Rezension

Abrechnung

Das Muschelessen - Birgit Vanderbeke

Das Muschelessen
von Birgit Vanderbeke

Bewertet mit 4 Sternen

Eine Familie sitzt vor einem Berg Muscheln, die eigentlich keiner mag, außer der Vater der Familie. An diesem Abend verspätet sich der Vater und eine Abrechnung mit der Idylle "Familie" nimmt ihren Lauf.

An den Schreibstil von Birgit Vanderbeke musste ich mich erstmal gewöhnen. Die Tochter der Familie spricht die ganze Erzählung; man erfährt keine Namen, kein genaues Alter, nur daß die Tochter schon erwachsen ist. Dabei erzählt sie alles mehr oder weniger in einem Satz, im Grunde reiht sich ein Gedanke an den den nächsten. Nachdem ich mich an den doch sehr ungewöhnlichen Schreibstil gewöhnt hatte, war ich abwechselnd überrascht und entsetzt, daß es noch solche Familien geben soll, in denen der Vater als Patriarch alles entscheidet und die Angehörigen nach seinen Vorstellungen formt; vor allem aber darüber, daß keiner, auch nicht die Mutter dagegen rebelliert hat. Die Familie hat kein schönes oder selbstbestimmtes Leben gehabt, sondern immer nur dem Vater seinen Willen getan. Sie fürchteten alle die Konsequenzen, die gelegentliches Widersprechen hatte, denn die Prügelstrafe war in der Familie auch noch nicht abgeschafft.

Ich denke, man kann die Erzälung als das nehmen, was sie beschreibt, nämlich das Abrechnen mit der Familienidylle, die keine war, oder als Abrechnung mit dem Leben in der ehemaligen DDR, aus der die Autorin mit ihrer Familie geflohen ist. Der Vater als die Überwachungsmacht der Stasi und die anderen Familienmitglieder als die Bürger, die am Ende gegen das Regime angehen.

Eine lohnende Lektüre ist "Das Muschelessen" auf jeden Fall, der ungewöhnliche Aufbau sollte nicht abschrecken.