf das eingehen, was für mich das große Manko des Buches war – nämlich die Charaktere, die mir ziemlich klischeehaft vorkamen. 

Im Mittelpunkt steht Detective William Oliver Layton Fawkes, genannt 'Wolf: der typische desillusionierte, in Ungnade gefallene Cop, der aber trotzdem so ein wahnsinnig brillanter Ermittler ist, dass er mit allem durchkommt. Ein richtig harter Kerl, der einem Verdächtigen notfalls beim Verhör die Finger bricht und Beweise fälscht – schließlich weiß er ja ganz genau, wer schuldig ist und wer nicht! Wenn es nicht so läuft, wie er sich das vorstellt, knallt er auch schon mal einen Kollegen dermaßen heftig mit dem Kopf gegen die Wand, dass der genäht werden muss, aber das macht nichts, Teamwork ist eh nicht seine Sache. Dass seine Ehe zerrüttet ist, versteht sich da fast von selbst. 

Seine Entwicklung im Laufe des Buches fand ich dann sogar noch beunruhigender, und besonders gegen Ende fand ich es immer unmöglicher, mit ihm und seiner Egomanie Sympathie zu empfinden. Obwohl ich zugeben muss, dass ich diese Entwicklung sehr verblüffend und unerwartet fand!

Seine Kollegin Baxter übernimmt die Rolle der zynischen, launischen Frau mit der harten Schale. Sie fährt katastrophal schlecht Auto, trinkt zu viel und hat eine merkwürdige und dennoch irgendwie rührende Beziehung zu Wolf. Ein Charakter mit viel Potential: sie ist loyal, clever, hartnäckig und auf interessante Art zwiespältig, da sie mit ihren eigenen Dämonen zu kämpfen hat. Leider wird das Potential meines Erachtens nicht voll ausgeschöpft, so dass sie für mich nicht vollkommen glaubhaft und authentisch wurde. 

Auch Wolfs Ex-Frau Andrea konnte sich für mein Empfinden nicht komplett vom Klischee lösen: sie ist wunderschön, sie liebt ihn irgendwie noch immer, und als Journalistin ist sie hin- und hergerissen zwischen ihren Prinzipien und ihrem beruflichen Ehrgeiz. 

Mein Lieblingscharakter war der junge Edmunds. Zwar ist auch er ein Typ Mensch, der einem öfter in Thrillern begegnet – nämlich der großäugige Newbie, den keiner so richtig ernstnimmt -, aber ich fand ihn sehr sympathisch, und er stellt sich im Laufe des Buches als einfallsreich, hochintelligent und entschlossen heraus. Mit ihm konnte ich wirklich mitfiebern, und er war für mich auch ein starker Charakter, den ich viel lieber als Hauptcharakter gesehen hätte! Gerade, weil er manchmal der einzige zu sein scheint, der Wolf die Stirn bietet und nicht alles hinnimmt, was der sagt und tut.

Fazit:
Das Buch hat in meinen Augen einen enormen Unterhaltungswert: ein perfider Killer liefert sich ein Katz- und Mausspiel mit der Polizei und verhöhnt sie geradezu, indem er ihnen vorher schon verrät, wen er als nächstes töten wird und wann. Das Tempo ist rasant, die Spannung lässt kaum einmal nach... Mit schwarzem Humor erzählt Daniel Cole eine Geschichte voller überraschender Wendungen.

Leider konnten mich die Hauptcharaktere nicht vollends überzeugen, besonders Detective William Oliver-Layton wirkte auch mich sehr klischeehaft – der harte Supercop, der auch gerne im Namen der Gerechtigkeit die Fäuste sprechen lässt.