Rezension

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Abenteuer und Philosophie

Schiffbruch mit Tiger - Yann Martel

Schiffbruch mit Tiger
von Yann Martel

Bewertet mit 5 Sternen

Als Pi Patels Eltern nach Kanada auswandern wollen, verkaufen sie ihren Zoo in Indien und beginnen ihre Reise mit dem Frachter „Tsimtstum“ über den Pazifik. Mit im Gepäck sind auch etliche Tiere, die in einem Zoo in der neuen Heimat übernommen werden sollen.

Doch eines Nachts passiert die folgenschwere Katastrophe: Das Schiff sinkt und Pi rettet sich als einziger Überlebender auf eins der Rettungsboote. Mit ihm ein verletztes Zebra, eine Hyäne und ein Orang-Utan. In seinem überforderten Zustand rettet Pi auch noch den großen, bengalischen Tiger, Richard Parker aus der tobenden See und wird sich gleich seines schwerwiegenden Fehlers bewusst.

Es ist der Beginn einer langen, erschöpfenden Reise eines jungen Mannes, der sich schon als Kind zu drei verschiedenen Religionen bekannt hat. Auf der Suche nach einem tieferen Sinn im Leben hat er sich voller Inbrunst dem Buddhismus, dem Islam und dem Christentum hingegeben. Allen drei Religionen räumt er den gleichen Raum in seinem Leben ein. Dabei sieht er keinen Grund, sich für einen der Glaubensrichtungen entscheiden zu müssen.  

227 Tage verbringt Pi auf dem Rettungsboot. Hunger und Durst sind der ständige Begleiter des indischen Jugendlichen, der seinen Vegetarismus hinter sich lassen muss, Fische und Schildkröten fängt, und unter der ständigen Nässe und dem allgegenwärtigen Salz leidet. Dabei ist Richard Parker beides: Eine lebensbedrohliche Gefahr und die einzige Gesellschaft, die Pi vor der zermürbenden Einsamkeit bewahren kann. Mit seiner kraftvollen Sprache präsentiert Martel die Zerrissenheit und Verzweiflung des Helden und nimmt den Leser mit auf die belastenden Monate auf dem offenen Meer.

Es ist die Geschichte, die Pi in allen Einzelheiten erzählt, als zwei Mitarbeiter des japanischen Verkehrsministeriums ihn im Krankenhaus besuchen und sich nach dem Unfall des Frachters erkundigen. Doch als die Japaner erhebliche Zweifel an den Ausführungen des Überlebenden anmelden, präsentiert Pi eine weitere Geschichte – von ihm, seiner Mutter, einem Matrosen und einem Koch. Eine Geschichte, in der nach Mord- und Todschlag nur er übrig blieb.

Seinen Zuhörern überlässt er die Entscheidung darüber, welche der beiden Geschichten nun die besser - und die wahre ist. „Und genauso ist es mit Gott“, schließt er seine Erzählungen. Und damit lässt er nicht nur die zwei Japaner in Unsicherheit – sondern auch den Leser, der, wie ich, mit gemischten Gefühlen zurückbleibt.

Es ist die lebendige Erzählweise, die Martels Roman so locker-leicht daherkommen lässt – und eine Geschichte, die skurril, schräg und fast humorig wirkt. Doch „Schiffbruch mit Tiger“ steckt auch voller Symbolik und philosophischen Überlegungen. Es geht um die Glaubwürdigkeit von Dingen, die sich nicht nachprüfen lassen. Und um die Beweggründe, die Menschen zu ihren Entscheidungen führen. Der Roman lässt dem Leser nicht nur die Entscheidung, welche der Geschichten er für die wahre hält, sondern auch, wie weit er in der Tiefe der Geschichte von Pi schürfen möchte.

Kommentare

simsa kommentierte am 01. Oktober 2013 um 10:57

Ich war erst skeptisch, ob mir dieses Buch gefallen kann, aber nach dem Lesen bin ich nur noch begeistert. Ein tolles Buch!

Nun möchte ich auch gerne noch den Film sehen und ich hoffe er enttäuscht mich nicht.

Catherine Buchling kommentierte am 23. Oktober 2013 um 12:17

Mir ging es wie simsa... war auch lange skeptisch. Und dann habe ich es doch gelesen - und war einfach nur begeistert! Und auch der Film ist echt klasse gemacht!

Shanna kommentierte am 25. Februar 2014 um 09:11

Ich habe mir vor Kurzem den Film angeschaut und war ich zuvor recht skeptisch wegen dem Buch, möchte ich es nun unbedingt lesen =)

Habe mich als Buchverschenker bei der diesjährigen "Welttag des Buches"-Aktion beworben und vielleicht darf ich ja demnächst genau dieses Buch verschenken =)

Nelebooks kommentierte am 29. November 2016 um 21:42

Das ist ja mittlerweile irgendwie auch zu einem Buch geworden, dass man gelesen haben muss :-)